Bildartikel: Licht auf Abwegen
Am Beispiel einer Materiescheibe um ein Schwarzes Loch läßt sich zeigen, wie ein starkes Gravitationsfeld die Lichtausbreitung beeinflußt. Computersimulationen machen diese relativistischen Effekte sichtbar und helfen, sie zu verstehen.
"Wie du willst", sagte die Katze und verschwand diesmal ganz allmählich von der Schwanzspitze angefangen bis hinauf zu dem Grinsen, das noch einige Zeit zurück-blieb, nachdem alles andere schon verschwunden war. "So etwas!" dachte Alice – "ich habe zwar schon oft eine Katze ohne Grinsen gesehen, aber ein Grinsen ohne Katze? Das ist doch das Allerseltsamste, was ich je erlebt habe!"
Lewis Carroll
Alice im Wunderland
Ein massereicher Stern, der am Ende seiner Entwicklung zu einem Schwarzen Loch kollabiert, scheint eine wesentliche Eigenschaft aller uns bekannten körperlichen Objekte aufzugeben: die Kopplung von Materie und Masse. Ähnlich wie die Cheshire-Katze aus der Erzählung des englischen Schriftstellers Lewis Carroll (1832 bis 1898), die im Nirgendwo verschwindet und nur ihr Grinsen zurückläßt, entschwindet der in sich zusammenstürzende Stern mit seiner gesamten Materie aus unserem Universum und hinterläßt nur seine Masse mit ihrem Gravitationsfeld. Dies vermag allerdings weiterhin Materie aus der Umgebung anzuziehen, die dann auf spiralförmigen Bahnen in das körperlose Massenzentrum fällt und ebenfalls verschwindet; die Masse des Schwarzen Loches und damit auch die Stärke seines Gravitationsfeldes nehmen auf diese Weise immer weiter zu.
Derart massereiche und kompakte Objekte wie Schwarze Löcher rufen dramatische und seltsame Effekte her-vor. Jede Art von Materie, die in einen solchen kosmischen Mahlstrom gerät und sich bis auf einen bestimmten Abstand – nach dem deutschen Astronomen Karl Schwarzschild (1873 bis 1916) Schwarzschild-Radius genannt – dem Loch genähert hat, entrinnt diesem Bereich niemals wieder. Die Gravitation ist so stark, daß selbst Licht nicht entweichen kann. Weil damit keinerlei Information über ein Ereignis im Inneren dieses Bereichs nach außen zu dringen vermag, bezeichnet man die durch den Schwarzschild-Radius definierte Kugeloberfläche als Ereignishorizont.
Auch außerhalb dieses Bereichs kommt es zu merkwürdigen Phänomenen. Lichtstrahlen, die an ihm vorbeiführen, werden stark abgelenkt und können das Schwarze Loch sogar mehrmals umrunden. Die Fliehkraft, die ein sich auf einer gekrümmten Bahn bewegendes Teilchen nach außen drückt, kehrt ihr Vorzeichen um: Statt Materie vom Schwarzen Loch wegzutreiben, wird sie weiter nach innen gezogen (Spektrum der Wissenschaft, Mai 1993, Seite 68).
Daß im Universum Objekte vorhanden seien, die aufgrund ihrer gewaltigen Masse das von ihnen ausgesandte Licht gleichsam gefangen halten und mithin für einen fernen Beobachter unsichtbar bleiben, vermutete man bereits im 18. Jahrhundert. So entwickelten der britische Geologe und Astronom John Michell (1724 bis 1793) sowie der französische Mathematiker und Physiker Pierre Simon de Laplace (1749 bis 1827) erste Vorstellungen von solchen Himmelskörpern. Aber erst vor knapp 30 Jahren, nachdem die modernen physikalischen Theorien genauere Berechnungen erlaubten, begann die Mehrheit der Astronomen zu akzeptieren, daß es Schwarze Löcher tatsächlich geben könnte.
