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Tumoren: Komplexe Lebensgemeinschaften

Krebsgeschwulste bestehen aus diversen Zelltypen mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften. Das erklärt, warum Krebserkrankungen so schwer zu behandeln sind, und eröffnet neue Therapieansätze.
Im Fall von Krebs wissen Zellen im Körper nicht mehr genau, wo ihr Platz ist, und wachsen, wo sie nicht hingehören. (Symbolbild)

Krebserkrankungen entstehen, wenn das Erbgut an kritischen Stellen mutiert und die betroffenen Zellen daraufhin entarten. Seit einigen Jahren erkennen Mediziner allerdings immer deutlicher, dass nicht nur Genmutationen die Entwicklung eines Tumors prägen. Veränderte Genaktivitäten scheinen hier ebenfalls eine maßgebliche Rolle zu spielen – insbesondere bei der Metastasierung, dem Entstehen von Tochtergeschwülsten in anderen Organen. Kehrt die Krankheit nach einer Krebstherapie zurück, beruht dies nicht nur auf mutierten Tumorzellen, die gegen die Behandlung resistent geworden sind. Auch die vorübergehende, reversible Umwandlung entarteter Zellen wirkt daran mit, wie Studien gezeigt haben. Dabei begeben sich einige Krebszellen in einen Zustand, in dem sie die Therapie überstehen, um später wieder aktiv zu werden. Tumoren können demnach aktiv und dynamisch auf Einflüsse von außen reagieren, ohne dabei irreversibel zu mutieren.

Erste Belege für solche nicht genetischen Anpassungsprozesse tauchten auf, als Mediziner feststellten: Zellen von Darm- und Lungentumoren verwandeln sich unter Chemotherapie manchmal in ein stammzellähnliches Stadium zurück. Sie machen dabei eine epithelial-mesenchymale Transition (EMT) durch, einen Vorgang, der während der Embryonalentwicklung die Bildung verschiedener Gewebearten steuert. Eine Arbeitsgruppe um den Hautarzt Thomas Tüting von der Universität Magdeburg hat das Phänomen ebenfalls an Mäusen beobachtet, die an einem Melanom (»Schwarzer Hautkrebs«) erkrankt waren. Wurden die Tiere immuntherapeutisch behandelt, veränderten die Tumorzellen ihr Aussehen und »entdifferenzierten« sich: Sie verloren ihre für Pigmentzellen typischen Merkmale, entwickelten stattdessen embryonale Eigenschaften und entkamen so dem Angriff des Immunsystems. Fachleute nehmen mittlerweile an, dass dies ein Bestandteil der so genannten phänotypischen Plastizität ist, also der Fähigkeit von Organismen einschließlich Krebszellen, ihr Erscheinungsbild zu verändern, um auf Umwelteinflüsse zu reagieren. Dabei können die Tumorzellen einen grundlegenden Identitätswechsel durchlaufen, der mit einer Aktivitätsänderung hunderter Gene einhergeht …

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  • Quellen

Karras, P. et al.: A cellular hierarchy in melanoma uncouples growth and metastasis. Nature 610, 2022

Rambow, F. et al.: Melanoma plasticity and phenotypic diversity: therapeutic barriers and opportunities. Genes & Development 33, 2019

Tirosh, I. et al.: Dissecting the multicellular ecosystem of metastatic melanoma by single-cell RNA-seq. Science 352, 2016

Tsoi, J. et al.: Multi-stage differentiation defines melanoma subtypes with differential vulnerability to drug-induced Iron-dependent oxidative stress. Cancer Cell 33, 2018

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