Lebensmittelfarbstoffe - ein Überblick
Der Verbraucher assoziiert meist eine ansprechende Optik von Lebensmitteln mit Eigenschaften wie Qualität und Frische und erwartet oft auch eine typische Farbe. Ein wenig ansehnliches Äußeres hingegen suggeriert ein minderwertiges oder gar verdorbenes Produkt. Wer würde etwa grünen Kaviar, grauen Seelachs oder schwarze Zitronenbonbons essen wollen? Darum sollte die charakteristische Farbe eines Lebensmittels bei Lagerung und Zubereitung soweit wie möglich erhalten bleiben. Das ist aber vielfach nur sehr eingeschränkt oder gar nicht erreichbar.
Verarbeitungsbedingte Farbverluste werden deshalb mit geeigneten Lebensmittelfarben ausgeglichen – ein Beispiel ist die bei der Konservierung verblassende Cocktailkirsche. Korrekturen bieten sich auch dann an, wenn Inhaltsstoffe den Farbton schwächen, etwa bei Getränken und Soßen, wenn die Farbe der Rohstoffe nicht konstant bleibt oder wenn das Lebensmittel an sich farblos oder unansehnlich ist wie etwa Margarine, Schmelzkäse, Süßwaren oder Dessertprodukte.
Freilich darf nicht jedes Lebensmittel mit einem beliebigen Farbstoff in beliebiger Menge gefärbt werden. Bereits 1887 wurde im Deutschen Reich ein Gesetz erlassen, das die Verwendung gesundheitsschädlicher Farbstoffe verbot. In Österreich trat 1906 eine entsprechende Verordnung in Kraft, in den Vereinigten Staaten etwa um die gleiche Zeit. Die damals zugelassenen Substanzen wurden seither immer wieder toxikologisch untersucht; seit 1949 obliegt diese Kontrollaufgabe in Deutschland einer Kommission der Deutschen Forschungs- gemeinschaft. Farbstoffe, die auch nur den Verdacht der Gefährdung erweckten, wurden verboten.
Man kann ohne Übertreibung sagen, daß die derzeit zugelassenen Farbstoffe zu den bestuntersuchten Lebensmittel-zusatzstoffen überhaupt gehören und als sicher anzusehen sind. Seit 1995 ist in der Europäischen Union einheitlich geregelt, welche Lebensmittel gar nicht und welche mit welchen Farbstoffen gefärbt werden dürfen. Dabei ist in vielen Fällen die Menge des Zusatzes beschränkt.
Grundtypen
Eßwaren lassen sich auf vielerlei Weise färben. Man kann andere, stark färbende Lebensmittel zusetzen wie Rote Bete, Paprikaextrakt, Hibiscus oder Spinat. Allerdings ist deren Farbstabilität mitunter gering, und sie können den Geschmack unerwünscht verändern – wer lutscht schon gerne einen Lolly, der nach Rote Bete schmeckt? Des weiteren lassen sich Farbstoffe aus Lebensmitteln extrahieren, beispielsweise das Carotin der Karotte (wobei Beta-Carotin heutzutage synthetisch hergestellt wird), das Chlorophyll, das in allen grünen Pflanzen vorkommt, oder das unter anderem in der Milch enthaltene gelbe Riboflavin (Vitamin B2). Karmin, einen weiteren Naturfarbstoff, der bereits seit dem 16. Jahrhundert aus einer südamerikanischen Schildlaus gewonnen wird, setzt man in Frankreich traditionell zur Rotfärbung von Wurst ein; außerdem findet er sich in einem weltbekannten roten alkoholischen Bittergetränk.
Wegen der höheren Akzeptanz beim Verbraucher bevorzugen Hersteller von Lebensmitteln inzwischen diese naturgegebenen Möglichkeiten. Bei ungenügender Stabilität der Naturfarbstoffe gegen Licht, Temperatur und pH-Wert greifen sie jedoch auch auf künstliche Lebensmittelfarbstoffe zurück. Das sind vor allem petrochemische Produkte, die sich sehr rein, in hoher Farbkonzentration und gleichbleibender Qualität herstellen lassen. Chemisch handelt es sich dabei um Azo-, Triarylmethan-, Chinophthalon-, Xanthen- und Indigofarbstoffe. Die meisten dieser Substanzen werden bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts industriell hergestellt. Sie sind in Wasser löslich; durch Reaktion mit Aluminiumhydroxid ergeben sich unlösliche Aluminiumfarblacke, die zumeist zur Färbung von Drageedecken dienen.
Eine weitere Farbstoffgruppe sind braune Zuckerkulöre, die beim Erhitzen genußtauglicher Zuckerarten in Gegenwart gesetzlich zugelassener chemischer Verbindungen entstehen. Damit färbt man Soßen, Süßwaren und Getränke wie die koffeinhaltigen Brausen.
