Kognition: Wider den Starrsinn
Wer als Kontinentaleuropäer die Autofähre im nordenglischen Hull verlässt, braucht neben einer guten Portion Draufgängertum eines ganz besonders: geistige Flexibilität. Denn kurz hinter der Hafenausfahrt rauscht man in einen riesigen, mehrspurigen Kreisverkehr, der die Automassen einer großen Fernstraße durchrührt – linksherum, wohlgemerkt! Blitzschnell gilt es zu reagieren: Wo ordne ich mich ein? In welche Richtung muss ich blicken? Und wie um Himmels willen komme ich aus dem Strudel wieder heraus?
Ist man sein Leben lang immer auf der rechten Straßenseite gefahren, kann eine solche Situation erst einmal beängstigend sein. Aber bereits nach dem zweiten oder dritten Kreisel lässt die Anspannung in der Regel nach, und es stellt sich eine gewisse Routine ein.
Unser Gehirn ist nämlich anpassungsfähiger als gedacht. Das zeigt sich schön eindrücklich beim Wechsel vom Rechts- in den Linksverkehr (und natürlich umgekehrt). Allerdings gelingt es uns auch in unzähligen anderen Situationen, unser Verhalten sich ändernden Bedingungen anzupassen. Die Coronakrise ist so ein Beispiel. Immer wieder mussten wir unser Handeln und unsere Ansichten im Licht neuer Daten prüfen und häufig genug revidieren.
»Mich hat überrascht, wie gut das den meisten von uns gelungen ist«, sagt Gesine Dreisbach von der Universität Regensburg. »Wir haben etwa schnell verinnerlicht, dass wir uns zur Begrüßung nicht mehr die Hand geben und in den Arm nehmen.« Die Psychologin erforscht mit ihrem Team, welche Faktoren die kognitive Flexibilität von Menschen beeinflussen.
Doch was heißt es eigentlich, »geistig flexibel« zu sein? Kognitionsforschern zufolge trifft dieses Attribut auf Personen zu, die ihr Verhalten und ihre Denkmuster rasch ändern können, wenn es die äußeren Umstände verlangen. Wie Studien zeigen, sind sie im Schnitt erfolgreicher im Beruf und erbringen höhere akademische Leistungen als engstirnige Menschen ...
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