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Kosmische Maser

Interstellare Gaswolken können intensive kohärente Mikrowellen aussenden. Diese Strahlung liefert Informationen über Größe, Zusammensetzung und Entfernung von Objekten, die ansonsten gar nicht beobachtbar wären.

Im Jahre 1963 registrierte eine Gruppe von Radioastronomen um Alan H. Barrett vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge Signale aus dem Weltraum, die zu empfangen niemand erwartet hätte: Sie stammten von angeregten Molekülen in interstellaren Gaswolken. Viele Astrophysiker glaubten damals, daß sich im Raum zwischen den Sternen keine solchen Materieansammlungen bilden könnten.

Die Entdeckung war aber noch aus einem anderen Grunde sehr merkwürdig. Das erste dabei identifizierte Molekül, das Hydroxyl-Radikal (OH-), sandte nämlich Radiostrahlung aus, deren spektrales Profil den Regeln der statistischen Physik zu widersprechen schien – Emissionslinien, die eigentlich stark ausgeprägt sein sollten, waren schwach, und umgekehrt.

Zwei Jahre später empfing das Team um Harold F. Weaver an der Universität von Kalifornien in Berkeley Radiostrahlung, deren Herkunft sich wegen ihrer ungewöhnlichen Eigenschaften überhaupt nicht erklären ließ, so daß die Astronomen sie zunächst einer hypothetischen Substanz zuschrieben, die sie "Mysterium" nannten. Die empfangenen Mikrowellen waren ungewöhnlich intensiv und im Gegensatz zu Licht und Radiostrahlung anderer kosmischer Quellen nahezu vollständig in gleicher Weise polarisiert; jede Emissionslinie erschien zudem viel schmaler als sonst.

Schon bald darauf erkannte man jedoch, daß die "Mysterium"-Strahlung keineswegs auf ein neues Molekül hinwies, sondern von interstellarem Hydroxyl stammte, das Mikrowellen nach Art eines Masers abstrahlt. Dieser Effekt war bis dahin nur aus dem Labor bekannt gewesen. Charles H. Townes hatte 1953 an der Columbia-Universität in New York den ersten Maser aufgebaut. Der Begriff ist ein Akronym für microwave amplification by stimulated emission of radiation (Verstärkung von Mikrowellen durch stimulierte Emission von Strahlung). Nach dem gleichen Prinzip funktioniert der bekanntere Laser, der Licht verstärkt; er wurde aber erst nach dem Maser entwickelt. Beiden sind die schmale Linienbreite und die Polarisation der emittierten Strahlung gemein. Den Mechanismus der stimulierten Emission hatte Albert Einstein bereits 1917 beschrieben; wegen des technisch anspruchsvollen Aufbaus von Geräten, die diesen Effekt realisieren, dauerte es jedoch fast vier Jahrzehnte, bis erstmals Maserstrahlung erzeugt werden konnte. (Townes erhielt 1964 gemeinsam mit seinen russischen Fachkollegen Nikolaj Bassow und Alexander Prochorow, die wesentlich zur Entwicklung des Lasers beitrugen, den Nobelpreis für Physik.)

Seit den frühen Beobachtungen solcher Strahlung aus dem Milchstraßensystem haben Radioastronomen viele verschiedene interstellare Moleküle wie etwa Wasserdampf, Siliciummonoxid und Methanol als Quellen ausgemacht. Als Maser können auch große astronomische Objekte – von Kometen in unserem Sonnensystem bis zu fremden Galaxien – fungieren.

Die hohe Auflösung moderner Radioteleskope erlaubt es, aus kohärenten Mikrowellen Informationen über ihren Ursprung zu erhalten, die ansonsten nicht zu gewinnen wären. Weil Maser sich nur unter bestimmten Bedingungen bilden, vermögen Astronomen die Druck- und Temperaturverhältnisse im emittierenden Gas sowie seine Geschwindigkeit genau zu ermitteln. Des weiteren liefern kosmische Maser aufgrund ihrer relativ geringen Ausdehnung und sehr starken Intensität Aufschlüsse über die jeweilige kleinräumige Struktur, die anders nicht beobachtet werden könnte.

