Astronomie: Kosmischer Staub
Die Abfallprodukte von Sternexplosionen, winzige Staubkörner im interstellaren Raum, haben die Geschichte unserer Galaxis entscheidend beeinflusst.
Blickt man in einer klaren Nacht zum Sternenhimmel, so zeigen sich in dem von Milliarden von Sternen schwach schimmernden Band der Milchstraße einige dunkle Flecken. Sir William Herschel, aus Deutschland stammender, in England tätiger Astronom im 18. Jahrhundert, sah in diesen Flecken regelrechte Löcher im Himmel, leere Räume ohne Sterne.
Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten Astronomen, dass diese dunklen Flecken in Wirklichkeit riesige Staubwolken sind, die das Licht der dahinterliegenden Sterne verschlucken. Die einzelnen Partikel dieser Wolken sind dabei winzig klein: über hundertmal kleiner als der Staub, den man etwa beim Hausputz aufwischt. Und doch haben solche winzigen Staubkörnchen die Entwicklung unserer Galaxis und die Entstehung von Sternen im gesamten Universum entscheidend beeinflusst.
Noch bis in die fünfziger Jahre war der kosmische Staub für viele Astronomen ein Ärgernis, da er sie vor allem an der Beobachtung entfernterer Sterne hinderte. Seitdem beschäftigen sich Wissenschaftler jedoch verstärkt mit den interstellaren Staubkörnern, messen deren Verteilung und bestimmen ihre chemische Zusammensetzung mit Teleskopen auf der Erde und im Weltraum. Die Fülle neuer Beobachtungen und Erkenntnisse ermöglichte es, plausible Hypothesen zu entwickeln, wie diese Staubteilchen entstanden sein könnten. Aigen Li, ein früherer Student von mir und derzeit Postdoc an der Universität Princeton, hat zusammen mit mir eine Theorie entwickelt, die wir das "Vereinheitlichte Staubmodell" nannten. Auch wenn andere Forscher alternative Thesen unterstützt haben, glauben wir, dass unser Modell die neuen Beobachtungen am besten beschreibt.
Kosmische Teilchen so groß wie Partikel im Zigarettenrauch
Im Sternengewirr unseres Milchstraßensystems sind die Staubwolken in der galaktischen Ebene konzentriert, besonders an den Innenseiten der Spiralarme. Diese erscheinen ziemlich fleckig, weil dort viele dichte Sternhaufen in Staubwolken eingebettet sind. Diese Wolken dämpfen das Sternenlicht stärker im Blauen und Ultravioletten als im Roten und Infraroten. Deswegen erscheinen sie bei Beobachtungen durch Staubwolken hindurch immer rötlicher als in Wirklichkeit. Aus dem gleichen Grund wirkt unsere Sonne in Horizontnähe beim Auf- oder Untergang rötlich, da ihr Licht vom Staub und Gas in der Erdatmosphäre gestreut wird.
Die größten der interstellaren Staubpartikel haben etwa die Größe der Teilchen im Zigarettenrauch. Die so genannte Extinktionskurve des interstellaren Staubes, also die Dämpfung des Lichts in Abhängigkeit von der Wellenlänge, weist auf drei Arten von Staubkörnern hin. Die Teilchen, die das Licht im sichtbaren Bereich des Spektrums abschirmen, sind länglich mit etwa 0,2 Mikrometer Durchmesser (0,2 Millionstel eines Meters) und etwa der doppelten Länge. Sie bilden etwa 80 Prozent der Gesamtmasse des interstellaren Staubes.
Jedes Staubkorn enthält einen winzigen festen Kern, ummantelt von Eis und organischem Material. Ein "Buckel" im ultravioletten Teil der Extinktionskurve weist auf das Vorhandensein wesentlich kleinerer Partikel (mit Durchmessern von 0,005 Mikrometer); aus ihnen bestehen etwa 10 Prozent der gesamten Staubmasse. Diese Körnchen sind wahrscheinlich amorphe kohlenstoffhaltige Festkörper, vermutlich angereichert mit etwas Wasserstoff, aber wenig oder keinem Stickstoff und Sauerstoff. Das hochenergetische UV-Licht schließlich wird insbesondere von den kleinsten aller kosmischen Staubteilchen absorbiert – sie sind nur etwa 0,002 Mikrometer groß. Diese winzigen Körnchen – sie bilden die restlichen 10 Prozent der kosmischen Staubmaterie – halten die Forscher für große Moleküle, vergleichbar mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAHs für polycyclic aromatic hydrocarbons) in Autoabgasen.
