Lichtleiter für Jedermann?
Optische Fasern sind das leistungsfähigste Übertragungsmedium für die Datenkommunikation, doch für den Privatanwender sind sie noch zu teuer. Das könnte sich aber bald ändern.
Was im Fernnetz recht ist, ist für den Haushalt leider nicht billig: Die meisten Unternehmen in der Kommunikationsbranche betreiben schnelle Glasfasernetze, um die enormen Datenströme zu bewältigen, doch die Ausfahrt zu den Kunden etwa in Haushalten und kleineren Firmen führt nach wie vor über Kupfer- und Koaxialkabel. Die "letzte Meile" bleibt ein Flaschenhals. Nur selten liegen auch dort Lichtleitungen, denn fiber-to-the-home-Technik ist sehr teuer. Allein die hohen Kosten für die Infrastruktur haben bislang den Ausbau des Fasernetzes bis in die Haushalte verhindert. Ein oder zwei Leitungen für jeden Kunden, dazu die Elektronik für das Senden und Empfangen von optischen Signalen, das kostet derzeit in den USA für ein typisches Vorstadthaus etwa 1500 Dollar, die Hälfte davon verschlingt allein die Elektronik. Zwar lag der Preis vor zehn Jahren noch bei 5000 Dollar, und er sinkt im gleichen Maße, wie sich die Technologie weiterentwickelt. Doch er übertrifft die Anschlußkosten für Kupfer- oder Koaxialkabel noch deutlich.
So viel zu den schlechten Nachrichten. Die Vorteile der Glasfaser sind aber so enorm, daß Lösungswege angebracht scheinen. Übertragungsraten von 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) locken, dazu eine Kapazität, die paralleles Übertragen unterschiedlicher Signale erlaubt, vom Telephon und Fernsehen über Videokonferenzen und Video-on-demand bis zu Telearbeit und Internet-Surfen.
Eine Faser für alle Aufgaben
Mehr als drei Dutzend Feldversuche und Installationen weltweit haben mittlerweile gezeigt, daß es durchaus wirtschaftliche Möglichkeiten gibt, auch Haushalte direkt ans Fasernetz anzuschließen (der erste Test fand bereits 1977 in Higashi-Ikoma in Japan statt). Da wäre vor allem das sogenannte passive optische Netzwerk zu nennen, kurz PON. Es verzichtet auf den teuren Einzelanschluß: Eine einzelne Faser führt von einer Sende- beziehungsweise Empfangseinheit beim Service Provider zu einem optischen Strahlteiler in der Nähe einer kleinen Häusergruppe; der teilt das informationstragende Licht gleichmäßig auf 16 oder 32 Ausgangsfasern auf, die dann die letzten Meter zurücklegen. Die Anlage beim Kunden filtert die für ihn bestimmten Daten heraus und macht aus dem optischen Signal ein elektrisches. Die International Telecommunication Union (ITU) hat 1998 Spezifikationen für derartige Netzwerke standardisiert. Diese Technik erleichtert die Internetanbindung ländlicher Haushalte, denn dort spielt die Leitungslänge eine geringere Rolle als bei Kupferkabeln, da optische Signale in Fasern nur wenig gedämpft werden.
PONs sind nicht allein deshalb kostengünstiger als die früheren Direktanschluß-Systeme, weil sie die Kosten verteilen, auch eigens entwickelte Laser, optische Komponenten, Faserkabel und digitale Schaltungen senken die Preise. Allerdings lassen sich nicht alle finanziellen Lasten umlegen, etwa die für Strahlteiler oder Wandler.
Die Organisation des digitalen Datenverkehrs in optischen Netzen stellt besondere Anforderungen, denn eine einzelne Faser soll ja zur gleichen Zeit die unterschiedlichsten Signaltypen verarbeiten. Sprache und Video erfordern aber nahezu konstante Datenraten, wohingegen Datentransfer und E-Mail auch mit variablen funktionieren.
Verschiedene Techniken packen nun die unterschiedlichen Datenqualitäten beziehungsweise Dienste in die verfügbare Bandbreite. Beispielsweise nutzt das von der ITU spezifizierte Netzwerk den sogenannten Asynchronen Transfer Mode (ATM), der eigens entwickelt wurde, um einen Datenmix effizient zu handhaben. Ethernet, ein nun schon länger bewährtes Übertragungs-Protokoll, ist zwar für die Übertragung von Sprach- und Videodaten nicht so gut geeignet, dafür aber leichter verfügbar als ATM, denn kostengünstige Erweiterungskarten für Personalcomputer sind weit verbreitet.
Sind die verschiedenen Datenqualitäten effizient miteinander verbunden, muß der eigentliche Transfer zu den Empfängern ebenfalls organisiert werden. "Multiplex"-Verfahren kombinieren an mehrere Empfänger gerichtete Signale. Das verbreitete "frequenz-orientierte Multiplexen" (FDM) beispielsweise erzeugt in einer einzelnen Faser viele Übertragungskanäle, indem es einen Lichtstrahl mit unterschiedlichen Frequenzen moduliert. Die fortschrittlichsten PONs werden aber das wellenlängen-orientierte Multiplexen verwenden, das jedem Kunden eine eigene Frequenz zuteilt, also mehrere Laserstrahlen als Trägerwellen bereitstellt. Noch sind die meisten entsprechenden Geräte zu teuer, aber auch diese Kosten werden stark fallen, da die Technik in den Kernnetzen bereits häufig eingesetzt wird.
PONs wurden bereits in England, Frankreich, Belgien, Japan und auf den Bermudas getestet, auch Deutschland war schon an entsprechenden Entwicklungsprojekten beteiligt. BellSouth und das größte japanische Telekommunikationsunternehmen NTT installieren derzeit erste Produkte, die mit dem ITU-Standard kompatibel sind. Frequenz-orientierte Multiplex-Fasersysteme sind in einigen ländlichen Gemeinden des Mittleren Westens der USA in Betrieb und liefern den Kunden dort Telephon, Fernsehen und Internet-Dienste. Dort ist fiber-to-the-home bereits wirtschaftlicher als konventionelle Netze. Auch kleinere Unternehmen erwägen deshalb nun den Schritt zum direkten Faseranschluß.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 2000, Seite 86
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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