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Astrophysik: Magnetare

Manche Neutronensterne haben derart starke Magnetfelder, dass sich auf ihnen höchst seltsame Ereignisse abspielen: Wie bei einem Erdbeben reißt ihre Oberfläche auf und setzt dabei gewaltige Energiemengen frei.


Montag, 5. März 1979. Die sowjetischen Raumsonden Venera-11 und -12, die vor wenigen Monaten Kapseln in die giftige Atmosphäre der Venus abgesetzt haben, ziehen auf elliptischen Bahnen durch das innere Sonnensystem. Ihre Reise ist bislang ohne größere Vorkommnisse verlaufen, und die Strahlungsmessgeräte auf beiden Sonden registrieren wie üblich um die hundert Ereignisse pro Sekunde. Aber um 16.51 Uhr MEZ schießt die Zählrate im Bruchteil einer Millisekunde auf über 200000 pro Sekunde und damit über den anzeigbaren Messbereich hinaus: Ein heftiger Gammastrahlungspuls hat die Sonden getroffen.

Elf Sekunden später überfluten Gammastrahlen die amerikanisch-deutsche Sonde Helios-2, die ebenfalls die Sonne umkreist. Offenbar durchquert eine ebene Wellenfront aus sehr energiereicher Strahlung das Sonnensystem. Als Nächstes trifft die Front den Orbiter der US-Sonde Pioneer-Venus, der sich in einer Umlaufbahn um unseren inneren Nachbarplaneten befindet, und treibt dessen Strahlungssensoren in die Sättigung. Und Sekunden später erreichen die Gammastrahlen die Erde. Die Detektoren auf drei Vela-Satelliten des US-Verteidigungsministeriums werden ebenso überflutet wie der sowjetische Satellit Prognos-7 und der US-Röntgensatellit Einstein. Und bevor der Gamma-Puls das Sonnensystem verlässt, trifft er auch noch den International Sun-Earth Explorer.

Dieser Puls aus besonders energiereicher – "harter" – Gammastrahlung ist hundertmal intensiver als jeder andere zuvor beobachtete Strahlenschauer, der das Sonnensystem durchdrang, und er dauert nur eine fünftel Sekunde. Niemand bemerkt etwas davon, und das Leben auf der Erde geht – unter der schützenden Atmosphäre – seinen gewohnten Gang. Auch alle zehn Satelliten überstehen den Schock ohne bleibende Schäden. Dem harten Puls folgt ein schwächeres Nachglühen aus weniger energiereicher – "weicher" – Gammastrahlung und Röntgenstrahlung, das in den nächsten drei Minuten beständig abnimmt. Und während das Signal verblasst, variiert seine Stärke mit einer Periode von acht Sekunden. Vierzehneinhalb Stunden später, um 7.17 Uhr am 6. März, kommt von derselben Stelle am Himmel ein weiterer, schwächerer Ausbruch von Röntgenstrahlung.In den folgenden vier Jahren sichteten Jewgenij P. Masez vom Ioffe-Institut in St. Petersburg und seine Gruppe 16 Ausbrüche unterschiedlicher Stärke aus derselben Richtung. Aber keiner dieser Schauer erreichte die Intensität oder Dauer wie das Ereignis vom 5. März.

Die Astronomen hatten so etwas noch nie erlebt. Mangels besserer Ideen wurden die Ausbrüche zunächst in dieselben Kataloge aufgenommen wie die besser bekannten Gamma-Ray Bursts (GRBs), auch wenn sie sich klar in mehreren Aspekten davon unterschieden. Mitte der 1980er Jahre gewahrte Kevin C. Hurley von der Universität von Kalifornien in Berkeley, dass ähnliche Ausbrüche auch von zwei anderen Stellen am Himmel kamen. Offenbar wiederholten diese Quellen ihre Ausbrüche – ganz im Gegensatz zu den GRBs, die genau einmal auftreten (siehe "Die stärksten Explosionen im Universum", Spektrum der Wissenschaft 3/2003, S. 48). Auf einer Konferenz im Juli 1986 im französischen Toulouse einigten sich die Beobachter auf die ungefähren Positionen der drei Quellen am Himmel und nannten sie "Soft Gamma Repeaters" (SGRs). Die Kürzelsprache der Astronomen hatte weiteren Zuwachs bekommen.