Weil diese Staubkörnchen zumeist in großer Entfernung zu den Sternen durchs All treiben, können sie typischerweise bis auf –268 Grad Celsius abgekühlt sein, 5 Grad über dem absoluten Nullpunkt. In den vierziger Jahren hatte der brillante holländische Astronom Henk van de Hulst die Theorie aufgestellt, dass einige der Atome wie Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff und Stickstoff – von denen man weiß, dass sie im interstellaren Raum vorkommen – an der kalten Oberfläche der Staubkörner anhaften. So legen sich diese einen Mantel aus gefrorenem Wasser, Methan und Ammoniak zu. Ich habe diese Theorie später "Schmutziges Eis"-Modell getauft.
Erst Anfang der siebziger Jahre stießen Astronomen auf klare Beweise für diese Theorie. Bei der Analyse von Infrarotspektren von Sternenlicht, das durch interstellare Staubwolken hindurchging, entdeckten sie Absorptionslinien von Silikaten – Verbindungen aus Silicium, Magnesium und Eisen. Silikate bilden den festen Kern der kosmischen Staubteilchen. Etwa zur gleichen Zeit beobachteten Wissenschaftler im Infrarotlicht die Absorptionslinien von gefrorenem Wasser. Spätere Beobachtungen zeigten auch die Präsenz von Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Formaldehyd und vielen anderen Verbindungen. Im Fachjargon heißen diese Substanzen "volatil" (flüchtig) – sie gefrieren beim Kontakt mit den kalten Staubkörnern, verdampfen aber wieder, sobald sich der Staub erwärmt. Im Gegensatz dazu werden die Substanzen im Innern als "refraktär" bezeichnet – sie bleiben auch bei höheren Temperaturen im festen Zustand.
Rund ein Promille trägt der interstellare Staub zur Gesamtmasse unserer Galaxis bei – vermutlich mehr als das Hundertfache der Masse aller Planeten des Milchstraßensystems zusammen. Die Partikel sind im Weltraum äußerst dünn verteilt: In einem Würfel von hundert Metern Kantenlänge befindet sich im Mittel gerade ein Körnchen. Da das Sternenlicht aber Tausende von Lichtjahren durch Staub zurücklegt, kann sogar diese hochverdünnte Verteilung die Strahlung noch deutlich dämpfen. Also stellt sich die Frage: Wodurch wurde die Galaxis so staubig?
Am Anfang war der Kosmos staubfrei
In der Anfangszeit unseres Universums, vor vielleicht 15 Milliarden Jahren, gab es nach gängiger Theorie noch keinen Staub. Wie alle jungen Galaxien bestand auch das Milchstraßensystem damals nur aus Wasserstoff, Helium und einer geringfügigen Menge anderer leichter Elemente, die beim Urknall entstanden waren. Damals konnten nur besonders schwere (massereiche) Wolken aus Wasserstoff und Helium kontrahieren und so die Sterne bilden. Deshalb wurde unsere Galaxie von gigantischen Sternen des so genannten O- und B-Typs dominiert, die bereits nach einer kurzen Lebensspanne von einigen Millionen Jahren als "Supernovae" explodierten. Diese Supernovae produzierten den ersten Staub des Universums. Astronomen sehen die Anzeichen davon in frühen Galaxien, die sie mit Infrarot-Teleskopen im Submillimeterbereich beobachten. Aber dieser Staub hatte im interstellaren Medium nicht lange Bestand – Stoßwellen nachfolgender Supernovae zerstörten die Staubteilchen kurz nachdem sie entstanden sind.
Nach fünf Milliarden Jahren flaute jedoch der Sturm dieser Supernovae ab. Stattdessen traten nun auch weniger massereiche Sterne in ihre Altersphase, das so genannte Rote-Riesen-Stadium, ein: Sie blähten sich auf, kühlten dabei ab und strahlten fortan vor allem im rötlichen Licht. Als diese Sterne sich weiter ausdehnten und abkühlten, bildeten sich in ihren Atmosphären Silikatteilchen, die in den interstellaren Raum hinausgeblasen wurden.
