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Konfokale Mikroskopie

Eine Kombination verschiedener Techniken ermöglicht bestechend klare Schichtbilder winziger Objekte – und sogar deren dreidimensionale Darstellung.

Marvin Minsky, Professor am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, ist der wohl bekannteste unter den Gründervätern des Forschungsgebiets Künstliche Intelligenz. Er hätte jedoch auch auf andere Weise – wenngleich verspätet – zu Ruhm kommen können: als Erfinder eines revolutionären Lichtmikroskops, das mit verblüffender Schärfe sukzessive tiefere Schichten von relativ dicken Präparaten abzubilden vermochte, ohne daß vorher davon Dünnschnitte angefertigt werden mußten. Gebaut hatte er es in den fünfziger Jahren als jung promovierter Wissenschaftler an der Harvard-Universität in Cambridge.

Das Instrument fand damals nicht gerade breiten Anklang. Selbst als Minsky sein "zweifach fokussierendes Objekt-Raster-Mikroskop" dann 1961 patentieren ließ, verstanden nur wenige, was es leisten könnte; weder wurden während der siebzehnjährigen Laufzeit seines Patents Lizenzgebühren eingenommen noch irgendwo ähnliche Geräte hergestellt. Als verkannter Vorreiter auf dem Gebiet der Optik wandte Minsky sich neuen Herausforderungen zu und ließ den Prototyp in einer Kellerecke verrosten. Dreißig Jahre später beginnt sich sein Konzept, die Konfokal-Technik, durchzusetzen und entpuppt sich als eine der aufregendsten Neuerungen in der Lichtmikroskopie. Inwieweit das gegenwärtige Interesse einer Wiederentdeckung von Minskys Patent oder einer Neuerfindung durch andere zu verdanken ist, bleibt indes unklar.

Jedenfalls gibt es inzwischen ein breites Sortiment von Systemen für unterschiedliche Anforderungen und auf Wunsch mit vielen technischen Finessen. Gleich, ob es um die Feinstruktur von Kartoffel- oder Computerchips (Bild 5) geht, um die Vermessung der Augenhornhaut oder um die Darstellung des sich entwickelnden Gehirns an einem Embryo – die konfokale Mikroskopie verschafft Wissenschaftlern und Technikern im Wortsinne neue Einblicke in ihre Untersuchungsobjekte.


Die Tücken des Objekts

Minsky entwickelte das Verfahren im Zusammenhang mit seinen Überlegungen zur Arbeitsweise des menschlichen Gehirns. Falls es gelänge, alle Neuronen mit ihren Verbindungen zu kartieren, also eine Art Schaltplan zu erstellen, müßten sich – so glaubte er – daraus Anhaltspunkte für dessen Funktionsweise ergeben.

Nun ist es aber äußerst schwierig, mit klassischen lichtmikroskopischen Verfahren den Verlauf der feinen Nervenfasern in einer Schicht Hirngewebe auszumachen. Für biologische und medizinische Untersuchungen werden Präparate herkömmlich meist von der Rücksei- te durchleuchtet; um sie einigermaßen scharf abzubilden, müssen sie sehr flach und durchscheinend genug sein. Man kann aber auch die dem Objektiv zugewandte Seite des Präparats beleuchten und dabei das Licht über dessen Linsensystem einstrahlen. Dieses Auflicht-Prinzip ist meist bei Fluoreszenzmikroskopen verwirklicht oder bei Geräten zur Untersuchung opaker Proben.

Bei einem relativ dicken, aber doch lichtdurchlässigen Präparat wie einem Gehirnschnitt ist allerdings nie die gesamte vertikale Ausdehnung in der Fokusebene; tiefer oder höher liegende Strukturen sind darum unscharf. Man kann zwar sukzessive auch auf sie fokussieren, gewissermaßen das Objekt schichtweise betrachten, aber der Beitrag der nicht aus der jeweiligen Schärfeebene kommenden Lichtstrahlen macht das Bild verschwommen. Zudem verringert Streuung den Kontrast. Es ist etwa so, als wolle man einen Gegenstand in der Tiefe eines modrigen Tümpels mit einer Taschenlampe sichtbar machen; das Licht wird von so vielen kleinen Partikeln abgelenkt, ehe es zum Betrachter gelangt, daß sich der Gegenstand nicht mehr richtig von seiner Umgebung abhebt. Solche diffusen Reflexionen im Gewebepräparat liefern keine nützlichen Bildinformationen. Zuweilen überstrahlt dieses diffuse Leuchten sogar das von der eingestellten Schärfeebene kommende Licht.