Schließlich sind auch bestimmte anorganische Pigmente wie Eisenoxide zugelassen. Sie werden ebenfalls zur Oberflächenfärbung etwa von Dragees und für Verzierungen eingesetzt. Eine Sonderstellung nimmt das als E 180 bezeichnetete rote Pigment ein: Es darf nur zur Färbung von Käseumhüllungen verwendet werden. Wenig gebräuchlich sind die metallischen Pigmente Aluminium, Silber und Gold; damit verziert man zumeist Oberflächen, Gold ist allerdings auch Markenzeichen des Danziger Goldwassers, eines Likörs.
Anwendung
Ergibt eine Prüfung, daß sich eine gewünschte Farbe mit einem färbenden Lebensmittel nicht erreichen läßt, muß zuerst geklärt werden, welche Zusatzstoffe in den Ländern der Zielmärkte erlaubt sind. Insbesondere in Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU) können bestimmte Farbstoffe problematisch sein. So ist Patentblau V (E 131) in der EU erlaubt, aus mehr historischen Gründen aber nicht in Japan und in den USA. Weiter ist zu prüfen, ob die Gesetzgeber der jeweiligen Zielländer Höchstmengen festgelegt haben.
Ob die Wahl dann auf einen öl- oder wasserlöslichen oder auf einen wasserdispergierbaren Stoff fällt, auf einen unlöslichen Farblack oder ein Pigment, ergibt sich aus der Beschaffenheit des zu färbenden Lebensmittels. Für Getränkepulver, Getränke, Dessertspeisen und Instant-Produkte eignen sich wasserlösliche oder wasserdispergierbare Farbmittel wie Beta-Carotin, Zuckerkulör oder künstliche Farbstoffe (Bild 1). Für Geleeartikel und Süßwaren können wasserlösliche oder in Wasser dispergierbare Naturfarbstoffe und auch künstliche Farbstoffe eingesetzt werden. Drageedecken lassen sich sowohl mit wasserlöslichen Farbstoffen als auch mit Pigmenten und Farblacken anfärben.
Auch andere Inhaltsstoffe oder die Darreichungsform beeinflussen die Wahl. Für stark fetthaltige Lebensmittel eignen sich fettlösliche Farbstoffe wie Chlorophyll oder bestimmte Carotinoide. Wasser- oder öllösliche Farbstoffe werden flüssigen Lebensmitteln in gelöster Form zugesetzt. Bei trockenen Lebensmitteln kann man die Farbstoffe als Pulver untermischen. Sie entfalten ihre Färbekraft erst beim Einrühren in Flüssigkeit, wie etwa von Puddingpulvern wohlbekannt ist.
Zudem können sich die Farbmittel im Produkt verändern. So ist der Azofarbstoff Gelborange S (E 110) empfindlich gegen Vitamin C und wird von diesem durch reduktive Spaltung der Azobrücke entfärbt. Der Triarylmethanfarbstoff Patentblau V (E 131) wird in Anwesenheit von Zitronensäure grün. Ist die Färbung schließlich gelungen, wird – in entsprechender Verpackung – ein Lagerungstest durchgeführt.
Prüfung
Die verwendeten Farbstoffe müssen den gesetzlichen Bestimmungen nach bei Fertigpackungen wie etwa Süßwaren in der Zutatenliste deklariert werden, sei es mit dem Wort Farbstoff und der E-Nummer oder auch mit der Verkehrsbezeichnung des Farbstoffs wie etwa Patentblau V.
Dem Hersteller der Farben obliegt es jedoch zu prüfen, ob die gesetzlichen Reinheitsanforderungen, etwa bezüglich des Gehalts an Schwermetallen, eingehalten wurden. Dabei kommen modernste analytische Methoden zum Einsatz: Atomabsorptionsspektroskopie zur Bestimmung der Schwermetallgehalte sowie Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie zur Messung von Nebenfarbstoffen und farblosen Synthesezwischenprodukten, deren Gehalt auch limitiert ist.
Staatliche Behörden wie die chemischen Landesuntersuchungsämter nutzen analytische Verfahren, um Farbstoffe zu identifizieren und das Einhalten gesetzlicher Regelungen zu kontrollieren. So gibt es Methoden, Farbstoffe aus Lebensmitteln zu isolieren. Zur Identifizierung dienen dann beispielsweise Papier- oder Dünnschichtchromatographie, womit sich auch Farbstoffmischungen trennen lassen. Vermessen des Spektrums im sichtbaren Bereich, also bei Wellenlängen von 350 bis 750 Nanometern (millionstel Millimetern), ergibt nicht nur die Farbstärke, sondern – sofern einzelne Farbstoffe statt Mischungen enthalten sind – anhand der Lage des Absorptionsmaximums auch die Identät (Bild 2). Somit ist die Sicherheit der Verbraucher durch mehrere Instanzen gewährleistet.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1997, Seite 102
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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