Einige dieser Partikel drangen in Gaswolken ein, die sich zwischen den Sternen befinden. Bei den tiefen Temperaturen in diesen Wolken fror jedes Atom oder Molekül, mit dem diese Staubteilchen kollidierten, auf deren Oberfläche fest – ähnlich wie Wasserdampf auf kalten Glasscheiben kondensiert. Auf diese Weise wuchs auf jedem der Silikatkerne zunächst ein innerer Mantel, der aus komplexem organischen Material besteht, darum gehüllt ein äußerer Eismantel bestehend aus simpleren gefrorenen Gasmolekülen.
Bei diesem Prozess nahm die Dichte der Staubkörner in den Molekülwolken beständig zu: auf zehntausendmal mehr Partikel pro Volumeneinheit als außerhalb der Wolken. Damit hatte der Staub die Dichte, um nahezu alle Strahlung am Eindringen in die Wolke zu hindern, was die Temperatur innerhalb des Gases weiter senkte. Mit der Abkühlung reduzierte sich der Gasdruck im Wolkeninneren, sodass nun die Gravitation geringerer Massen die Oberhand gewann. Somit konnten sich jetzt auch kleinere Gaswolken unter ihrer Schwerkraft zusammenziehen und kleinere, sonnenähnliche Sterne hervorbringen. Indem er die Bildung kleinerer Sterne erleichterte, veränderte der kosmische Staub also drastisch das Profil unserer Milchstraße.
Ein weiterer Faktor: Der interstellare Staub wird in einem ständigen Kreislauf umgewälzt – also laufend erzeugt und wieder vernichtet. Wenn aus dichten Gas- und Staubwolken junge, heiße Sterne entstehen, verdampfen die Staubkörner in der Umgebung dieser Zone. Silicium und andere Elemente dieser Staubkörner werden dann entweder von den jungen Sternen aufgesogen oder werden Bestandteil von ihren Planeten und Asteroiden.
Überwiegend wird der Staub jedoch weggeblasen und gelangt dabei in dünne Wolken – Regionen im Weltraum mit deutlich geringerer Teilchendichte. In dieser raueren Umgebung werden die Staubteilchen weiter vernichtet. Ihre Eismäntel werden durch ultraviolette Strahlung, Zusammenstöße der Teilchen untereinander und Stoßwellen der Supernovae abgetragen und teilweise sogar zerstört. Übrig bleiben dann Rudimente: Silikatkerne, umhüllt nur noch von ihrem inneren Eismantel aus organischen Molekülen.
Das Vorhandensein dieses organischen Mantels hatte ich schon vor drei Jahrzehnten postuliert. Damals war mir aufgefallen, dass die Silikate allein nicht ausreichen, um die Dämpfung des Sternenlichts zu erklären, wenn es die Staubwolken durchdringt. Ich vermutete daher, dass im Eismantel des einzelnen Staubkorns eine Schicht kohlenstoffreichen Materials durch chemische Reaktionen entsteht, die bereits einsetzen, solange sich das Staubkorn noch in den dichten Molekülwolken befindet.
Wie entsteht dieser Eismantel aus organischen Molekülen? Nach meiner Hypothese zersetzen zuerst energiereiche UV-Strahlen die Wasser-, Methan- und Ammoniakmoleküle auf der Stauboberfläche zu freien Radikalen, aus denen sich dann organische Moleküle wie Formaldehyd bilden. Unter der fortgesetzten UV-Bestrahlung entstehen komplexere Verbindungen, die wir "organische Verbindungen der ersten Generation" nennen. Diese bleiben auf dem Silikatkern haften, auch wenn das Staubkorn die Molekülwolke verlässt und der äußere Eismantel zerstört wird. Tatsächlich schützt der organische Mantel den Silikatkern vor den Stoßwellen der Supernova und konserviert so das Staubkorn, bis es vielleicht wieder in den Schutz einer anderen dichten Gaswolke gelangt.
Um meine Theorie zu testen, startete ich im Labor mit Experimenten, in denen die Entstehung eines Eismantels auf Staubteilchen simuliert wurde. 1970 begannen wir diese Versuche an der Staats-Universität von New York in Albany, und setzten sie 1975 an der Universität von Leiden in den Niederlanden fort. Unsere Forschungsgruppe bestrahlte unterschiedlichste Mixturen von Eis mit ultravioletter Strahlung bei Temperaturen von –263 Grad Celsius, und erwärmte sie dann. Wir erhielten jeweils eine gelbliche Substanz, die wir "gelbes Zeug" tauften: eine Mischung aus Glycerol, Glyceramid, einigen Aminosäuren wie Glycin, Serin oder Alanin sowie einer Reihe anderer Moleküle.
