Kosmische Welten.
Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1998. 253 Seiten, DM 50,–.
Thomas Bührke, promovierter Astronom und Redakteur bei „Physik in unserer Zeit“, lädt ein zu einer Reise zu den Grenzen des Universums und gibt dem Leser mit diesem Buch einen kompetenten Reiseführer in die Hand.
Vor dem Abflug werden zunächst einmal die kosmischen Dimensionen anhand der Geschwindigkeit des Lichts verdeutlicht. Eine Reise in die Tiefen des Weltraums ist immer auch eine Reise in die Vergangenheit des Universums, und indem der Leser immer tiefer ins Weltall vordringt, nähert er sich den Anfängen.
Ort der Abreise ist jene einzigartige Welt, auf der wir leben. Welchen Umständen verdanken wir unsere Existenz? Warum müssen wir keine Invasion vom Mars befürchten, und welche Rolle spielt unser Mond bei der Entstehung des Lebens auf der Erde? Der Reiseführer befaßt sich mit den Rahmenbedingungen, die ein Planet erfüllen muß, um Leben zu ermöglichen.
Bedrohen außerirdische Einflüsse unsere Existenz? Während wir den Planetoidengürtel durchqueren, gibt der Reiseführer Antwort, informiert über die „Erdbahnkreuzer“ und die Auswirkungen von Asteroiden- oder Kometeneinschlägen auf das Leben auf der Erde. Aufnahmen des Kometen Hale-Bopp vermitteln einen Eindruck von der Schönheit dieser Himmelskörper.
Mit spektroskopischen Methoden wurden organische Moleküle in fernen Gasnebeln und Kometen nachgewiesen; brachten also die Kometen die Lebenskeime zur Erde? Der Autor bezweifelt es. Immerhin bilden sich komplexe organische Moleküle auch unter Laborbedingungen in Wasser – und davon hatte die junge Erde genug.
Hervorragende Bilder der Raumsonden, darunter neueste Aufnahmen der Sonde Galileo vom Jupiter und seinen Trabanten oder von der Pathfinder-Mission zum Mars, bringen uns die Welt der Planeten und ihrer zum Teil zahlreichen Monde näher. Dazu liefert Bührke Wissenswertes zur Analyse des Marsgesteins durch das Bodenfahrzeug Sojourner und Rückblicke auf H. G. Wells’ spektakuläres Hörspiel „Krieg der Welten“, das beinahe eine Massenpanik ausgelöst hätte, sowie auf die erste Mondlandung.
In unterhaltsamer Form lernt der Leser die wichtigsten Fakten zu jedem der neun Planeten kennen, erfährt etwas über den Großen Roten Fleck auf Jupiter und lernt im weiteren Verlauf der Reise, daß derartige Wirbelstürme auch auf den anderen großen Gasplaneten zu finden sind. Besonders beeindruckend ist das filigrane Ringsystem des Saturn; immer wieder informieren kurze Exkurse über Spezialthemen wie die Speichenstrukturen in den Saturnringen, die „Schäferhundmonde“, die das Ringsystem stabilisieren, Molekülwolken, Sonnenfinsternisse oder „eingefrorene Magnetfelder“. Ein – kleiner – Schönheitsfehler ist es, daß durch diese Exkurse der laufende Text zuweilen mitten im Satz unterbrochen wird und erst zwei Seiten später weitergeht.
Wie entstanden die Sterne, wie lange leben sie, und wie werden sie sterben? Diese Fragen werden bei der Reise durch die Welt der Staub- und Gasnebel sowie der vielen unterschiedlich alten Sterne beantwortet. Auch die kosmische Materie unterliegt einem Kreislauf, sie verdichtet sich durch ihre eigene Massenanziehung und zündet bei ausreichender Verdichtung das Feuer der stellaren Kernfusion. Die großartigen Bilder des Hubble Space Telescope (HST) zeugen von der Schönheit solcher „kosmischen Kinderstuben“.
Die Brenndauer und auch die Todesart eines Sternes hängt von seiner Masse ab. Leichte Sterne erlöschen ganz unspektakulär, schwerere dagegen blasen ihre äußeren Gashüllen ins Weltall und bilden expandierende Nebelwolken unterschiedlichster Formen. Auch hier vermittelt wieder umfangreiches Bildmaterial die Ästhetik dieser Objekte. Immer wieder betrachtet der Autor die Wechselwirkung zwischen Mensch und Kosmos, so zum Beispiel die Bedeutung der Sterne für die Entstehung des irdischen Lebens: Der dafür unentbehrliche Kohlenstoff konnte nur durch stellare Kernreaktionen gebildet werden.
Sehr massereiche Sterne explodieren spektakulär als Supernovae, wodurch schwere Elemente mit Ordnungszahlen jenseits des Eisens gebildet werden. Die Überreste dieser Sterne können weiter in sich zusammenbrechen zu Neutronensternen und Schwarzen Löchern. Die aktuellen Theorien zu diesen exotischen Objekten werden kurz und verständlich zusammengefaßt, eine schöne Überleitung zur Welt der Galaxien, in deren Zentralbereichen Schwarze Löcher vermutet werden. Wo Galaxien kollidieren, entstehen Sterne, und nicht jede ist so friedlich wie unser Milchstraßensystem: Computergenerierte Bilder von Radiobeobachtungen aktiver Galaxien lassen gewaltige Materiejets erkennen.
Mit der Entdeckungsgeschichte der Quasare nähert sich der Leser dem Ende der Reise – und dem Anfang des Universums, dem Urknall. Der Autor berichtet über die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung sowie deren Untersuchung durch den Satelliten COBE und wirft einen kurzen Blick auf die Elementarteilchen, die ebenso mit dem Urknall entstanden wie die Naturgesetze. Und es sind sehr spezielle Naturgesetze: Schon geringste Abweichungen in den Fundamentalkonstanten des Universums hätten die Entstehung des Lebens unmöglich gemacht. Philosophische Fragen nach Zufall oder göttlicher Fügung beschließen dieses sehr empfehlenswerte Buch.
Die große Informationsdichte wirkt an keiner Stelle belastend, weckt im Gegenteil sogar Interesse, sich mit einzelnen Himmelskörpern intensiver zu beschäftigen. Auch astronomisch fortgeschrittene Leser werden die unterhaltsam und flüssig vermittelte Fülle aktuellen Wissens und das großartige Bildmaterial zu schätzen wissen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1999, Seite 107
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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