Mangels Eigenstrahlung ist ein direkter Nachweis dieser bizarren Objekte freilich nicht möglich. Beobachten ließe sich nur die Wirkung des enormen Gravitationsfeldes auf Materie in ihrer unmittelbaren Umgebung. So sollten einströmende Gaswolken oder durch die gewaltigen Gezeitenkräfte zerrissene Sterne eine Akkretionsscheibe um das Loch bilden und dabei mit hoher Geschwindigkeit herumwirbeln. Falls sich im Kerngebiet mancher Galaxien – wie vermutet – Schwarze Löcher befinden, müßten sie sich ebenfalls durch die ungewöhnlich hohe Umlaufgeschwindigkeit der dort vorhandenen Materie um ein gemeinsames Zentrum bemerkbar machen. Tatsächlich sind mit Methoden neuester Technik einige Kandidaten für Schwarze Löcher in unserem Milchstraßensystem und in anderen Galaxien entdeckt worden (Bild 1; vergleiche auch Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1993, Seite 30).
Durch Reibung und weitere Prozesse heizen sich die Gase in der Akkretionsscheibe auf mehrere Millionen Grad auf, so daß sie intensive Strahlung bis in den hochenergetischen Röntgenbereich hinein emittieren können. Die Astronomen nehmen heute allgemein an, daß die extreme Leuchtkraft aktiver Galaxienkerne auf Schwarze Löcher mit dem Hundertmillionen- bis etwa Einmilliardenfachen der Sonnenmasse zurückzuführen ist. Manche wie etwa Quasare strahlen tausend- bis zehntausendmal heller als eine gewöhnliche Galaxie (Spektrum der Wissenschaft, Januar 1991, Seite 98, sowie August 1991, Seite 94). Um eine solch enorme Strahlungsenergie zu erzeugen, müßte pro Jahr etwa eine Masse wie die der Sonne in das zentrale Schwarze Loch stürzen.
Außerdem hat man festgestellt, daß die Helligkeit der aktiven Galaxienkerne innerhalb weniger Stunden variiert. Folglich sollte der Durchmesser des strahlenden Systems nicht viel größer sein als die Distanz, die Licht innerhalb dieser Zeit zurückzulegen vermag: Es muß demnach ungefähr die Größe unseres Sonnensystems haben.
Wegen der großen Entfernung dieser Objekte von der Erde (viele Millionen bis einige Milliarden Lichtjahre) und ihrer geringen Ausdehnung wird man sie selbst mit den besten Teleskopen in absehbarer Zukunft nicht räumlich auflösen können, sondern nur über große und zum Teil auch sehr unterschiedliche Bereiche gemittelte Informationen erhalten. Wenn wir uns dennoch ein detailliertes Bild von diesem Phänomen machen wollen, wie es für das Verständnis etwa der spektralen oder räumlichen Verteilung des emittierten Lichtes unumgänglich ist, sind wir deshalb auf Computersimulationen angewiesen. Diese sind verständlicherweise sehr komplex, müssen sie doch die verschiedensten physikalischen Gesetzmäßigkeiten berücksichtigen: die Hydrodynamik der auftretenden Strömungen, die Strahlungstheorie für Erzeugung und Ausbreitung des Lichts, die Elektrodynamik, die Quantenphysik sowie die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie.
Bildverzerrungen durch Raumzeit-Krümmung
Wir wollten wissen, wie ein Beobachter ein Schwarzes Loch – beziehungsweise seine ringförmige Akkretionsscheibe – wahrnehmen würde, wenn er es aus der Nähe betrachten könnte. Um die Auswirkungen der verschiedenen maßgeblichen Größen zu veranschaulichen, begannen wir zunächst mit dem einfachen Fall einer ebenen Materiescheibe und fügten dann schrittweise die anderen Bedingungen hinzu. Für jeden dieser Fälle haben wir Bilder mit einem computergraphischen Verfahren, dem Ray-Tracing, generiert; bei dieser üblichen Methode der Strahlverfolgung berechnet man für jeden Lichtstrahl den geometrischen Verlauf, wobei man allerdings nicht den Weg von der Quelle zum Beobachter verfolgt (die meisten emittierten Strahlen würden ihn verfehlen), sondern sich das Prinzip der Umkehrbarkeit der Strahlengänge zunutze macht und vom Beobachter zur Quelle zurückrechnet (Spektrum der Wissenschaft, April 1991, Seite 104, sowie Dezember 1991, Seite 128).