Mit dem Space Shuttle klopfte das Glück an die Labortür
Etwa zur gleichen Zeit entdeckten Astronomen Anzeichen komplexer organischer Verbindungen im Staub diffuser Wolken. Unsere Laborergebnisse konnten die beobachteten Absorptionslinien im infraroten Spektrum zwar nicht exakt reproduzieren, aber eigentlich hätte uns diese Differenz nicht überraschen sollen. In diffusen Wolken sind Staubkörner ultravioletter Strahlung ausgesetzt, die zehntausendfach intensiver ist als in den dichteren Molekülwolken. Das UV-Licht verwandelt die Substanzen des inneren Mantels in "organische Verbindungen der zweiten Generation". Diese zusätzlichen Prozesse durch ultraviolette Strahlung erhöhter Intensität waren im Labor nur sehr schwer zu reproduzieren.
Doch dann klopfte das Glück an unsere Labortür. Gegen Ende der achtziger Jahre lud uns Gerda Horneck vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein, ein Satellitenexperiment namens Exobiology Radiation Assembly mitzubenutzen. Diese Plattform war dafür gebaut, biologische Proben lange Zeit einer UV-Strahlung auszusetzen. Sie bot die ideale Gelegenheit, unser "gelbes Zeug" durch UV-Strahlung weiter zu prozessieren. Unsere Forschungsgruppe, der Menno de Groot, Celia Mendoza-Gómez, Willem Schutte und Peter Weber angehörten, bereiteten die organischen Proben vor und schickten sie mit dem Eureca-Satelliten (European Retrievable Carrier, rückholbare europäische Trägerplattform), der 1992 vom Space Shuttle ausgesetzt wurde, in den Weltraum.
Nach einem Jahr – aber nur vier Monaten tatsächlicher UV-Bestrahlung durch die Sonne – fing das Space Shuttle den Satelliten wieder ein, und wir erhielten die Proben zurück. Sie waren nun braun. Die Farbänderung bewies, dass sich die Substanzen mit Kohlenstoff angereichert hatten. Als wir dieses "braune Zeug" mit einem Infrarot-Spektrometer untersuchten, fanden wir genau die gleichen Absorptionslinien, wie sie im interstellaren Staub entdeckt worden waren.
Auch wenn unsere Proben höchstens einem Zehntel der maximalen Bestrahlung eines Staubkorns in einer diffusen Wolke ausgesetzt waren, hatten sie große Ähnlichkeit mit dem organischen Material im kosmischen Staub. Diese Experimente bildeten die Basis für das vereinheitlichte Staubmodell, das Aigen Li und ich aufgestellt hatten. Demnach bilden sich die zwei kleineren Typen interstellarer Staubkörner – die amorphen kohlenstoffhaltigen Partikel sowie die PAH-ähnlichen Moleküle – durch UV-Bestrahlung der organischen Substanzen in den größeren eisummantelten Staubkörnern.
Wir brachten unsere Probe des "brauen Zeugs" zur Analyse zu Seb Gillette von der Universität Stanford, der über raffinierte Verfahren der Massenspektrometrie verfügte. Gillette fand in der Probe außerordentlich viel PAHs. Nach unserem vereinheitlichten Staubmodell können die chemischen Prozesse in den ummantelten Staubkörnern nahezu alle kleinen kohlenstoffhaltigen Partikel und PAH-ähnliche Moleküle im interstellaren Staub erklären. Sobald Supernova-Explosionen die größeren Staubkörner zertrümmern, brechen die kleineren Partikel von dem organischen Mantel ab. Jedes ummantelte Staubkorn erzeugt dann einen Schwarm von Hunderttausenden winziger Staubteilchen.