Als außerordentlich günstig für die Forschung erweist sich, daß Bedingungen, unter denen Maser-Emission möglich ist, in zirkumstellaren Wolken sowohl in den frühen als auch in den späten Entwicklungsstadien der zugehörigen Sterne auftreten. Damit lassen sich gerade jene Phasen der Sternentwicklung im Detail untersuchen, die noch die größten Rätsel aufgeben.


Verstärkung der Mikrowellenstrahlung

Wie aber können interstellare Gaswolken spontan ein Phänomen hervorrufen, dessen Realisierung Physikern in gut ausgerüsteten Laboratorien erst Jahrzehnte nach der theoretischen Beschreibung gelang?

Voraussetzung für Maser- und Laserstrahlung ist eine Besetzungsinversion, die dann vorliegt, wenn entgegen der normalen Situation mehr Atome oder Moleküle in einem höherenergetischen Zustand sind als in einem niederenergetischen. Einfallende Photonen lösen dann eine Reaktion aus, die ebenfalls die gewöhnlichen Verhältnisse umkehrt: Während Atome oder Moleküle üblicherweise ein Photon geeigneter Wellenlänge absorbieren und dabei von einem niedrigen in ein höheres Energieniveau angeregt werden, senden sie bei einer Besetzungsinversion – wenn also die meisten bereits in einem höheren Energiezustand sind – ein zusätzliches Photon aus. Ist es von geeigneter Wellenlänge, induziert es daraufhin bei einem weiteren Teilchen die Emission eines eben solchen Photons, das wiederum in dem Ensemble aus angeregten Atomen oder Molekülen die Abstrahlung zusätzlicher Lichtquanten auslöst. Auf diese Weise wird einfallendes Licht kaskadenartig verstärkt und nicht – wie sonst – absorbiert.

In den technischen Masern und Lasern sind normalerweise drei Energieniveaus der Atome oder Moleküle am Erzeugen einer Besetzungsinversion beteiligt: der stabile Grundzustand, der unter gewöhnlichen Bedingungen besetzt ist, ein kurzfristig bestehendes oberes Energieniveau sowie ein mittleres von etwas längerer Dauer, in das der obere Zustand vorzugsweise zerfällt. Durch Energiezufuhr – sogenanntes Pumpen – werden die Atome oder Moleküle zunächst zum Übergang in den oberen Energiezustand angeregt, von dem aus sie rasch in den mittleren gelangen. Durch fortgesetztes Pumpen befinden sich schließlich mehr Atome oder Moleküle auf diesem mittleren Energieniveau als im Grundzustand – eine Besetzungsinversion liegt vor. Von dem mittleren in den Grundzustand können sie durch Emission eines Photons gelangen, aber ohne Stimulation durch ein einfallendes Photon geeigneter Wellenlänge geschieht dies nur selten.

Besetzungsinversion kann auch stattfinden, wenn vier oder mehr Energieniveaus involviert sind. An fast allen interstellaren Masern sind solche komplexen Konfigurationen beteiligt.

Unter irdischen Bedingungen lassen sich Inversionen nur schwer erzeugen, weil es kaum mittlere Energiezustände von ausreichend langer Dauer gibt. In einem Gas bei Raumtemperatur und unter Normaldruck stoßen die einzelnen Partikel nämlich so häufig zusammen, daß sich eine Boltzmann-Verteilung – benannt nach dem Begründer der statistischen Mechanik, Ludwig Eduard Boltzmann (1844 bis 1906) – unter den Energieniveaus einstellt: Die Besetzung der Zustände nimmt zu größeren Energien hin exponentiell ab. Kollidieren zwei Atome oder Moleküle unterschiedlicher Anregungsenergie, gibt das stärker angeregte Partikel Energie an seinen Stoßpartner ab, so daß eine eventuell vorhandene Inversion rasch abgebaut wird.