In einer gewöhnlichen Szenerie – etwa bei der Simulation der Innenansicht eines Zimmers – hat man es dabei mit geraden Lichtstrahlen zu tun. Denn das Licht der Quelle, das den Beobachter direkt erreicht, folgt der geodätischen Linie (kurz Geodäte genannt); das ist von allen Verbindungslinien diejenige mit der kleinsten Länge. In diesem Falle ist die Geodäte eine Gerade, die durch die Position der Lichtquelle und den Beobachterstandpunkt gegeben ist. Das indirekt wahrgenommene Licht breitet sich ebenfalls geradlinig aus, doch erreicht es das Auge des Beobachters nach einer gewissen Zahl von Spiegelungen an den in der Szenerie vorhandenen Gegenständen. Für einen solch gewöhnlichen, im Sinne der Relativitätstheorie flachen Raum gilt die aus der Alltagserfahrung bekannte euklidische Geometrie, in der sich zwei parallele Geraden nie schneiden.
Diese einfachen Verhältnisse lassen sich wegen der besonderen Eigenschaften des Lichtes nicht auf unseren Fall übertragen. Es breitet sich nämlich im Vakuum mit konstanter Geschwindigkeit (knapp 300000 Kilometer pro Sekunde) aus – und zwar unabhängig vom Bezugssystem, wie Albert Einstein (1879 bis 1955) erkannte. Dies bedeutet, daß ein Beobachter stets denselben Wert für die Lichtgeschwindigkeit mißt, ganz gleich, ob er selbst in Ruhe ist oder sich mit irgendeiner Geschwindigkeit im Raum bewegt.
Die sich daraus ergebenden revolutionären Konsequenzen faßte Einstein 1905 in seiner speziellen Relativitätstheorie zusammen. Eine war die Erkenntnis, daß der dreidimensionale Raum und die eindimensionale Zeit keine getrennten Gegebenheiten sind, sondern gemeinsam eine vierdimensionale Raumzeit darstellen. In dieser neuen Geometrie – die nach Einsteins Mathematik-Professor in Zürich, Hermann Minkowski (1864 bis 1909), benannt ist, weil er dafür eine elegante mathematische Formulierung einführte – werden die euklidischen Gleichungen durch zeitabhängige Terme ergänzt. Dennoch gleicht die Minkowski-Geometrie der euklidischen: In ihr ist die Geodäte zwischen zwei Punkten ebenfalls eine Gerade; das heißt, auch die Raumzeit ist flach.
Die Verhältnisse ändern sich noch einmal, wenn eine Masse mit ihrem Gravitationsfeld vorhanden ist. Wie nämlich Einstein anschließend in seiner allgemeinen Relativitätstheorie (die im wesentlichen eine Theorie der Gravitation ist) zeigen konnte, wird die Raumzeit durch Masse gekrümmt; umgekehrt beeinflußt diese Raumzeit-Krümmung die Bewegung einer Masse. In einer positiv gekrümmten Raumzeit ist aber auch die Geodäte zwischen zwei Punkten keine Gerade mehr; zwei Parallelen würden sich – anders als in der euklidischen Geometrie – irgendwo schneiden. (Dies läßt sich zum Beispiel an einem Globus verdeutlichen: Benachbarte Meridiane kann man in der Nähe des Äquators als parallele Geraden auffassen; wegen der Krümmung der Erdoberfläche schneiden sie sich jedoch an den beiden Polen.)
