Krebsimmuntherapie I: Liveschaltung zum Tumor
Auf seinem Computerbildschirm bewegt sich Mark Headley durch eine Landschaft aus Lungenzellen einer Maus. Das Tier lebt, es atmet. Eine Steuerungssoftware korrigiert fortwährend die Einstellungen des Mikroskops und hält die Bilder trotz der raschen Bewegungen des Körpers scharf. Headley ist Immunologe an der University of California in San Francisco (UCSF). Er erklärt die Strukturen auf dem Monitor: Rundliche schwarze Bereiche sind luftgefüllte Lungenbläschen, Strukturproteine erscheinen als blau leuchtende Fäden in den Zellen, dank fluoreszierender Farbstoffe. Gruppen von Blutplättchen, ebenfalls farbmarkiert, formen rötliche röhrenartige Gebilde in den Gefäßen. So weit, so normal.
Dann schiebt sich plötzlich, wie ein Monster in einem B-Movie, ein unförmiger neongrüner Klumpen ins Bild: eine Krebszelle. Die Kreatur streckt sich. "Offenbar versucht die Zelle, das Blutgefäß zu verlassen", erläutert der Leiter von Headleys Arbeitsgruppe, Matthew Krummel. Grüne Fragmente lösen sich. Krummels Team kann noch nicht erklären, was hier gerade geschieht – vielleicht stirbt die Krebszelle ab oder sendet Signale an das Immunsystem. Oder sie tut etwas völlig anderes.
Krummel und weitere Immunologen machen Filme solcher Vorgänge, um besser zu begreifen, wie das Immunsystem auf Krebszellen reagiert. Wollten sie das anhand der üblichen Einzelbilder verstehen, wäre es, als wollte man Fußballregeln aus einem Schnappschuss von Spielern auf dem Rasen ableiten, bemerkt Thorsten Mempel vom Massachusetts General Hospital in Boston. Indem sie Zellen und Moleküle mit bewegten Bildern darstellen, beginnen die Forscher, ihr Zusammenspiel zu verstehen. Sie sehen nicht nur, wie stark ein Tumor wächst oder schrumpft, sondern alles, was dazu führte. "Wenn wir die Spielregeln verstehen", erklärt Mempel, "können wir den Verlauf der Partie zu unseren Gunsten beeinflussen." ...
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