Jede Abweichung von einer solchen Gleichgewichtsverteilung – also auch eine Besetzungsinversion – ist nur möglich, wenn die Teilchendichte einen bestimmten kritischen Wert unterschreitet. Gewöhnliche Luft unter Normaldruck beispielsweise enthält pro Kubikzentimeter 2 × 1019 Moleküle, wohingegen ein interstellarer Hydroxyl-Maser nur dann Strahlung aussenden kann, wenn nicht mehr als etwa 100000 Teilchen pro Kubikzentimeter vorhanden sind, die Dichte also nur ein Hundertbillionstel der von Luft beträgt. Dieser Wert ist zwar dem besten im Labor erzeugbaren Vakuum vergleichbar, stellt aber für den interstellaren Raum eine relativ hohe Dichte dar; sie ist lediglich dort anzutreffen, wo sich die Materie zu Gaswolken zusammenballt.


Kleine Emissionsgebiete

Verglichen mit gewöhnlicher elektromagnetischer Strahlung liefert die maser-verstärkte ein gänzlich anderes Abbild von astronomischen Objekten. Zwei der wichtigsten Eigenschaften kosmischer Maser sind starke Emissionen bei geringer Ausdehnung. Als Maß für die Intensität einer Quelle verwenden die Astronomen die Strahlungstemperatur; diese gibt an, wie heiß ein Objekt im thermischen Gleichgewicht – ein sogenannter Schwarzer Körper – sein müßte, um bei einer bestimmten Wellenlänge die gleiche Strahlungsmenge zu emittieren. So läßt sich der Sonne eine Strahlungstemperatur von ungefähr 5800 Kelvin zuschreiben, während die von einigen Masern 1015 Kelvin übersteigt.

Der Verstärkungseffekt muß demnach erheblich sein. Daraus läßt sich auf die Ausdehnung der Quellen schließen, denn die Verstärkung, die in einem Gebiet mit Besetzungsinversion erreicht wird, steigt rapide mit der Anzahl der Partikel, denen ein Photon auf seinem Weg begegnet. Weil andererseits die Teilchendichte offenbar so gering ist, daß die Besetzungsinversion nicht durch Stöße zwischen den Teilchen abgebaut wird, müssen die interstellaren Maser nach irdischen Maßstäben riesige Gebiete sein: Ihr Durchmesser ist typischerweise größer als 150 Millionen Kilometer, der Radius der Erdbahn um die Sonne.

Wenngleich eine solche Ausdehnung gegenüber einem Labor-Maser als immens erscheinen mag, ist sie doch winzig im Vergleich zu den Abständen zwischen den Sternen oder zur Größe anderer Strukturen, die Astronomen sonst beobachten. Die galaktischen Molekülwolken, in denen sich Sternentstehungsgebiete befinden, erstrecken sich in der Regel über 10 bis 100 Parsec (ein Parsec entspricht 3,26 Lichtjahren oder etwa 30 Billionen Kilometern). Die Zentralgebiete der Wolken sind vielleicht einige wenige Parsec groß und die Sternentstehungsgebiete selbst etwa ein Parsec. Die Maserstrahlung könnte jedoch aus einem Raumbereich stammen, dessen Durchmesser nicht größer ist als eine Billion Kilometer – das entspricht der geringsten Distanz, die sich bei gleicher Entfernung mit anderen astronomischen Instrumenten gerade noch auflösen läßt. Anhäufungen von Masern erstrecken sich vielleicht lediglich über 100 Milliarden Kilometer, während einzelne punktförmig erscheinende Quellen noch tausendfach kleiner sind.

Ein Grund für diese geringe Ausdehnung einzelner Maser in den Gaswolken liegt darin, daß nur ein kleiner Anteil der darin vorhandenen Moleküle an der Emission kohärenter Strahlung zu partizipieren vermag. Weil nämlich die Materie in interstellaren Wolken zum größten Teil heftiger Turbulenz unterliegt, kann sie nicht effektiv mit der an einer bestimmten Stelle ausgesandten Strahlung wechselwirken: Die Wellenlänge des Photons, das von einem sich bewegenden Molekül ausgesandt wird, verschiebt sich; und bereits ein Wert dieses Doppler-Effektes, der einer Relativbewegung von nur etwa 1000 Metern pro Sekunde entspricht, verhindert, daß das Photon andere Moleküle zur Emission anregt. Eine Verstärkung der Strahlung kann unter solchen Umständen nicht stattfinden. Sie tritt nur auf, wenn entlang des Weges, den das Photon zurücklegt, alle Moleküle zufällig vergleichbare Geschwindigkeiten haben.