Drei Tricks

Für die optimale Wiedergabe einer einzigen Ebene des Untersuchungsobjekts wäre es also ideal, nur Licht einzufangen, das direkt und ausschließlich aus der gewünschten Ebene kommt. Durch einige wenige Änderungen gegenüber herkömmlichen Mikroskopen konnte Minsky die Unschärfe auf ein Minimum reduzieren und den Kontrast erhöhen.

Zunächst verhinderte er weitgehend das Entstehen von Streulicht. Während man bei der konventionellen Mikroskopie das gesamte Präparat möglichst gleichmäßig ausleuchtet, schickte er Auflicht durch ein Objektiv, das es scharf fokussierte. Ein solches sanduhrförmiges Strahlenbündel bildet bekanntlich in seiner Taille einen scharfen, hellen Lichtpunkt. Den stellte er dann auf eine gewünschte Tiefe im Präparat ein. Hell beleuchtet wurde mithin nur ein winziger Fleck (Bild a im Kasten auf Seite 82), so daß aus dem Umfeld kaum störende Reflexionen kamen.

Wohl aber warf noch das Gewebe oberhalb und unterhalb der Zielebene, das innerhalb des Strahlengangs lag, Licht zurück – teils direkt, teils diffus gestreut. Durch eine zweite wichtige Verbesserung konnte Minsky einen großen Teil davon ausblenden: Wo das Objektiv die vom hell erleuchteten Zielpunkt zurückkommenden Strahlen im Gerätetubus fokussierte, brachte er eine Maske mit einer winzigen Öffnung an. Durch diese Lochblende erreichte das gesamte relevante Licht den dahinter angebrachten Detektor, während die meisten der nicht aus der Schärfeebene kommenden Strahlen abgeschirmt wurden (Bild b im Kasten auf Seite 82).

Ein nahezu perfekt abgebildeter winziger Fleck – praktisch frei von Streulicht und frei von Unschärfen durch Fremdlicht – war allerdings nur die halbe Lösung des Problems. Erst Rasteraufnahmen ermöglichten schließlich die Wiedergabe einer kompletten Fläche. Dazu führte Minsky das Präparat Schritt für Schritt und Zeile für Zeile unter dem scharf fokussierten Beleuchtungsstrahl durch, bis jeder Punkt der Zielebene letztlich erfaßt worden war. Manövriert wurde es mit zwei elektromagnetischen Stellgliedern – einem für das zeilenweise und dem anderen für das spaltenweise Abtasten.

Bei dem Detektor hinter der Lochblende handelte es sich um einen Photomultiplier. Dieser setzte das Erfaßte in eine Folge elektrischer Signale um, die auf einem lange nachleuchtenden Radar-Bildschirm aus Militärbeständen schließlich das betrachtbare Bild erzeugten. Durch Absenken oder Anheben des Objektivs und erneutes Rastern konnten andere Ebenen des Präparats dargestellt werden. Der Bildschirm war allerdings recht groß, und das mag eine unkluge Wahl gewesen sein. "Ich führte das konfokale Mikroskop zahlreichen Besuchern vor, aber sie schienen von dem, was sie auf dem Radar-Schirm zu sehen bekamen, nie besonders beeindruckt zu sein", schrieb Minsky 1988 in einem rückblickenden Artikel über seine Erfindung. "Erst später wurde mir bewußt, daß es nicht ausreicht, wenn ein Gerät ein hohes Auflösungsvermögen hat – das Wiedergegebene muß auch scharf aussehen. Vielleicht benötigt das menschliche Gehirn eine gewisse Dichte an Bildinformation auf der Fovea (der Stelle schärfsten Sehens im Auge), damit es seine höchsten visuellen Fähigkeiten auszuspielen vermag. Jedenfalls hätte ich gut daran getan, einen photographischen Film zu benutzen – oder zumindest einen kleineren Bildschirm!"


Varianten

Die grundlegenden Merkmale der konfokalen Mikroskopie – Beleuchten eines winzigen Areals, Fokussieren des von dort zurückgeworfenen Lichts auf die Öffnung einer entsprechend ausgerichteten Blende sowie Abtasten des Präparats im Rasterverfahren – haben tüftelnde Wissenschaftler sowie Hersteller optischer Geräte inzwischen auf vielerlei Art umgesetzt und kombiniert. Nur selten wird noch das Präparat bewegt; meist ist es der Lichtstrahl.