Heller als Millionen Sonnen

Weitere sieben Jahre vergingen, bis zwei von uns (Duncan und Thompson) schließlich eine Erklärung für diese seltsamen Objekte vorschlugen. Und es sollte bis 1998 dauern, bis die Dritte von uns (Kouveliotou) mit ihrem Team überzeugende Belege für dieses Modell fand. Beobachtungen der letzten Zeit verbinden unsere Theorie sogar mit einer weiteren Klasse kosmischer Rätsel, den "anomalen Röntgen-Pulsaren" (Anomalous X-Ray Pulsars, AXPs). Diese Entwicklungen haben zu einem Durchbruch im Verständnis einer äußerst exotischen Objektklasse im Universum geführt, der Neutronensterne. Von allen bekannten Himmelskörpern haben Neutronensterne die höchste Dichte: In einer Kugel von nur zwanzig Kilometer Durchmesser ist etwas mehr als die Masse unserer Sonne hineingepackt. Den Untersuchungen von SGRs zufolge scheinen manche Neutronensterne derart starke Magnetfelder zu haben, dass sie die Materie in sich wie auch den Zustand des Quantenvakuums in ihrer Umgebung grundlegend verändern – was wiederum physikalische Effekte hervorruft, die nirgendwo sonst im Universum zu beobachten sind.

Da der Ausbruch vom März 1979 so stark gewesen war, vermuteten die Theoretiker zunächst, die Quelle müsse sich in unserer galaktischen Nachbarschaft befinden, höchstens einige hundert Lichtjahre von der Erde entfernt. In diesem Falle hätte die Intensität der Röntgen- und Gammastrahlung knapp unter der theoretischen Grenze für die typische Dauerleuchtkraft eines Sterns gelegen. Dieser Maximalwert, den der englische Astrophysiker Arthur Eddington 1926 abgeleitet hatte, wird vom Druck der Strahlung bestimmt, die durch die heißen äußeren Schichten des Sterns strömt: Wäre der Strahlungsdruck noch ein wenig höher, dann würde er die Schwerkraft übersteigen, ionisiertes Gas fortblasen und den Stern insgesamt destabilisieren. Emissionsstärken unterhalb dieser Eddington-Grenze wären ziemlich leicht zu erklären gewesen. Mehrere Theoretiker schlugen zum Beispiel vor, ein Ausbruch könne durch einen Materiebrocken wie etwa einen Asteroiden oder Kometen hervorgerufen werden, der auf einen Neutronenstern stürzt.

Aber die Beobachtungen zeigten etwas anderes. Jede Raumsonde hatte die Ankunftszeit des harten Anfangspulses registriert, sodass sich seine Herkunftsrichtung ermitteln ließ. Eine Gruppe um Thomas Lytton Cline vom Goddard-Raumflugzentrum der Nasa stellte fest, dass in dieser Richtung die Große Magellansche Wolke stand, ein kleines Sternsystem in 170000 Lichtjahren Entfernung. Die Position des Ausbruchs fiel mit einem jungen Supernovarest zusammen, den Überbleibseln eines Sterns, der vor fünftausend Jahren explodiert war. Sofern diese Übereinstimmung kein Zufall war, musste die Quelle tausendmal weiter entfernt sein als die Theoretiker gemutmaßt hatten – und somit eine Million Mal heller als die Eddington-Grenze. In einer fünftel Sekunde hatte das Ereignis vom 5. März so viel Energie ausgestrahlt wie die Sonne in zehntausend Jahren – und das konzentriert in Form von Gammastrahlung und nicht über das gesamte Spektrum verteilt.

