Optik: Mikroskopie mit einem Molekül als Lichtquelle
Wissenschaftler an der Universität Konstanz konnten erstmals ein Objekt abbilden, indem sie es mit nur einem einzigen fluoreszierenden Molekül beleuchteten. Das Verfahren verspricht Auflösungen für Lichtmikroskope bis fast in den atomaren Bereich.
"Sehen heißt verstehen" – diese Redewendung illustriert den engen Zusammenhang zwischen der optischen Wahrnehmung und dem menschlichen Denken. Kein anderes Sinnesorgan liefert mehr Informationen in kürzerer Zeit als das Auge, erfasst es doch drei Raumdimensionen und Farbe auf einmal. Aber auch das Gehirn ist in hohem Maße auf die Verarbeitung optischer Reize konditioniert. So verwundert es nicht, dass in der Wissenschaft abbildende Verfahren einen enormen Beitrag zum Erkenntnisfortschritt geleistet haben und immer noch leisten.
Auf dem Weg zur Erforschung der Welt des Kleinen bildete beispielsweise die Erfindung des Mikroskops durch Antony van Leeuvenhoek im Jahre 1683 einen wichtigen Meilenstein (Spektrum der Wissenschaft 6/98, S. 68). Seit damals konnte die Leistungsfähigkeit dieses Instruments immer weiter verbessert werden, sodass es auch heute noch enorme Bedeutung hat.
Wie Ernst Abbé 1874 herausfand, lässt sich durch Verbesserung der optischen Qualität die Auflösung von Mikroskopen allerdings nicht beliebig steigern. Linsen können einen Lichtstrahl nur auf eine Größe fokussieren, die etwa der Wellenlänge des Lichtes entspricht – typischerweise rund 500 Nanometer; kleinere Details lassen sich deshalb nicht damit auflösen. Man muss jedoch zwischen "noch sehen" und "auflösen" unterscheiden. Eine Punktlichtquelle mit einem Durchmesser von einem Nanometer – etwa ein leuchtendes Molekül – kann man mit einem Mikroskop durchaus sehen, wenn sie nur hell genug ist. Dem Auflösungsvermögen sind dagegen physikalische Grenzen gesetzt: Zwei benachbarte leuchtende Moleküle erscheinen nur dann als getrennte Punkte, wenn sie weiter als etwa eine halbe Wellenlänge voneinander entfernt sind.
Zur Untersuchung von noch feineren Strukturen wurden deshalb zunächst andere Arten der Mikroskopie entwickelt, insbesondere die Elektronen- oder die Kraftmikroskopie. Damit kann man bestimmte Eigenschaften einer Probe untersuchen – etwa ihre elektrische Leitfähigkeit oder Rauigkeit. Die optischen Eigenschaften eines Objektes wie Farbe oder Opazität bleiben dagegen verborgen. Gerade darin stecken jedoch wichtige zusätzliche Informationen, die Aufschluss über die Materialeigenschaften geben.
Im Jahre 1984 stellten Dieter Pohl, Wilfried Denk und M. Lanz am Forschungslaboratorium der Firma IBM in Rüschlikon (Schweiz) eine Methode vor, die auch optische Informationen mit hoher Auflösung liefert. Dabei beleuchtet man eine Probe mit einer Lichtquelle, die sehr viel kleiner ist als die Wellenlänge des von ihr ausgesandten Lichts, aus einer Entfernung von weniger als der Lichtwellenlänge (Spektrum der Wissenschaft 11/97, S. 27). Es heißt, die Probe befinde sich im Nahfeld der Lichtquelle. Die Analyse der durchgelassenen Photonen gibt dann Aufschluss über die lokalen optischen Eigenschaften des Untersuchungsobjekts.
Wie klein der betrachtete Bereich ist, hängt nur vom Durchmesser der Lichtquelle und von ihrem Abstand zur Probe ab. Bewegt man das Untersuchungsobjekt in kleinen Schritten unter der Lichtquelle vorbei und nimmt jeweils das Signal auf, so kann man Punkt für Punkt ein Bild zusammensetzen. Dabei agiert die Lichtquelle gleichsam als Sonde. Entsprechend heißt diese Methode optische Rastersondenmikroskopie oder SNOM (nach englisch: Scanning Near-field Optical Microscopy).
