MEDIZIN: Lebende Organfabrik
Eine außergewöhnliche Organtransplantation haben Forscher um Hiromitsu Nakauchi von der Stanford University durchgeführt. Sie verpflanzten Organteile, die großteils aus Mäusezellen bestanden, aber in Ratten gewachsen waren. Damit heilten die Forscher diabeteskranke Mäuse. So belegten sie, dass funktionstüchtige Organe oder Gewebe einer bestimmten Spezies auch in einem artfremden Organismus heranreifen können.
Nakauchi und seine Kollegen manipulierten zunächst das Erbgut von Ratten so, dass die Nager keine eigene Bauchspeicheldrüse ausbildeten. Den so veränderten Tieren spritzten sie, noch im Embryonalstadium, pluripotente Stammzellen von Mäusen, die in jeden Zelltyp des Organismus ausdifferenzieren können. Die Stammzellen sprangen quasi für die fehlenden Rattenzellen ein und brachten eine Bauchspeicheldrüse hervor, die vorrangig aus Mäusezellen bestand. Nakauchis Team entnahm den entwickelten Tieren das Drüsenorgan und isolierte daraus die Insulin herstellenden Langerhans-Inseln. Diese injizierte das Team sodann in Nieren von diabeteskranken Mäusen, wo sich die Zellklumpen einnisteten und die Funktion einer gesunden Bauchspeicheldrüse übernahmen: Sie produzierten blutzuckersenkendes Insulin und heilten die Mäuse so vom Diabetes.
Die Mäuse nahmen die Langerhans-Inseln gut an – nach nur fünf Tagen immunhemmender Behandlung hatte ihr Organismus die Gewebeklumpen akzeptiert. Noch mehr als ein Jahr nach dem Eingriff zeigten die behandelten Tiere keine Anzeichen einer gestörten Blutzuckerregulation.
Wäre ein ähnliches Verfahren auch beim Menschen möglich, könnte es eine Revolution in der Transplantationsmedizin anstoßen. Denn Menschen sind nach einer Organverpflanzung lebenslang auf immununterdrückende Medikamente angewiesen, um eine Abstoßung des Fremdgewebes zu vermeiden. Gegenüber Körperteilen, die aus ihren eigenen Stammzellen in einem fremden Organismus herangewachsen sind, käme es vielleicht zu einer weniger intensiven Abwehrreaktion, was die Medikamente zum Teil verzichtbar machen würde. Bis dahin wäre es aber noch ein weiter Weg: Entsprechende Mensch-Tier-Mischwesen (Chimären) zu züchten, setzt neben wissenschaftlichen Fortschritten vor allem die Klärung ethischer und gesetzlicher Fragen voraus.
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