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Denkmalschutz: Laser lässt Farben wieder leuchten

Mittelalterliche Glasmalereien schonend von Schmutz und Korrosionsschichten zu befreien, ist das Anliegen eines interdisziplinären Forschungsverbundes.


Sorgfältig hatten Künstler Glassegmente bemalt und dann mit Blei-ruten zum neuen Kirchenfenster verbunden. Jahrhunderte später sind die leuchtenden Farben verblasst: Mikroben, Feuchtigkeit und Schadgase haben den Malschichten wie dem Grundglas selbst zugesetzt. Die biblische Darstellung ist kaum noch zu erkennen und erscheint im Licht grau. Ein wertvolles Zeugnis der Geschichte droht zu verschwinden.

Kein Einzelfall, sondern ein Problem, dem sich Denkmalpfleger, Naturwissenschaftler und Restauratoren derzeit mit Nachdruck widmen. Historische Glasmalereien der Nachwelt zu erhalten, also zu restaurieren und zu konservieren, ist allerdings keine einfache Aufgabe. Ein Werkzeug unserer technisierten Zeit soll helfen: der Laser.

Das Reinigen von Kunstwerken mit dem intensiven Lichtstrahl propagieren Wissenschaftler schon seit den siebziger Jahren. In Pilotanwendungen versuchten Forscher marmorne Oberflächen ebenso wie filigrane Metallskulpturen zu restaurieren. Selbst Papier und Textilien hat man schon vereinzelt behandelt. Zur Reinigung kunstgeschichtlich wertvoller steinerner Gebäudefassaden hat sich der Laser inzwischen sogar etabliert.

Eine neue Restaurationsmethode muss sich immer gegen schon lange bewährte Verfahren durchsetzen, nicht zuletzt, weil sie den Restauratoren vertraut sind. Bislang entfernen sie Korrosionsschichten auf historischen Glasmalereien entweder chemisch mit getränkten Kompressen oder mechanisch beispielsweise mit Skalpellen oder Pinseln. Die Messlatte für die neue Technik liegt hoch: Verlangt wird schonenderes und präziseres Arbeiten; dabei sollen bislang unzulängliche Partien wie Ritzen selektiv zu reinigen sein.

In einem interdisziplinären Projekt hat das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung beziehungsweise die Gruppe Kulturgüterschutz seiner Außenstelle Bronnbach bei Wertheim die adäquate Technik an Modellgläsern erarbeitet und bereits an ersten aus dem Mittelalter stammenden Proben verifiziert. Das Gerät selbst entwickelte das Laserzentrum der Fachhochschule Münster, das Institut für Werkstoffwissenschaften der Universität Erlangen untersucht die mikrobiellen Beläge, die Belange der Restauratoren vertreten die Dombauhütten Köln und Erfurt, Financier ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück.

Anders als etwa Stein oder Marmor ist es bei Glasmalereien nicht das Ziel, alle Verschmutzungen und Verwitterungsprodukte abzutragen. An der Glasoberfläche befindet sich vielmehr eine empfindliche Gelschicht, die nach dem Verständnis der Kunsthistoriker und Restauratoren Teil des Originals ist und erhalten bleiben sollte. Sie entstand nämlich durch Korrosion aus dem Grundglas: Natrium, Calcium und Kalium wurden ausgelaugt, Protonen und Wasser gelangten im Gegenzug hinein. Auf dem liegen Biofilme und Krusten, meist aus Gips und Syngenit, die den optischen Eindruck des Kunstwerks beeinträchtigen.

Das energiereiche Laserlicht vermag Gelschicht und Grundglas aber auch zu schaden. Wechselwirkung mit den Farbpigmenten könnte Energie einkoppeln und so Risse in freiliegenden Partien hervorrufen oder das Material lokal erhitzen und so die Glasstruktur verändern.

Deshalb arbeiten die Wissenschaftler nach Vorversuchen mit einem Gaslaser (Excimer-Laser), und zwar mit Kryptonfluorid als aktivem Medium. Das emittiert ultraviolettes Licht (248 Nanometer Wellenlänge), das weniger Wärme einträgt als Licht mit Rot- oder Infrarot Anteil. Der Laser wird zudem mit Kurzpulsen von 30 Nanosekunden Dauer und 100 Pulsen pro Sekunde betrieben, sodass er die Glasmatrix kaum zu erwärmen vermag. Wohl aber bricht das UV-Licht kleine Partikel aus der Kruste, indem es Bindungen photochemisch spaltet und ein Plasma bildet; es lässt die Mikroben-Schicht abplatzen und entfernt unansehnlich gewordene Spuren früherer Konservierung.

Zu reinigende Bereiche werden mit dem Strahl linienförmig abgefahren. Prinzipiell bestimmen drei Parameter die Wirkung: die Energiedichte in Joule pro Quadratzentimeter, die absolute Pulszahl und die Pulsfrequenz. Sie müssen der chemischen Zusammensetzung, Art und Konsistenz der Oberflächenschicht sowie den Eigenschaften des Grundglases angepasst werden.

Dazu haben die Bronnbacher Wissenschaftler Modellgläser entwickelt, deren Zusammensetzung die Bandbreite selbst mittelalterlicher Gläser spiegelt. Künstliche Bewitterung in Klimaschränken und eine Bestrahlung solcher Proben mit UV-Lampen imitiert die Einflüsse der Jahrhunderte sozusagen im Zeitraffer. Derart künstlich gealterte Präparate mit den Extremwerten möglicher Zusammensetzungen ließen sich mit 0,25 bis 1,25 Joule pro Quadratzentimeter von Krusten, mikrobiellen Belägen und gealterten Konservierungsschichten reinigen, ohne dabei Schaden zu nehmen. Erst ab 1,25 bis 1,75 Joule pro Quadratzentimeter reagierten auch Gelschicht und Grundglas. Vereinzelt gab es aber auch Problemfälle, bei denen sie empfindlicher als der Belag waren. Dann half eine individuelle Wahl der Parameter Pulszahl und Pulsfrequenz. Das Fazit ist aber: Zur Sicherheit sollte der Vorgang per Videomikroskop überwacht und gegebenenfalls nachgesteuert werden.

Bislang haben die Wissenschaftler ihr Verfahren erst an einer Originalprobe getestet; sie stammt aus dem Bild des auferstandenen Christus, Teil eines von 1890 stammenden Glasfensters der Kirche St. Michael und Johannes Baptist in Brakel bei Paderborn. Weitere Tests am Laserzentrum in Münster folgen. In der Zusammenarbeit mit Restauratoren wird das System praxisreif gemacht. Denn letztlich müssen auch diese lernen, das neue Werkzeug zu nutzen, um unersetz-liche Kulturgüter zu retten.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2000, Seite 88
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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