Kein gewöhnlicher Stern vermag eine solche Energiemenge freizusetzen. Demnach musste die Quelle ein exotisches Objekt sein – ein Schwarzes Loch etwa oder ein Neutronenstern. Ersteres schied jedoch aus, weil die Strahlung mit einer Periode von acht Sekunden fluktuiert: Ein strukturloses Schwarzes Loch kann keine regelmäßigen Pulse erzeugen. Die Verbindung mit einem Supernovarest sprach indes für einen Neutronenstern: Er entsteht, wenn ein massereicher Stern seinen Brennstoff verbraucht hat. Der Kern kollabiert dann unter seiner eigenen Schwerkraft, was eine heftige Supernova-Explosion auslöst.

Mit der Identifikation der Quelle als Neutronenstern war das Rätsel aber nicht gelöst – im Gegenteil, es wurde nur noch größer. Die Astronomen kannten bereits mehrere Neutronensterne in Supernovaresten: Sie machten sich als Pulsare bemerkbar, die in regelmäßiger Folge Radiopulse aussenden. Aber der Burster vom März 1979 drehte sich mit seiner scheinbaren Rotationsperiode von acht Sekunden viel langsamer als jeder damals bekannte Radiopulsar. Selbst wenn er keine Ausbrüche zeigte, strahlte er immer noch mehr Röntgenleistung ab, als allein die Rotation eines Neutronensterns liefern könnte. Zudem saß der Stern nicht in der Mitte des Supernovarests: Wenn er dort entstanden war, dann musste er mit etwa tausend Kilometer pro Sekunde davongeschossen sein. Solch eine hohe Raumgeschwindigkeit galt als ungewöhnlich für einen Neutronenstern.

Und schließlich entzogen sich auch noch die Ausbrüche selbst einer Erklärung. Röntgenblitze waren zwar schon bei einigen Neutronensternen gesehen worden, aber sie gingen nie weit über die Eddington-Grenze hinaus. Man schrieb sie der thermonuklearen Verschmelzung von Wasserstoff oder Helium zu oder dem plötzlichen Sturz von Materie auf den Stern. Die Ausbrüche der SGRs waren indes so außerordentlich hell, dass ein neuartiger physikalischer Mechanismus gefunden werden musste.

Gigantische "Sternbeben"

Der letzte Ausbruch der Quelle vom März 1979 wurde im Mai 1983 registriert; in den zwanzig Jahren seither hat es keinen weiteren gegeben. Zwei andere SGR, beide in unserem Milchstraßensystem gelegen, sind 1979 ebenfalls zum ersten Mal aufgetaucht und seither aktiv geblieben; Hunderte von Ausbrüchen wurden bereits gezählt. Ein vierter SGR wurde 1998 entdeckt. Drei dieser vier Objekte sind offenbar mit Supernovaresten assoziiert. Zwei liegen auch in der Nähe sehr dichter Haufen massereicher junger Sterne, was dafür spricht, dass die SGR aus solchen Sternen hervorgehen. Ein fünfter SGR-Kandidat ist bisher nur zweimal ausgebrochen, und seine Position ist noch nicht genau genug bekannt.

Erstaunlicherweise zeigen die Ausbrüche von SGRs eine gewisse Ähnlichkeit mit Erdbeben. Eine Gruppe um Baolian L. Cheng am Los-Alamos-Nationallaboratorium hat sich nämlich die Statistik beider Phänomene näher angesehen und herausgefunden, dass die Energien sehr ähnlich verteilt sind: Je geringer die Energie der Ereignisse, desto häufiger treten sie auf. Auch andere statistische Eigenschaften teilen die Bursts mit Erdbeben, wie unser Doktorand Ersin Gögüs belegen konnte. Hier macht sich "selbst organisierte Kritizität" bemerkbar: Ein zusammengesetztes System erreicht einen kritischen Zustand, in dem schon eine kleine Störung eine Kettenreaktion auslösen kann. Solch ein Verhalten findet man in ganz verschiedenen Systemen – in aufgehäuftem Sand, der unvermittelt abrutscht, ebenso wie in magnetischen Ausbrüchen auf der Sonne. Aber warum sollte sich ein Neutronenstern so verhalten? Die Lösung fand sich bei Untersuchungen an Pulsaren, die man allgemein als rasch rotierende Neutronensterne mit starken Magnetfeldern ansieht. Das Magnetfeld wird dabei durch elektrische Ströme tief im Stern hervorgerufen und rotiert mit ihm. Dabei senden die Magnetpole Radiowellen aus, die wegen der Rotation des Sterns wie die Lichtkegel eines Leuchtturms durch den Raum streichen. Ein Beobachter, der von den Strahlungskegeln erfasst wird, nimmt sie als regelmäßig wiederkehrende Blitze wahr. Der Pulsar bläst auch einen Wind aus geladenen Teilchen und elektromagnetischen Wellen niedriger Frequenz ab, der Energie und Drehimpuls fortträgt. Infolgedessen nimmt die Umdrehungsrate allmählich ab.