Eismantel aus organischen Molekülen
Irgendwann einmal wird der gesamte Staub von dichten Molekülwolken eingefangen. Innerhalb dieser Wolken kollidieren die Staubkörner immer häufiger mit den Atomen und Molekülen des Gases. Nach etwa einer Million Jahren wächst auf den größeren Staubkörnern ein Eismantel heran, der hauptsächlich aus gefrorenem Wasser und Kohlenmonoxid besteht. Diese Verbindungen haben die Astronomen in dichten Staubwolken um Sterne nachgewiesen, zusammen mit kleineren Mengen von Kohlendioxid, Formaldehyd und Ammoniak. Auch wenn niemand direkt beobachtet hat, was mit den Kohlenstoffpartikeln und den PAH-ähnlichen Molekülen in den Molekülwolken geschieht, so ist es unvermeidlich, dass sich diese an den größeren Staubkörnern anlagern und im Eismantel aufgehen. Die organischen Moleküle werden dann durch die ultraviolette Strahlung weiterverwandelt, und der Zyklus beginnt aufs Neue.
Andere Forscher haben alternative Theorien vorgeschlagen, welche die Lichtdämpfung durch den interstellaren Staub ohne einen Mantel aus organischem Material auf den größeren Staubkörnern erklären. So postulierte etwa John S. Mathis von der Universität von Wisconsin-Madison, dass die größeren Staubkörner poröse Konglomerate kleinerer Graphit- und Silikatteilchen seien. Aber diese Modelle können eine andere Eigenschaft des interstellaren Staubes nicht befriedigend erklären: wie er das durchgehende Licht polarisiert, das heißt die elektromagnetischen Wellen in eine bestimmte Richtung ausrichtet. Dazu muss jedes der größeren Staubkörner wie ein Zylinder oder Sphäroid geformt sein und sich um seine kürzere Achse drehen wie ein rotierender Stab.
Um das Licht zu polarisieren, müssen die Rotationsachsen aller Staubkörner außerdem in dieselbe Richtung zeigen – ein Effekt, der Magnetfeldern in den Staubwolken zugeschrieben wird. Der Erfolg des vereinheitlichten Staubmodells ist, dass die hypothetischen ummantelten Staubkörner die beobachtete Polarisation bei allen Wellenlängen erklären können.
Kometen sind wahrscheinlich die ältesten Überbleibsel des solaren Urnebels – jener Wolke aus Gas und Staub, aus der unser Sonnensystem einst geboren wurde. Während Astronomen immer neue Erkenntnisse über die chemische Zusammensetzung von Kometen und interstellarem Staub gewinnen, verstärkt sich die Meinung, dass Kometen ursprünglich aus Anhäufungen von Staubkörnern entstanden sind. Wir können daher annehmen, durch die Beobachtung von Kometen auch mehr über den interstellaren Staub zu erfahren.
Als die Planeten und Kometen zusammen mit der Sonne vor 4,6 Milliarden Jahren entstanden, haben die ummantelten Staubkörner in der protosolaren Wolke höchstwahrscheinlich all die kleineren kohlenstoffhaltigen Partikel und die PAH-ähnlichen Moleküle absorbiert, ebenso alles Kohlenmonoxid und andere flüchtige Substanzen. Nur Wasserstoff und Helium blieben ungebunden zurück. Die Staubkörner stießen häufig genug zusammen, um große lose zusammenhängende Konglomerate entstehen zu lassen. Nach der vorherrschenden Theorie entwickelten sich diese lockeren Klumpen nun zu den Kernen der Kometen. Diese Kerne müssen sehr porös sein, also viele Hohlräume enthalten. Mein eigenes Modell für die Substanz der Kometenkerne enthält hundert mittelgroße protosolare Staubkörnchen, zusammengebacken zu einem drei Mikrometer großen Konglomerat. Diese Gebilde sind zu 80 Prozent des Volumens hohl.
Seit ihrer Entstehung umkreisen Kometen die Sonne in der Oortschen Wolke und dem Kuiper-Gürtel weit außerhalb der Planetenbahnen. Doch gelegentlich werfen Gravitationsstörungen die fernen Kometen auf Bahnen, die sie näher an die Sonne heranbringen. Neuerungen in unserem Verständnis von Kometen gab es 1986, als die Raumsonden Giotto sowie Wega 1 und 2 zum Halleyschen Kometen flogen, der sich der Sonne alle 76 Jahre nähert. Alle drei Raumsonden analysierten in Halleys Koma (der Gas- und Staubhülle um den festen Kometenkern) Masse und chemische Zusammensetzung aller Partikel. Die Staubteilchen trafen mit Geschwindigkeiten von rund 70 Kilometern pro Sekunde auf die Messgeräte und zerbrachen in ihre atomaren Komponenten. Die Instrumente registrierten dabei unerschiedlichste Teilchenmassen, von 10–14 Gramm, was man für einzelne Staubkörner mit Mantel erwartet, bis hin zu 10–18 Gramm, die typisch sind für kleinere kohlenstoffhaltige Partikel.