Eine Folge davon ist, daß ein Gravitationsfeld über die Raumzeit-Krümmung auch Licht ablenkt. Diese Vorhersage der 1916 veröffentlichten allgemeinen Relativitätstheorie bestätigten britische Astro-nomen während der Sonnenfinsternis im Mai 1919: Sterne in unmittelbarer Nähe der Sonnenscheibe erschienen auf den Photographien um einen bestimmten Betrag gegenüber ihren normalen Positionen verschoben; ihr Licht wurde folglich von der Schwerkraft der Sonne angezogen und von der geraden Verbindungslinie abgelenkt (Bild 3; siehe auch Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1992, Seite 82).
Schwarzschild hatte zuvor schon als erster die Konsequenzen der allgemeinen Relativitätstheorie für die Geometrie der Raumzeit um ein Massenzentrum erfaßt. Wenige Wochen bevor er im Mai 1916 in Potsdam den Folgen einer Kriegsverletzung erlag, die er als Artillerieleutnant an der russischen Front erlitten hatte, vermochte er exakte Lösungen zu den von Einstein aufgestellten Gleichungen für den Fall eines nicht-rotierenden Schwarzen Loches anzugeben. Um den Einfluß der Gravitation auf die Lichtausbreitung zu berücksichtigen, muß man von der Minkowski- zu dieser Schwarzschild-Geometrie übergehen (Bild 11 und Titelbild).
Für unsere Computersimulationen bedeutet das, daß man nicht einfach – wie beim Ray-Tracing üblich – Geraden ausrechnen und die Schnittpunkte mit den in der Szenerie vorhandenen Objekten bestimmen darf, sondern jeden Lichtstrahl explizit in der gekrümmten Raumzeit verfolgen muß. Dazu haben wir moderne numerische Verfahren zur Lösung von Differentialgleichungen verwendet, die an die jeweils gewählte Geometrie angepaßt wurden. Auf diese Weise läßt sich der Anblick kompakter Objekte in den verschiedenen Geometrien simulieren. Diese Objekte können dabei beliebige Struktur aufweisen und beliebige Positionen in der Raumzeit einnehmen (diese müssen allerdings physikalisch sinnvoll sein; Positionen innerhalb des Schwarzschild-Radius sind also nicht erlaubt).
Bild 5 zeigt unsere Ergebnisse für eine homogene Materiescheibe, die ein massereiches Schwarzes Loch umgibt. Die Raumzeit ist rotationssymmetrisch um das Massenzentrum; die Lichtstrahlen werden zu diesem hin abgelenkt.
Beim Übergang von der Minkowski- zur Schwarzschild-Geometrie wird deutlich, daß der Beobachter durch die Lichtablenkung mehr sehen kann als zunächst vermutet (Bild 5 Mitte). Von einer Position schräg oberhalb der Scheibenebene aus vermag er sogar Bereiche der Scheibe zu erblicken, die sich relativ zu ihm hinter dem Schwarzen Loch befinden. Das von diesen Gebieten ausgesandte Licht nimmt er ober- und unterhalb des Schwarzschild-Radius wahr.
Diese Situation läßt sich leicht erklären: Das hinter dem Loch beispielsweise nach oben emittierte Licht wird durch die starke Gravitation zum Zentrum hin abgelenkt und erreicht den Beobachter auf einem parabelähnlichen Weg (Bild 4 oben).
Aber auch kompliziertere Strahlengänge sind möglich. So kann das Licht das Schwarze Loch sogar vollständig umrunden, bevor es schließlich dem Gravitationsfeld entweicht und zum Beobachter gelangt. Dieser nimmt folglich nicht nur das direkte Bild, sondern auch indirekte Bilder erster, zweiter und höherer Ordnung wahr (Bild 4 Mitte und unten). Im ersten indirekten Bild zum Beispiel sieht er die Unterseite der ihm zugewandten Hälfte der Scheibe (die normalerweise nicht beobachtbar wäre) oberhalb des Schwarzen Loches; analog dazu erscheint die untere Seite der hinteren Scheibenhälfte unterhalb des Loches (Bild 4 Mitte).
