Psychiatrie: Letztes Mittel
Über Zwang in der Psychiatrie scheiden sich die Geister. Auf der einen Seite stehen Patientenschutzorganisationen, die Isolationsräume und Fesseln als tyrannische Disziplinierungsinstrumente betrachten und am liebsten ins Museum verbannen würden; auf der anderen Seite das Personal von psychiatrischen Einrichtungen, das Zwangsmaßnahmen an Patienten als notwendige, wenn auch unschöne Realität ansieht, mit der man professionell umgehen müsse. "Wir würden es begrüßen, wenn die Psychiatrie gewaltfrei wäre. Doch Aggression und Gewaltausbrüche von Patienten lassen sich nicht vollständig vermeiden", erklärt Tilman Steinert, Psychiater und Leiter der Forschungsabteilung am Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg. Patientenvertreter wenden ein, dass Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie zu Traumatisierungen führen können, die lebenslang wirken, und werfen die Frage auf, ob eine gewaltfreie Psychiatrie nicht doch möglich sei.
Was versteht man unter Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie? "Alles, womit der Patient im weiteren Sinn nicht einverstanden ist", erläutert Steinert. Dazu zählt, wenn es dem Patienten verboten ist, die Station zu verlassen, oder wenn das Personal durch Zureden psychologischen Druck aufbaut, damit er seine Medikamente nimmt. Als äußerste Mittel gelten die Fixierung und die Isolierung. Bei der Fixierung binden Pflegekräfte, meist auf ärztliche Anweisung hin, aggressive oder bedrohlich wirkende Patienten mit Gurten am Bett fest. Je nach Erregungszustand werden dabei an bis zu zehn Punkten des Körpers Fesseln angelegt, vor allem an Armen, Beinen oder im Rumpfbereich. Die Isolierung besteht darin, den Patienten in einen leeren, reizarmen Raum einzusperren, nur mit einer Matratze und einer Decke ausgestattet ...
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