Die Astrophysiker Jochen Kissel vom Max-Plank-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching, Franz R. Krueger vom Ingenieurbüro Krueger in Darmstadt, sowie Elmar K. Jessberger von der Universität Münster bestimmten später, dass der Staub Halleys aus Konglomeraten von Teilchen mit silikatischem Kern und organischem Mantel bestanden – genau wie meine ursprüngliche Theorie für Kometen vorhersagte. Ihre Schlussfolgerungen beruhten auf dem Umstand, dass die Sauerstoff-, Kohlenstoff- und Stickstoffatome an den Detektoren der Raumsonden etwas früher ankamen als die Silizium-, Magnesium- und Eisenatome.
Der Staub als Zeuge für die Geburt der Galaxis
Wie alt ist Halleys Staub und der in den anderen Kometen? Wir wissen, dass der kosmische Staub zum Zeitpunkt der Entstehung der Kometen bereits etwa fünf Milliarden Jahre alt war. So lange verweilt nämlich ein Staubkorn im Mittel im interstellaren Raum, bevor es von einem neu entstehenden Stern verschlungen wird.
Und weil die Kometen der Sonne selbst 4,6 Milliarden Jahre alt sind, hat der Staub wahrscheinlich ein Alter von fast 10 Milliarden Jahren. Die Analyse des Kometenmaterial erlaubt uns somit, das Frühstadium unserer Galaxis zu erforschen.
Kometenstaub hat vielleicht auch eine Rolle dabei gespielt, Leben auf der Erde zu säen. Jedes lockere Klümpchen Kometenstaub enthält nicht nur organisches Material, sondern hat auch eine Struktur, die ideal für die chemische Evolution ist, wenn es einmal im Wasser eingetaucht ist. Kissel und Krueger haben gezeigt, dass kleine Moleküle sehr leicht von außen in den Klumpen eindringen können, aber größere Moleküle innendrin stecken bleiben. Solch eine Struktur kann die Produktion von immer größeren und komplexeren Molekülen anregen, und möglicherweise als winzige Brutstätte für die ersten primitiven Lebensformen dienen. Ein einzelner Komet könnte bis zu 10E25 dieser "Saatkeime" auf die junge Erde gebracht haben.
Die Nasa und die Europäische Weltraumagentur Esa unternehmen oder planen Missionen, die uns mehr über die Natur der Kometen und des interstellaren Staubes enthüllen werden. Die im Februar 1999 gestartete Nasa-Sonde Stardust soll im Jahr 2004 am Kometen Wild-2 vorbeifliegen und eine Staubprobe von der Kometenkoma zurückbringen. Auf dem Flug dorthin sammelt die Sonde auch Proben des interstellaren Staubes ein, wie er sich durch unser Sonnensystem bewegt.
Noch ehrgeiziger ist die geplante Rosetta-Mission der Esa. Ihr Start ist für das Jahr 2003 vorgesehen. Danach wird das Raumfahrzeug in eine Umlaufbahn um den Kern des Kometen Wirtanen einschwenken und eine Landesonde zur Oberfläche des Sonnentrabanten schicken.
Diese Weltraummissionen werden zweifellos neue Wege für die Forschung ebnen. Astronomen betrachten den Staub zwischen den Sternen nicht mehr als lästiges Hindernis. Längst ist er eine wichtige Informationsquelle über die Entstehung von Sternen, Planeten und Kometen. Und vielleicht enthält er sogar Hinweise auf den Ursprung des Lebens auf der Erde.
Literaturhinweise
Urzeugung aus Kometenstaub? Von J. Kissel und F. R. Krueger, Spektrum der Wissenschaft, Mai 2000, S. 64.
Erste direkte chemische Analyse des interstellaren Staubes. Von F. R. Krueger und J. Kissel, Sterne und Weltraum, Bd. 39, Mai 2000, S. 326.
Cosmic Dust in the 21st Century. Von J. M. Green-berg und Ch. Shen, Astrophysics and Space Science, Bd. 269, S. 33 (1999).
A Unified Model of Interstellar Dust. Von A. Li und J. M. Green-berg, Astron. Astroph., Bd. 323, Nr. 2, S. 566 (1997).
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2001, Seite 30
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