Der vielleicht berühmteste Pulsar befindet sich inmitten des Krebsnebels, des Überrests einer Supernova-Explosion im Jahr 1054. Der Pulsar rotiert mit einer Periode von 33 Millisekunden, wobei dieser Wert um 1,3 Millisekunden pro Jahrhundert zunimmt. Extrapoliert man dies zurück, dann muss die Periode anfangs 20 Millisekunden betragen haben. Irgendwann in ferner Zukunft dürfte die Rotationsgeschwindigkeit so weit abgenommen haben, dass die kinetische Energie nicht mehr für die Erzeugung der Radiopulse ausreicht. Die Abbremsrate ist für fast alle Pulsare gemessen worden, und der Theorie zufolge sollte sie von der Stärke des Magnetfelds abhängen: Für junge Radiopulsare erhält man Werte zwischen 1012 und 1013 Gauß. Zum Vergleich: Ein Magnet, wie er an haushaltsüblichen Magnettafeln benutzt wird, hat ein Feld von etwa 100 Gauß.

Die stärksten Magnetfelder im ganzen Universum ...

Eine grundlegende Frage ist noch offen: Woher stammt das Magnetfeld eigentlich? Man könnte vermuten, dass es ein Relikt des Vorläufersterns ist, also aus der Zeit vor der Supernova-Explosion. Alle Sterne haben schwache Magnetfelder, und diese Felder können durch Kompression verstärkt werden. Gemäß der Maxwell-Gleichungen des Elektromagnetismus vervierfacht sich die Feldstärke, wenn ein magnetisiertes Objekt auf die Hälfte schrumpft. Der Kern eines massereichen Sterns kollabiert bei der Umwandlung in einen Neutronenstern auf ein Hunderttausendstel: Das Magnetfeld sollte mithin um den Faktor Zehnmilliarden stärker werden. Wenn das Feld des Kerns ausreichend stark gewesen wäre, dann könnte diese Kompression den Magnetismus der Pulsare erklären.

Leider kann man das Magnetfeld tief im Innern eines Sterns nicht messen und diese Hypothese mithin auch nicht testen. Es ist aber zu vermuten, dass Kompression nur ein Teil der Geschichte ist. Im Innern eines Sterns kann Gas durch Konvektion in Bewegung geraten: Heiße Bereiche aus ionisiertem Gas steigen auf, kühlere sinken ab. Weil ionisiertes Gas – ein so genanntes Plasma – Elektrizität gut leitet, werden magnetische Feldlinien mit dem Gas mitgeführt. Das Feld kann dadurch umgestaltet und unter Umständen auch verstärkt werden. Dieses Phänomen ist als Dynamoeffekt bekannt und gilt als Ursache der Magnetfelder von Sternen und Planeten. Ein Dynamo kann in jeder Entwicklungsphase eines massereichen Sterns funktionieren, solange das turbulente Innere schnell genug rotiert. Und während einer kurzen Phase nach der Verwandlung des stellaren Kerns in einen Neutronenstern ist die Konvektion besonders stark.