Die meisten starken kosmischen Maser erscheinen als Ansammlungen vieler heller Punktquellen, ähnlich einem Schwarm von Glühwürmchen. Jede von ihnen strahlt bei einer anderen Frequenz, die einer bestimmten, wohldefinierten Doppler-Verschiebung entspricht und so ihrerseits die Relativgeschwindigkeit der Quelle zur Erde verrät.


Strukturen im Sternenwind

Gleichwohl gibt es einige Gaswolken, die sich mehr oder weniger geordnet bewegen. Das wohl häufigste Beispiel sind die Sternenwinde – jeweils ein Strom geladener Teilchen, der von der Oberfläche eines Roten Riesen ausgeht. Ein solcher Stern hat die Endphase seiner Entwicklung erreicht und verliert Gas, wenn er sich auf mehr als das Tausendfache des Sonnendurchmessers aufbläht. (Die Sonne selbst wird in vielleicht vier Milliarden Jahren ebenfalls zu einem Roten Riesen werden.)

Sternenwinde enthalten gleichfalls viele Moleküle, die Maserstrahlung emittieren. Jede Molekülart liegt in unterschiedlichen Energieniveaus vor und wird mithin in einem Gebiet des Sternenwindes zur Maser-Emission angeregt, in dem sich die jeweilige Besetzungsinversion einstellen kann. Die Strahlung von Hydroxyl-Molekülen beispielsweise entstammt einem schalenförmigen Bereich, der etwa 150 Milliarden Kilometer von dem Stern entfernt ist – dies entspricht der 25fachen Entfernung von Pluto zur Sonne; Wasserdampf-Maser hingegen können sich bereits in einem Abstand von 15 Milliarden Kilometern vom Stern ausbilden, und Siliciummonoxid-Maser sogar direkt oberhalb der Sternatmosphäre. Indem man die jeweiligen Wellenlängen registriert, vermag man die Winde Roter Riesen erheblich genauer zu studieren als den Aufbau anderer ferner Objekte im Milchstraßensystem.

Trägt man für einen Hydroxyl-Maser in der Umgebung eines Roten Riesen die beobachtete Intensität gegen die Frequenz auf, läßt das Spektrum zwei deutlich getrennte Maxima erkennen: Das eine ist infolge des Doppler-Effekts von der ursprünglichen Maser-Frequenz zu einer niedrigeren, das andere zu einer höheren verschoben (in Anlehnung an die Doppler-Verschiebung im optischen Spektrum spricht man von Rot- beziehungsweise Blauverschiebung). Der Frequenzabstand zwischen den Maxima entspricht einer Geschwindigkeitsdifferenz von etwa 16 Kilometern pro Sekunde. Die blauverschobene Emissionslinie stammt von Gas, das sich auf die Erde zu bewegt, während das Gas, das die rotverschobene verursacht, sich von ihr entfernt. Diese Signalstruktur ist so charakteristisch, daß sich mit ihr Rote Riesen auch in solchen Bereichen des Milchstraßensystems nachweisen lassen, die mit optischen Teleskopen nicht zu erfassen sind, weil interstellarer Staub den Blick dorthin versperrt.

Die Verdopplung der Maser-Linie folgt zwangsläufig aus der Radialbewegung des Sternenwinds. Hydroxyl-Moleküle in verschiedenen Sektoren der Gashülle bewegen sich in unterschiedliche Richtungen und haben deshalb große Relativgeschwindigkeiten; dies wiederum verhindert eine Wechselwirkung über die Strahlung. Andererseits bewegen sich die Moleküle auf einer gegebenen Radiallinie der expandierenden Sphäre mit ähnlicher Geschwindigkeit in dieselbe Richtung, so daß ihre Relativgeschwindigkeit nahezu null ist. Infolgedessen werden von einem Molekül emittierte Photonen nur mit solchen Molekülen wechselwirken, die sich auf demselben Radius bewegen; eine Maser-Verstärkung ist lediglich für solche Strahlung möglich, die sich radial vom Zentrum der Hülle weg oder auf es zu bewegt (Bild 2).

