Botanik: Manche mögens warm
Lassen sich Pflanzen gentechnisch an den globalen Temperaturanstieg anpassen? Japanischen Forschern gelang es, wärmeresistenten Tabak zu erzeugen.
Die meisten Pflanzen vertragen Temperaturen über 35 Grad Celsius schlecht. In der Hitze können sie nur noch eingeschränkt Photosynthese betreiben, also mittels Lichtenergie aus Wasser und Kohlendioxid (CO2) jene Zuckermoleküle herstellen, die sie zum Wachsen brauchen. Die Ursachen der Photosynthese-Hemmung, die auch bei gut an Wärme angepassten Arten heißer Standorte spätestens ab 40 Grad Celsius einsetzt, waren bisher unklar. Die meisten Wissenschaftler glaubten, dass die pflanzliche Atmung (Photorespiration) in der Hitze zunimmt oder die Aktivität der CO2-fixierenden Enzyme sinkt. Nun aber zeigte sich, dass der Temperaturanstieg die so genannte Thylakoidmembran in den Chloroplasten beeinträchtigt – jene zellinterne Struktur, an der entscheidende Schritte der Photosynthese stattfinden. Zugleich gelang es, Tabakpflanzen genetisch so zu verändern, dass sie auch in der Hitze noch gut gedeihen. Damit zeichnet sich eine Möglichkeit ab, Nutzpflanzen für die drohende Erderwärmung fit zu machen.
Biomembranen bestehen aus einer Lipid-Doppelschicht mit Fettsäureschwänzen, die nach innen gerichtet sind, und Kopfgruppen, die zur wässrigen Umgebung nach außen zeigen. Die Thylakoidmembran hat dabei eine auffällige Besonderheit: Sie enthält ausnehmend viele ungesättigte Fettsäuren mit mehreren Doppelbindungen. Das macht sie relativ flüssig (aus demselben Grund ist mehrfach ungesättigtes Keimöl flüssiger als Margarine, die aus einfach ungesättigten oder gesättigten Fettsäuren besteht). Diese Besonderheit hängt vermutlich mit der Aufgabe der Thylakoidmembran zusammen. Sie fungiert gleichsam als Kraftwerk, das die chemische Energie für den Aufbau der Zuckermoleküle bei der Photosynthese bereitstellt. Dazu enthält sie eine Art Turbine namens ATP-Synthase, die von hindurchströmenden Protonen in Rotation versetzt wird und dabei den Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) erzeugt. Sie muss daher flüssig genug sein, um die Drehung der ATP-Synthase zu erlauben, trotzdem aber fest genug, um dem Druck der Protonen zu widerstehen, die zuvor mittels Sonnenenergie auf die eine Seite der Membran gepumpt wurden.
Demnach könnte die Photosynthese bei hohen Temperaturen darunter leiden, dass die Lipid-Doppelschicht in der Wärme allzu sehr erweicht. Dafür sprechen unter anderem die Ergebnisse neuerer Untersuchungen, die Nicolai G. Bukhov vom Institut für Pflanzenphysiologie in Moskau zusammen mit Christian Wiese und Ulrich Heber von der Universität Würzburg durchgeführt hat. Danach werden Thylakoidmembranen bei erhöhten Temperaturen für Protonen durchlässig, noch bevor sich die Photosynthese abschwächt. Wenn die Protonen aber die undichte Membran einfach so durchqueren können, sind sie nicht mehr gezwungen, durch die ATP-Synthase zu strömen und sie in Rotation zu versetzen.
Den bisher besten Beleg für diese Theorie lieferten jetzt japanische Wissenschaftler (Science, Bd. 287, S. 476). Yuuki Murakami und seine Kollegen an der Kyushu-Universität in Fukuoka gingen von der Beobachtung aus, dass bei Pflanzen, die an warme Standorte angepasst sind, der Gehalt an dreifach ungesättigten Fettsäuren – wie Linolensäure – umso mehr abnimmt, je heißer es wird. Für die Synthese solcher Fettsäuren sorgt ein Enzym namens Omega-3-Fettsäuredesaturase.
Photosynthese auch in der Hitze
Dem Forscherteam gelang es nun, Tabakpflanzen genetisch so zu modifizieren, dass die sonst in Chloroplasten vorhandene Version der Desaturase nicht mehr gebildet wurde. Dadurch nahm der Anteil an Fettsäuren mit drei Doppelbindungen in der Thylakoidmembran drastisch ab und der mit zweifach ungesättigten Fettsäuren zu; so enthielten die Chloroplasten statt der Linolensäure nun überwiegend Linolsäure. Die Konzentration an einfach ungesättigten Fettsäuren blieb dagegen gleich. Auch die Zusammensetzung der Lipide in Membranen außerhalb der Chloroplasten war kaum verändert.
Der genetische Eingriff war ein voller Erfolg: Die modifizierten Tabakpflanzen vertrugen Hitze weitaus besser. Beim Erwärmen auf 40 Grad stieg ihre Photosyntheseleistung sogar um 20 Prozent und lag selbst bei 45 Grad noch auf dem Niveau von normalen Pflanzen bei Zimmertemperatur. Entsprechend wuchs der genveränderte Tabak bei höheren Temperaturen viel besser. Er überstand sogar unbeschadet drei Tage bei 47 Grad Celsius – Bedingungen, unter denen die Wildtyp-Exemplare eingingen.
Wegen der drohenden Erderwärmung durch den steigenden Gehalt der Atmosphäre an Treibhausgasen ist die Wirkung von hohen Temperaturen auf Pflanzen ein wichtiges Forschungsfeld. Die Ergebnisse von Murakami und seinen Kollegen bieten einen aussichtsreichen Ansatzpunkt, gentechnisch Varianten zu erzeugen, die auch unter Wärme-Stress noch effizient Sonnenlicht zum Aufbau ihrer Biomasse nutzen können.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 2001, Seite 26
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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