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Kirchengeschichte: Luthers Wurzeln im späten Mittelalter

Die Reformation kam nicht wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Martin Luther hat Spannungen, die sich zu seiner Zeit bereits aufgebaut hatten, aufgegriffen und transformiert – mit gewaltigen Folgen.
Martin Luthers Auftritt auf dem Reichstag zu Worms, vom Historienmaler Hermann Freihold Plüddemann (1809–1868) Mitte des 19. Jahrhunderts dargestellt.

Gerne stellt man sich die Reformation als einen radikalen Bruch mit dem Vergangenen vor: Martin Luther hat bildlich gesprochen mit wuchtigen Hammerschlägen das Mittelalter beendet. Nun ist das mit den Metaphern so eine Sache. In der Realität hat wohl nicht einmal der Thesenanschlag tatsächlich stattgefunden, und der "Bruch" mit dem Mittelalter sieht bei genauerem Hinsehen auch wesentlich anders aus.

Ohne Zweifel hat die Reformation die damalige Welt verändert, mit weit reichenden Konsequenzen. Die konfessionelle Landkarte prägte auf Jahrhunderte hinaus das politische und soziale Leben in Deutschland, und die Auswirkungen dieser Entwicklungen spiegeln sich noch heute in gesellschaftlichen Debatten. Da liegt die Vorstellung nahe, Luther müsse eine radikale Abkehr vom Überkommenen vollzogen haben. Es drängt sich der Gedanke auf, alle vorherigen Ideen seien rückständig gewesen – "finsterstes Mittelalter" eben.

Wissenschaftlich ist dieser Mythos längst überwunden. Und wie auch ohne Geschichtsstudium einleuchtet, kann ein Zeitalter, das prachtvolle Kathedralen, die hochkomplexe Weiterentwicklung der aristotelischen Philosophie und literarische Kunstwerke wie das Nibelungenlied hervorgebracht hat, so finster nicht gewesen sein. Gleichwohl wirkt die negative Einschätzung dieser Epoche bis in moderne Forschungsansätze hinein fort. Und ob ein Historiker das späte Mittelalter eher als eine Zeit der Blüte oder des massiven Niedergangs ansah, hing nicht selten von seiner Konfession ab ...

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  • Quelle

Leppin, V.: Die fremde Reformation. Luthers mystische Wurzeln. C.H.Beck, München 2017

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