Das haben erstmals Adam Burrows von der Universität von Arizona und James M. Lattimer von der Staats-Universität von New York in Stony Brook 1986 mit Computersimulationen gezeigt: Die Temperatur in einem gerade entstandenen Neutronenstern erreicht demnach 30 Milliarden Kelvin. Heißes Kerngas kreist in zehn Millisekunden oder weniger und enthält eine enorme kinetische Energie. Innerhalb von etwa zehn Sekunden kommt die Konvektion zum Erliegen. Im Jahr darauf rechneten die zwei Theoretiker unter uns (Duncan und Thompson) aus, was diese furiose Konvektion für den Magnetismus eines Neutronensterns bedeutet. Die Sonne, die eine sehr gemäßigte Version desselben Vorgangs erlebt, möge hier als Anhaltspunkt dienen. Während das solare Gas zirkuliert, reißt es die Magnetfeldlinien mit und verliert etwa zehn Prozent seiner kinetischen Energie an das Feld. Wenn genau dasselbe in einem gerade entstandenen Neutronenstern abliefe, dann würde sein Feld auf über 1015 Gauß anschwellen, tausendmal stärker als bei den meisten Radiopulsaren beobachtet.

Ob der Dynamo global funktioniert (und nicht nur in begrenzten Gebieten), hängt davon ab, ob die Rotationsrate des Sterns mit der Konvektionsrate vergleichbar ist. Tief im Innern der Sonne sind die beiden Raten ähnlich, und das Magnetfeld kann sich auf großen Skalen selbst organisieren. Entsprechend sollte ein Neutronenstern, der bei seiner Entstehung schneller rotiert als mit der Konvektionsperiode von zehn Millisekunden, ein weit verteiltes, ultrastarkes Magnetfeld ausbilden können. 1992 gaben wir diesen hypothetischen Neutronensternen einen Namen: "Magnetare".

Die Obergrenze für den Magnetismus von Neutronensternen liegt bei etwa 1017 Gauß. Jenseits davon würde sich das Gas innerhalb des Sterns durchmischen und das Feld abbauen. Kein bekanntes Objekt im Universum kann stärkere Magnetfelder erzeugen oder erhalten. Eine indirekte Folge unserer Rechnungen ist, dass Pulsare Neutronensterne sind, bei denen der großskalige Dynamo versagt hat. Im Krebspulsar zum Beispiel hatte der Dynamo nie eine Chance anzuspringen, weil die Umlaufperiode mit anfangs zwanzig Millisekunden schon viel länger war als die Konvektionsrate.

Das Konzept der Magnetare hatten wir zwar nicht entwickelt, um die SGR zu erklären, aber die Bedeutung dafür wurde uns bald klar. Das Magnetfeld sollte auf die Rotation des Magnetars wie eine Bremse wirken. Innerhalb von fünftausend Jahren würde ein Feld von 1015 Gauß die Umlaufperiode auf acht Sekunden erhöhen – das würde genau die Oszillationen erklären, die beim Ausbruch vom März 1979 beobachtet wurden.

Während sich das Feld entwickelt, ändert es seine Gestalt und treibt elektrische Ströme entlang der Feldlinien außerhalb des Sterns an. Diese Ströme aus geladenen Teilchen erzeugen wiederum Röntgenstrahlung. Zugleich verbiegt und verzerrt das Magnetfeld die feste Kruste des Magnetars, die es durchdringt. Dadurch heizt sich das Sterninnere auf – und gelegentlich bricht die Kruste, sodass es zu einem mächtigen "Sternbeben" kommt. Dabei wird magnetische Energie freigesetzt, wodurch eine dichte Wolke aus Elektronen und Positronen entsteht und ein Blitz aus weicher Gammastrahlung abgestrahlt wird: Das erklärt die schwächeren Ausbrüche, die den SGRs ihren Namen gegeben haben.

... rufen eine seltsame Physik hervor

Weniger häufig kommt es aber vor, dass das Magnetfeld instabil wird und sich in großem Stil umorganisiert. Ähnliche – aber viel kleinere Umwälzungen – gibt es zuweilen auf der Sonne, wo sie zu den Flares führen. Die Energie eines Magnetars reicht ohne weiteres aus, um einen gewaltigen Flare wie das Ereignis vom März 1979 hervorzurufen. Der Theorie zufolge sollte die Abstrahlung während der ersten halben Sekunde dieses enormen Ausbruchs von einem expandierenden Feuerball stammen. 1995 schlugen wir vor, dass ein Teil des Feuerballs von den Magnetfeldlinien nahe dem Stern festgehalten wurde. Dieser Teil wäre dann allmählich geschrumpft und verdampft, wobei er die ganze Zeit über im Röntgenbereich strahlte. Aus der freigesetzten Energie berechneten wir die Magnetfeldstärke, die nötig ist, den enormen Druck des Feuerballs zu kompensieren: mehr als 1014 Gauß. Dieser Wert steht im Einklang mit der Feldstärke, die sich aus der Abbremsung der Rotation ergibt.