Das Abstrahlmuster eines Hydroxyl-Masers ähnelt damit einem eingerollten Igel, weil sich die Strahlen radial von der Gasschale ausbreiten. Ein Beobachter kann jedoch von seinem Standort aus nur die Strahlung wahrnehmen, die aus seiner Sichtlinie zum Zentralstern stammt. Die von der ihm zugewandten Seite der Sternhülle emittierte erscheint dabei blau-, diejenige aus der abgewandten Seite rotverschoben. Die beiden erkennbaren Abstrahlgebiete stellen somit kleine Ausschnitte aus einer Kugeloberfläche dar (Bild 3).

Eine Forschergruppe um Roy S. Booth vom Radioobservatorium Jodrell Bank in England hat diese Erklärung auf elegante Weise direkt bestätigt. Im Spektrum des Sterns OH127.8 beobachteten die Wissenschaftler nicht nur die beiden Emissionsmaxima der Maserstrahlung, sondern auch den schwächeren, weniger Doppler-verschobenen Anteil zwischen ihnen. Ihre Kartierungen zeigen deutlich, daß die Strahlung beider Intensitätsmaxima aus einem kompakten, wohldefinierten Ausschnitt einer kugelförmigen Zone in Beobachtungsrichtung stammt; der schwächere Strahlungsanteil kommt aus einem größeren, kreisförmigen Bereich, wie es für eine sich ausdehnende Hülle zu erwarten ist. Das zerrissene und klumpige Aussehen der Hülle ist darauf zurückzuführen, daß das Maser-Gebiet keine vollkommene sphärische Geometrie aufweist; derartige Ungleichmäßigkeiten sind in der turbulenten Strömung eines Sternenwinds durchaus zu erwarten.


Maser als Entfernungsindikatoren

Die Bestimmung von Distanzen gehört zu den schwierigsten Aufgaben in der Astronomie – entsprechend unsicher ist die kosmische Entfernungsskala. Man vermag zwar die Winkeldurchmesser von Himmelsobjekten äußerst genau zu messen, doch nur selten gelingt es, auch ihre lineare Ausdehnung zu ermitteln. Erst mit beiden Angaben läßt sich die Entfernung des Objekts direkt bestimmen, indem man nämlich einfach lineare Ausdehnung und Winkeldurchmesser dividiert.

Die Hydroxyl-Maser in den Hüllen Roter Riesen bieten eine der seltenen Gelegenheiten dazu. Viele Vertreter dieses Sterntyps weisen regelmäßige Helligkeitsschwankungen auf, mit typischen Perioden von etwa einem Jahr. Weil die Strahlung des Sterns die Pumpenergie für die Besetzungsinversion der Hydroxyl-Moleküle liefert, sollte die Intensität des Masers ebenfalls in diesem Rhythmus schwanken. Die rot- und blauverschobenen Linien variieren dabei in gleicher Weise – die rotverschobenen jedoch um mehrere Wochen verzögert, weil das Signal diese Zeit braucht, um von der hinteren Seite der Gashülle zur vorderen zu gelangen. Damit liegt ein Maß für den Durchmesser der Hülle vor, aus dem sich zusammen mit ihrem Winkeldurchmesser die Entfernung des Sterns bestimmen läßt.

Jaap Herman und Harm J. Habing von der Sternwarte Leiden (Niederlande) haben auf diese Weise die Entfernung mehrerer Roter Riesen im Milchstraßensystem ermittelt. Sie halten es für möglich, daß man mit dieser Methode sogar die Distanz zu anderen Galaxien zu bestimmen vermag.

Radioteleskope eignen sich wegen ihres höheren Auflösungsvermögens besser für solche Messungen als optische. Die Auflösung von Fernrohren am Erdboden ist durch die Luftunruhe der Atmosphäre auf etwa eine Bogensekunde begrenzt. Ab einem bestimmten Objektivdurchmesser nimmt darum lediglich die gesammelte Lichtmenge zu, ohne daß feinere Details erkennbar würden.