Die Schwarzschild-Geometrie gilt nur, wenn die zentrale Masse nicht rotiert. Hatte der kollabierende Stern einen Drehimpuls – was physikalisch sehr wahrscheinlich ist –, wird das Schwarze Loch ebenfalls rotieren. In diesem Falle muß man zu einer wesentlich komplizierteren Geometrie übergehen, die der neuseeländische Mathematiker Roy P. Kerr 1963 als Lösung von Einsteins Feldgleichungen formulierte.
In dieser Kerr-Geometrie wird sich am Erscheinungsbild der Materiescheibe nichts Wesentliches ändern; sie sieht im Prinzip ähnlich aus wie die um ein Schwarzschildsches Schwarzes Loch. Durch die Rotationsterme in den Gleichungen liegen jedoch die durch den Schwarzschild-Radius definierte Kugeloberfläche und der Ereignishorizont nicht mehr übereinander. Infolgedessen entsteht eine Asymmetrie um die Rotationsachse (Bild 5 unten). Rotiert das System Loch-Scheibe entgegen dem Uhrzeigersinn, wird das Bild nach rechts gestaucht; der höchste Punkt des aufgewölbten Scheibenbildes ist ebenfalls auf diese Seite verschoben. Durch die Rotation des Loches entsteht dort ein Mitnahmeeffekt, der die Lichtstrahlen stärker ablenkt als auf der linken Seite.
Auffallend ist zudem eine knickähnliche Struktur in der linken Hälfte des ersten indirekten Bildes. Wie in der Schwarzschild-Geometrie stammt das Licht dieses Bildes, das oberhalb des Ereignishorizonts sichtbar wird, von der vorderen Seite der Scheibe, und jenes, das unterhalb zu sehen ist, von der hinteren. Es gibt jedoch einen wichtigen Unterschied: Das Licht von der Vorderseite muß zur Hälfte um das Schwarze Loch herum und läuft dabei sehr nahe am Ereignishorizont entlang, wodurch auch das Bild dicht an dieser Grenze zu liegen kommt; für das Licht von der Rückseite der Scheibe verlaufen die Geodäten weiter vom Ereignishorizont entfernt, das Bild erscheint folglich weiter weg von ihm. Der Übergang zwischen diesen unterschiedlichen Lichtwegen findet genau an der linken und rechten Seite der Scheibe (relativ zum Beobachter) statt; wegen der durch die Rotation verursachten Asymmetrie ist er nun als Knick sichtbar.
Ein rotierendes Schwarzes Loch würde vermutlich auch eine elektrische Ladung aufweisen. In den Gleichungen wären dann zusätzlich zu den Rotations- auch Ladungsterme zu berücksichtigen. E. T. Newman von der Universität Pittsburgh (Pennsylvania) erweiterte damit die von Kerr eingeführte Beschreibung zur Kerr-Newman-Geometrie. An den Bildern würden dadurch jedoch keine signifikanten Veränderungen entstehen.
Führt man die Simulationen in Kerr-Geometrie für verschiedene Winkel zwischen Sichtlinie und Scheibenebene durch, läßt sich verdeutlichen, wie sich der Anblick der leuchtenden Materiescheibe bei einem Flug um das System verändern würde (Bild 2). Eine solche Mission wäre zwar in der Praxis nicht möglich; die Animation gibt jedoch eine Vorstellung davon, welche Bilder für einen beliebigen Beobachtungswinkel zu erwarten wären.
Interessant ist bei dieser Animation auch, wie sich das Abstrahlverhalten der Scheibe von Bild zu Bild ändert. Man berechnet dazu für jedes Teilbild den Gesamtstrahlungsfluß, indem man den aus jedem Punkt der Scheibe beobachteten Fluß über die gesamte Scheibenfläche integriert. Es zeigt sich, daß die Helligkeit der Scheibe, wenn man in ihre Ebene hineinblickt, viel größer ist als im gewöhnlichen Falle der Minkowski-Geometrie. Dieser Befund bedeutet, daß das bislang übliche Vorgehen bei der Modellierung von Materiescheiben um Schwarze Löcher unzureichend ist: Die Gesetze der allgemeinen Relativitätstheorie haben zur Folge, daß beim Blick auf die Kante des Systems ein erheblicher Teil der von der Scheibe emittierten Strahlung den Beobachter erreicht.