Eine unabhängige Abschätzung der Feldstärke hatte schon 1992 Bohdan Paczyski in Princeton geliefert: Ihm war aufgefallen, dass Röntgenstrahlung leichter durch eine Elektronenwolke dringt, wenn die geladenen Teilchen in ein sehr starkes Magnetfeld eingebettet sind. Damit die Röntgenstrahlung während des Ausbruchs so intensiv sein konnte, musste das Magnetfeld stärker als 1014 Gauß gewesen sein.

Testen des Modells

Die Theorie ist allerdings heikel, denn damit wären die Felder stärker als die quantenelektrodynamische Grenze von 4 × 1013 Gauß. In solch enormen Feldern gehen seltsame Dinge vor. Röntgenquanten spalten sich plötzlich in zwei, oder zwei verschmelzen zu einem. Das Vakuum selbst ist polarisiert und wird stark doppelbrechend, ähnlich wie ein Calcitkristall. Atome werden in lange Zylinder verformt, die dünner sind als die quantenrelativistische Wellenlänge eines Elektrons (siehe Kasten rechts). All diese seltsamen Phänomene sollten beobachtbare Spuren auf Magnetaren hinterlassen.

Während diese theoretischen Vorstellungen langsam vorankamen, versuchten die Beobachter noch immer, die Himmelsobjekte aufzuspüren, die hinter den Ausbrüchen steckten. Die erste Möglichkeit ergab sich im Oktober 1993, als das Compton Gamma Ray Observatory der Nasa einen Gammastrahlungsausbruch registrierte. Darauf hatte Kouveliotou nur gewartet, seit sie zum Compton-Team gestoßen war. Der Detektor konnte die Position des Bursts allerdings nur vage angeben. Unterstützung kam von japanischen Kollegen, die den Röntgensatelliten ASCA betrieben. Dieser fand in der fraglichen Himmelsgegend eine Röntgenquelle, die eine Weile konstant leuchtete und dann erneut ausbrach: Es war ein SGR, und zwar einer, den man schon von 1979 her kannte und der die Katalogbezeichnung SGR 1806-20 trug. Jetzt ließ sich seine Position genauer angeben, und er konnte im gesamten elektromagnetischen Spektrum überwacht werden.

Den nächsten Fortschritt gab es zu verzeichnen, als die Nasa 1995 den Rossi X-Ray Timing Explorer (RXTE) startete. Dieser Satellit kann die Intensitätsschwankungen von Röntgenquellen mit hoher Zeitauflösung verfolgen. Mit seiner Hilfe zeigte Kouveliotou, dass SGR 1806-20 mit einer Periode von 7,47 Sekunden oszillierte – erstaunlich nahe an der 8,0-Sekunden-Periode des Bursts vom März 1979. Innerhalb von fünf Jahren nahm die Rotationsgeschwindigkeit des SGRs um rund ein Fünfhundertstel ab. Diese Abbremsung mag gering erscheinen, doch ist sie stärker als bei jedem Radiopulsar. Und sie impliziert ein Magnetfeld von fast 1015 Gauß.

Um aber das Magnetar-Modell genauer testen zu können, benötigten die Astronomen einen zweiten Riesen-Flare. Der Himmel spielte mit: Am 27. August 1998 spülte eine noch intensivere Welle von Gamma- und Röntgenstrahlung über die Erde hinweg als 19 Jahre zuvor bei dem Ausbruch, der die SGR-Forschung begründet hatte. Diesmal wurden die Detektoren von sieben Satelliten bis an ihre Messgrenze oder darüber hinaus getrieben. Das Gammastrahlen-Spektrometer auf der Raumsonde NEAR (Near Earth Asteroid Rendezvous) fiel sogar für eine Stunde aus. Die Gammastrahlen trafen die Erde auf der Nachtseite, und die Quelle stand von der Mitte des Pazifischen Ozeans aus gesehen im Zenit.