Weil diese Einschränkung Radioteleskope nicht betrifft, sind Verfahren entwickelt worden, die von weit entfernten Antennen empfangenen Signale zu kombinieren. Mit dieser sogenannten Interferometrie mit sehr großen Basislängen (very long baseline interferometry, VLBI) vermag man – entsprechend den Ausmaßen unseres Planeten – effektive Teleskop-Öffnungen von mehr als 12000 Kilometern zu erzeugen.

Forscht man damit nach Emissionslinien im Radiospektrum, haben allerdings nur Maser genügende Intensität und zugleich die für die Korrelation der in verschiedenen Empfängern registrierten Signale erforderliche schmale Linienbreite. Durch den Umstand, daß es kosmische Quellen solcher Strahlung überhaupt gibt, konnte aber die VLBI das Auflösungsvermögen astronomischer Instrumente zu neuen Rekorden treiben: In den Maser-Quellen sind noch Details von 300 Mikrobogensekunden zu erkennen. (Verfügte das menschliche Auge über die gleiche Fähigkeit, könnten Sie diese Zeilen aus einem Abstand von 4000 Kilometern lesen.) Benachbarte Maser-Quellen vermag man sogar zu unterscheiden, wenn sie einen Winkelabstand von nur zehn Mikrobogensekunden haben; mit diesem Auflösungsvermögen ließen sich Radiosender auf Erde und Mond noch aus einer Entfernung von 1000 Lichtjahren als getrennte Strahlungsquellen erkennen.

Diese außergewöhnliche Präzision erlaubt nicht nur, die Entfernung Roter Riesen, sondern auch die anderer Maser zu bestimmen. Junge Sterne, die sich gerade im Innern von Staubwolken bilden, mögen von der Erde aus im sichtbaren Licht nicht erkennbar sein, aber die von ihnen angeregte Mikrowellenstrahlung sollte sich deutlich in den Radiobeobachtungen abzeichnen. Allerdings ist die Entfernungsbestimmung dadurch erschwert, daß die Maser im allgemeinen wohl nicht symmetrisch innerhalb einer sich ausdehnenden sphärischen Hülle angeordnet sind. Für ein einzelnes Objekt ist es unmöglich, die Beziehung zwischen den Geschwindigkeitskomponenten in Richtung der und quer zur Sichtlinie zu ermitteln. Dazu müßten die Astronomen zusammengehörige Maserquellen untersuchen; daraus könnten sie dann Gleichungen aufstellen, welche die Geschwindigkeiten aller Mitglieder dieses Haufens in Beziehung setzen. Sind diese relativen Bewegungen bekannt, läßt sich aus den Winkelgeschwindigkeiten und den Doppler-Verschiebungen der wahrscheinlichste Wert für die Entfernung des Haufens ermitteln (Bild 5).

Mit der hochauflösenden VLB-Interferometrie vermag man die scheinbaren – transversalen – Bewegungen von Masern am Himmel schon nach Monaten anstatt, wie bei optischen Quellen, erst nach Jahrzehnten zu erkennen. Eine Gruppe am Harvard-Smithsonian-Zentrum für Astrophysik in Cambridge (Massachusetts) um James M. Moran und Mark Reid hat bei der Bewegungsbestimmung von Wasserdampf-Masern Pionierarbeit geleistet. Die Messung dieser Winkelgeschwindigkeiten ist ein so ungewöhnlicher Erfolg, daß er nur wieder durch einen Vergleich vorstellbar zu machen ist: Ähnliche Präzision erreichte jemand, der von der Erde aus das Wachstum der Fußnägel eines Astronauten auf dem Mond oder die Fortbewegung von Schlangen auf dem Jupiter registrieren könnte.