Einige Modelle sind dazu mit drehbaren Spiegeln ausgerüstet, die den Beleuchtungsstrahl zeilenweise sehr schnell über das Präparat lenken. Dadurch läßt sich ein Bild in weniger als einer Sekunde gewinnen. Damit solche Geräte von jedem Zielpunkt praktisch ohne Zeitverzug ein detektierbares Signal erzeugen können, sind freilich erheblich hellere Lichtquellen als bei Minskys Prototyp erforderlich. Meist setzt man Laser ein, deren intensive und kohärente Strahlung sich leicht auf einen feinen Punkt fokussieren läßt.

Einen raschen Bildaufbau erzielt man auch, wenn mehrere Beleuchtungspunkte unterschiedliche Bereiche des Präparats gleichzeitig abtasten. Einige dieser Systeme haben rotierende Scheiben mit zahlreichen Blendenöffnungen für eingestrahltes und zurückfallendes Licht (Bild c im Kasten auf Seite 82). Andere verfügen über schlitzförmige Blenden, durch die ganze Linien gleichzeitig ausgeleuchtet werden. Mit solchen Schnellrasterverfahren lassen sich Präparateschichten in Echtzeit betrachten, oft sogar direkt durch ein Okular.

Die meisten modernen konfokalen Mikroskope profitieren zudem von der digitalen Bildverarbeitung. Während der Rasterung aufeinanderfolgender Ebenen eines Präparats entsteht gleichsam ein Stapel von Schichtbildern – analog der Serie hauchdünner Schnittpräparate, wie sie sonst von einem Objekt angefertigt wird (Bild 2). Computerprogramme zeichnen nicht nur die Helligkeit jedes Punktes in jeder Schicht auf, sondern auch seine genaue Lage auf der durchmusterten Ebene sowie deren Tiefe im Präparat. Die durch die drei Raumkoordinaten bezeichneten Bildelemente eines Objektvolumens nennt man Voxel in Anlehnung an die Pixel (kurz für englisch picture elements) einer zweidimensionalen Abbildung.

Bildverarbeitungsprogramme können mit dem gespeicherten Voxel-Datensatz das untersuchte Objekt räumlich darstellen und die Repräsentation beliebig drehen, so daß sie sich unter jedem Winkel auf dem Monitor betrachten läßt (Bild 1). Und sie können auf diese Weise auch Stereobildpaare erzeugen, die einen echten Tiefeneindruck vermitteln (Bild 3). Solche An- und Einsichten sind mit herkömmlichen Verfahren – wenn überhaupt möglich – oft sehr kostspielig und zeitaufwendig. Beispielsweise hat sich die computergestützte konfokale Mikroskopie bei der Untersuchung der Feinstruktur des Nervensystems als äußerst nützlich erwiesen (Bild 3). Inzwischen beginnt man bereits mit der Beobachtung von lebendem Hirngewebe (Bild 4).

Als besonders wertvoll hat sich das konfokale Prinzip für die Fluoreszenzmikroskopie erwiesen. Dabei werden mit dem eingestrahlten Licht spezielle zur Markierung verwendete Verbindungen zum Leuchten angeregt. Bei dickeren Objekten entsteht ein ziemlich diffuses Bild (linke Mikroaufnahme im Kasten auf Seite 82); die konfokale Mikroskopie beseitigt dieses Problem weitgehend (rechte Mikroaufnahme) und ermöglicht nach dreidimensionaler Repräsentation einen klaren räumlichen Überblick (siehe den folgenden Beitrag). So scheint Minskys Traum, feinste organische Strukturen wie die Verschaltungen im Gehirn direkt durch das Mikroskop erfassen zu können, endlich vor der Erfüllung zu stehen – zumindest in winzigen Ausschnitten.

Literaturhinweise

- Konfokale Fluoreszenzmikroskopie in der Zellbiologie. Von Ernst H. K. Stelzer, Andreas Merdes, Jan De Mey in: Biologie in unserer Zeit, 21. Jg., Nr. 1, 1991, Seiten 21 bis 25.

– Memoir on Inventing the Confocal Scanning Microscope. Von M. Minsky in: Scanning, Band 10, Heft 4, Seiten 128 bis 138, Juli/August 1988.

– High-Resolution Imaging of Synaptic Structure with a Simple Confocal Microscope. Von J.W. Lichtman, W.J. Sunderland und R.S. Wilkinson in: New Biologist, Band 1, Heft 1, Seiten 75 bis 82, Oktober 1989.

– Confocal Microscopy. Herausgegeben von Tony Wilson. Academic Press, 1990.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1994, Seite 78
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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