Wie es der Zufall wollte, sammelten in diesem Moment der Elektroingenieur Umran S. Inan und seine Kollegen von der Stanford-Universität Daten über die Ausbreitung sehr niederfrequenter Radiowellen rund um die Erde. Um 3.22 Uhr Pazifischer Sommerzeit (12.22 Uhr MESZ) bemerkten sie eine abrupte Veränderung in der ionisierten oberen Atmosphäre. Der untere Rand dieser Ionosphäre sank für fünf Minuten von 85 auf 60 Kilometer. Es ist schon erstaunlich: Diesen Effekt auf unseren Planeten verursachte ein Neutronenstern, der rund 20000 Lichtjahre entfernt ist. Ähnlich starke Auswirkungen auf die Ionosphäre hat sonst nur die aufgehende Sonne.

Magnetare stecken auch hinter anderen Himmelsobjekten

Der Flare vom 27. August erwies sich als fast perfekte Kopie des Ereignisses vom März 1979. Absolut gesehen war er nur ein Zehntel so stark gewesen, aber weil die (ebenfalls seit 1979 bekannte) Quelle mit der Katalogbezeichnung SGR 1900+14 der Erde näher stand, wurde der Ausbruch zum stärksten, der je gemessen wurde. Die letzten Minuten des Ausbruchs zeigten auffällige Pulsationen, mit einer Periode von 5,16 Sekunden, und schon seit April 1998, als SGR 1900+14 wieder aktiv geworden war, war diese Periode in Satellitenmessungen angedeutet gewesen. Kouveliotou und ihr Team maßen mit dem RXTE die Abbremsrate: Sie war ähnlich groß wie bei SGR 1806-20, was auf ein vergleichbares Magnetfeld hinwies. Ein weiterer SGR wurde damit als Magnetar eingestuft.

Da die Position der SGRs über ihre Röntgenstrahlung präzise bestimmt werden konnte, können sie nun auch im Radiobereich und im Infraroten untersucht werden (allerdings nicht im sichtbaren Licht, das von interstellarem Staub absorbiert wird). Andere Beobachtungen haben gezeigt, dass die SGR auch zwischen den Ausbrüchen Energie freisetzen, allerdings vergleichsweise wenig. Doch immerhin steckt in diesem Röntgenglühen zehn- bis hundertmal mehr Leistung, als die Sonne im sichtbaren Licht ausstrahlt.

Im Grunde sind die Magnetfelder der Magnetare bereits besser untersucht als die der Pulsare. Im Falle von einzeln stehenden Pulsaren liefert die Abbremsrate ihrer Rotation praktisch den einzigen Hinweis auf Feldstärken von bis zu 1012 Gauß. Für Magnetare hingegen ergibt die Kombination aus Bremsrate und hellen Röntgenflares mehrere unabhängige Indizien für Feldstärken von 1014 bis 1015 Gauß. Und vor kurzem berichteten Alaa Ibrahim vom Goddard-Raumflugzentrum der Nasa und seine Koautoren sogar noch über einen weiteren Hinweis: Bestimmte Röntgenlinien, mit dem Satelliten RXTE registriert, scheinen von Protonen herzurühren, die in einem Feld von 1015 Gauß herumschwirren.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Magnetare außer mit den SGRs noch mit anderen kosmischen Phänomenen verwandt sind. Kandidaten hierfür sind beispielsweise die besonders kurzen Gammastrahlungsausbrüche. Möglicherweise sind einige von ihnen auf Flares zurückzuführen, die sich auf Magnetaren in fernen Galaxien ereignen. Wegen der enormen Entfernung würde nämlich selbst ein gigantischer Ausbruch kaum über der Nachweisgrenze heutiger Teleskope liegen. Nur der harte, intensive Gammapuls ganz am Anfang des Flares wäre mit geeigneten Detektoren als Gamma-Ray Burst zu entdecken.