Schwarze Löcher als Gravitationslinsen
Auch die Lichtstrahlen eines weiter entfernten Objekts werden vom Gravitationsfeld des Schwarzen Loches abgelenkt, wenn sie es in ausreichender Nähe passieren. So wie die Sonne die Strahlen der Hintergrundsterne krümmt, würde ein Schwarzes Loch das Bild eines in Sichtlinie dahinter stehenden Himmelskörpers verzerren (Bilder 10 und 12). Weil die Effekte denen einer Linse in der geometrischen Optik vergleichbar sind, spricht man in diesem Falle von Gravitationslinsen.
Bereits der britische Physiker und Astronom Isaac Newton (1643 bis 1727), der 1666 das Gravitationsgesetz gefunden hatte, vermutete, Licht könne durch die Masse eines Körpers abgelenkt werden; allerdings schrieb er den von ihm angenommenen Lichtteilchen ebenfalls Masse zu. Erst die allgemeine Relativitätstheorie Einsteins beschrieb korrekt, wie die – masselosen – Photonen durch ein Gravitationsfeld abgelenkt werden. In den dreißiger Jahren erkannte Einstein, daß ein massereicher Stern das Licht eines genau hinter ihm stehenden zweiten Sternes derart ablenken würde, daß er sichtbar wäre – freilich nicht als Lichtpunkt, sondern als Ring um das punktförmige Bild des vorderen Sternes in seinem Zentrum.
Die Stärke dieses Linseneffekts ist nur von der Masse des ablenkenden Objekts abhängig. Selbst Galaxien können auf diese Weise als Linse wirken. Wegen der ausgedehnten Verteilung der in ihnen enthaltenen Sterne und Gaswolken entstehen dabei aber im allgemeinen mehrere Teilbilder der dahinter befindlichen Lichtquelle mit unterschiedlicher Helligkeit. Im Jahre 1979 fiel Dennis Walsh von der Universität Manchester (Großbritannien) und seinen Kollegen Robert F. Carswell und Ray J. Weyman auf, daß zwei Quasare mit sehr geringem Winkelabstand fast identische Spektren aufwiesen. Wie sich herausstellte, hatten sie keine kosmischen Zwillinge, sondern das erste Gravitationslinsensystem entdeckt – der Quasar erscheint nur deshalb doppelt, weil sein Licht von einer näher zur Erde stehenden Galaxie abgelenkt wird. (Spektrum der Wissenschaft, Januar 1981, Seite 12).
Heute sind viele Beispiele von Gravitationslinsen bekannt (Bild 13; siehe auch Spektrum der Wissenschaft, September 1988, Seite 104). Durch den Vergleich dieser Beobachtungen mit Computersimulationen wie unseren läßt sich bestätigen, daß die zugrundeliegenden Modelle die Wirklichkeit genau wiedergeben.
Literaturhinweise
– :
– Computer Graphics. Von J. D. Foley, A. van Dam, S. K. Feiner und J. F. Hughes. Addison Wesley, 1990.
– Gravitation und Raumzeit. Die vierdimensionale Ereigniswelt der Relativitätstheorie. Von John Archibald Wheeler. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1991.
– Accretion Power. Von J. Frank, A. King und D. Raine. Cambridge University Press, 1992.
– Black Holes. Von J.-P. Luminet. Cambridge University Press, 1992.
– Die Spezielle Relativitätstheorie. Von Hanns und Margret Ruder. Vieweg, Wiesbaden 1993.
– Bilder von Gravitationslinsen. Von Ulf Borgeest und Karl-Jochen Schramm in: Sterne und Weltraum, Januar 1995, Seiten 24 bis 31.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1995, Seite 56
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