Carl R. Gwinn von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara hat kürzlich eine Karte der hellsten Maser-Region in unserem Milchstraßensystem, des Sternentstehungsgebiets W49(N), erstellt. Darin ist nicht nur die momentane Position jedes Wasserdampf-Masers enthalten, sondern auch dessen Radialgeschwindigkeit und seine wahrscheinlichste künftige Position. Die Verteilung der Geschwindigkeitsvektoren läßt erkennen, daß der Maser-Haufen von einem gemeinsamen Zentrum aus expandiert; den räumlichen Aufbau des Geschwindigkeitsfeldes kann man entsprechend modellieren. Gwinn schätzt die Entfernung des Haufens von der Erde auf 10,5 Kiloparsec, mit einer Unsicherheit von 1,3 Kiloparsec.

Gwinns Team hat dasselbe Verfahren auf Wasserdampf-Maser in dem Sternentstehungsgebiet Sagittarius B2(N) angewandt, das sich nahe dem Zentrum des Milchstraßensystems befindet. Die Maser-Punkte verteilen sich auf ein Gebiet von 0,3 Lichtjahren Durchmesser, das acht Kiloparsec (25000 Lichtjahre) entfernt ist. Dieser Wert ist die einzige direkte Bestimmung der Entfernung zum Zentrum unserer Galaxis und wurde von der Internationalen Astronomischen Union als offiziell anerkannt.

Im Jahre 1993 legten Mitglieder der Harvard-Smithsonian-Gruppe die ersten Messungen der Bewegung von Wasserdampf-Masern in einer anderen Galaxie, M33, vor (Bild 1). Schon bald wollen sie daraus die Entfernung dieses Sternsystems berechnen, was die Genauigkeit der kosmischen Entfernungsskala erheblich steigern dürfte. Kürzlich haben sie sogar in der noch weiter entfernten Galaxie M106 Maser-Quellen kartiert; aus deren Bewegung um ihr gemeinsames Zentrum ließ sich für die Entfernung des Sternsystems ein vorläufiger Wert von etwa 5,4 Megaparsec (17,6 Millionen Lichtjahre) ableiten.

Weil Astronomen im Gegensatz zu anderen Wissenschaftlern ihre Forschungsobjekte niemals direkt einem Experiment unterziehen können, ist die einzige Möglichkeit, Aufschlüsse über Himmelskörper außerhalb des Sonnensystems zu bekommen, die Analyse der von ihnen emittierten oder beeinflußten Strahlung. Kosmische Maser, sofern sie entdeckt werden, liefern einzigartige Informationen über interstellare Strukturen und erlauben die Beobachtung von Vorgängen in vergleichsweise extrem kleinen Räumen, die auf andere Weise nicht erkennbar wären.

Die fortschreitende Verbesserung interferometrischer Verfahren ermöglicht, immer feinere Details zu erkennen. Kürzlich haben amerikanische Radioastronomen das aus zehn identischen Teleskopen bestehende Very Long Baseline Array eingeweiht, das sich von Hawaii quer über den nordamerikanischen Kontinent bis zu den Jungferninseln erstreckt (Bild 4). Durch Zusammenschalten läßt sich das Array wie ein einzelnes Radioteleskop mit unübertroffener Auflösung betreiben. Japanische und russische Radioastronomen planen den Bau noch größerer VLBI-Netzwerke, wobei eine Empfangsantenne sogar in eine Erdumlaufbahn gebracht werden soll. Derartige Vorhaben werden das Auflösungsvermögen dieser gleichsam als interstellare Mikroskope wirkenden Instrumente weiterhin erhöhen und durch neue Einsichten in die inneren Vorgänge von interstellaren Wolken, sich entwickelnden Sternen und fernen Galaxien unser Weltbild bereichern.

Literaturhinweise

- Compact Maser Sources. Von R. J. Cohen in: Reports on Progress in Physics, Band 52, Heft 7, Seiten 881 bis 943, Juli 1989.

– Astronomical Masers. Von M. J. Reid und J. M. Moran in: Galactic and Extragalactic Radio Astronomy. Herausgegeben von G. L. Verschuur und K. I. Kellerman. Springer, 1991.

– Astronomical Masers. Von M. Elitzur. Kluwer Academic Publishers, 1992.

– Astrophysical Masers. Herausgegeben von A. W. Clegg und G. E. Nedoluha. Springer, 1993.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1995, Seite 36
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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