Variation im Gleichtakt

Thompson und Duncan mutmaßten Mitte der 1990er Jahre, dass Magnetare auch die anomalen Röntgen-Pulsare, die AXPs, erklären könnten. Diese Objektklasse ähnelt den SGRs in mehrfacher Hinsicht, doch war lange Zeit kein Ausbruch eines AXPs bekannt. Inzwischen aber konnte ein Team der McGill-Universität bei zwei der sieben bekannten AXPs solche Bursts sichten. Eines dieser Objekte ist mit einem jungen Supernovarest im Sternbild Cassiopeia verknüpft.

Ein weiterer AXP in diesem Sternbild ist der erste Magnetar-Kandidat, der auch im sichtbaren Licht identifiziert wurde. Die optische Helligkeit variiert im Gleichtakt mit der Röntgenhelligkeit des Neutronensterns. Diese Beobachtungen weisen auf einen Magnetar hin und widersprechen einer anderen Erklärung, derzufolge AXPs gewöhnliche, von einer Materiescheibe umgebene Neutronensterne sein könnten.

Die kürzlichen Entdeckungen wie auch die nun schon fast zwanzig Jahre währende Ruhe in der Großen Magellanschen Wolke lassen vermuten, dass Magnetare ihren Zustand völlig verändern können. Nach jahrelangem Dämmerschlaf können sie plötzlich Phasen extremer Aktivität durchmachen. Manche Astronomen halten AXPs für im Mittel jünger als SGRs, aber darüber wird noch diskutiert. Wenn sowohl SGRs wie AXPs Magnetare sind, dann dürfte ein beachtlicher Teil der Neutronensterne in diese Kategorie fallen. Die Geschichte der Magnetare zeigt uns erneut, wie wenig wir immer noch von den Vorgängen im Universum verstehen. Unter den Abermilliarden Sternen haben wir bislang höchstens ein Dutzend Magnetare identifiziert. Sie offenbaren sich nur für einen Sekundenbruchteil, und nur mit aufwendigen Spezialteleskopen sind sie überhaupt zu erkennen. Innerhalb von zehntausend Jahren frieren ihre Magnetfelder ein, und sie hören auf, Röntgenstrahlen auszusenden. Dieses Dutzend Magnetare gleicht somit der Spitze eines Eisbergs. Möglicherweise gibt es einige Millionen dieser Objekte in unserem Milchstraßensystem: alte Magnetare, die schon längst unsichtbar geworden sind und als dunkle Sternleichen einsam durch den interstellaren Raum ziehen.

Literaturhinweise


Flash! The Hunt for the Biggest Explosions in the Universe. Von Govert Schilling. Cambridge University Press, 2002. An X-Ray Pulsar with a Superstrong Magnetic Field in the Soft Gamma-Ray Repeater SGR1806–20. Von C. Kouveliotou et al. in: Nature, Bd. 393, S. 235 (21. Mai 1998).


In Kürze


- Die Astronomen haben rund ein Dutzend Sterne entdeckt, die in Sekundenbruchteilen immense Energiemengen in Form von Gamma- und Röntgenstrahlen aussenden können – millionenmal mehr als bei anderen Ausbrüchen üblich. Hinter diesen kosmischen Blitzlampen verbirgt sich offenbar eine spezielle Art von Neutronensternen. In diesen Himmelskörpern ist mehr als die Masse der Sonne in eine Kugel von zwanzig Kilometer Durchmesser zusammengequetscht.
- Diese speziellen Neutronensterne, genannt Magnetare, haben die stärksten Magnetfelder, die je gemessen wurden. Magnetische Instabilitäten, vergleichbar Erdbeben, können ihre Ausbrüche verursachen.
- Magnetare sind nur etwa zehntausend Jahre lang aktiv. Das könnte bedeuten, dass Millionen von ihnen unbemerkt durch die Milchstraße treiben.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2003, Seite 56
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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