Zur Entwicklung eines hochauflösenden optischen Nahfeldmikroskops benötigt man zunächst eine Nano-Lichtquelle mit entsprechend kleinen Abmessungen. Meist dient dafür eine Glasfaser, in deren eines Ende Licht eingekoppelt wird, sodass das andere Ende als leuchtende Sonde dient. Um die Austrittsfläche des Lichts möglichst klein zu halten, spitzt man die Glasfaser an und überzieht sie mit einem Metallfilm, der an der Spitze ein kleines Loch hat. Der Durchmesser dieser Öffnung bestimmt die Größe der Lichtquelle. Mit Techniken, die von anderen hochauflösenden Rastersondenmethoden bekannt sind, bringt man die Faserspitze sehr nahe an eine Probe heran und behält diesen Abstand während des Abrasterns bei.
Mit einem solchen Mikroskop lassen sich typischerweise 50 bis 100 Nanometer große Details abbilden. Eine noch höhere Auflösung scheitert daran, dass dünne Metallfilme Licht zwar weitgehend, aber nicht vollständig blockieren. Man erinnere sich nur an die Schutzbrillen zur Beobachtung der Sonnenfinsternis vor eineinhalb Jahren, durch deren metallische Folie die Sonnenscheibe gut zu erkennen war. Da der Metallfilm rund um eine SNOM-Spitze sehr dünn ist, sind die Ränder des Lochs nicht scharf, sodass es effektiv größer wirkt. Die kleinsten realisierbaren effektiven Lochdurchmesser betragen etwa 30 Nanometer.
In der Nanooptik-Gruppe von Vahid Sandoghdar am Lehrstuhl von Jürgen Mlynek an der Universität Konstanz wollten wir uns damit nicht zufrieden geben. Wir machten uns deshalb auf die Suche nach noch kleineren Lichtquellen. Im Prinzip bieten sich einzelne Moleküle an – schließlich haben sie Durchmesser von nur etwa einem Nanometer. Tatsächlich konnten wir demonstrieren, dass eine Beleuchtung mit einem einzigen Molekül realisierbar ist (Nature, Bd. 405, S. 325). Damit eröffnet sich die Möglichkeit, erstmals Details optisch abzubilden, die annähernd atomare Dimensionen erreichen.
Wie kann man ein isoliertes Molekül zum Leuchten bringen? Die Antwort heißt Fluoreszenz: Die Moleküle bestimmter Farbstoffe lassen sich mit energiereichem Licht anregen und strahlen dieses dann bei etwas größeren Wellenlängen wieder ab. Durch einen Filter kann man das schwache Fluoreszenz- vom Anregungslicht trennen.
Um nun ein einzelnes fluoreszierendes Molekül gleichmäßig im Abstand von wenigen Nanometern über eine Probe zu führen, muss man es vorher fixieren. Dazu baut man es in einen Trägerkristall ein. Allerdings existiert kein Verfahren, mit dem sich genau ein Farbstoffmolekül in einem Träger unterbringen ließe; stets gelangen mindestens einige Tausend in einen wenige Mikrometer großen Kristall. Zum Leuchten angeregt werden darf aber nur eines davon. Wie ist das möglich?
Glücklicherweise bietet die Natur eine elegante Lösung. Die Farbstoffmoleküle im Kristall befinden sich alle in einer leicht unterschiedlichen atomaren Umgebung, sodass auch ihre Anregungsfrequenzen geringfügig differieren. Bei Raumtemperatur verwischen die starken Wärmebewegungen im Kristall normalerweise diese Unterschiede. Kühlt man aber auf –271 Grad Celsius ab und regt die Fluoreszenz mit einem Laser passender Frequenz an, lässt sich gezielt nur jeweils ein Molekül zum Leuchten bringen. Auf diese Weise erhält man eine Einzelmolekül-Lichtquelle; das haben schon vor über zehn Jahren die Gruppen von William E. Moerner am Almaden-Forschungszentrum der Firma IBM in San Jose (Kalifornien) – inzwischen ist Moerner an der Stanford-Universität (Kalifornien) – und von Michele Orrit am Centre de Physique Moleculaire Optique et Hertzienne in Bordeaux gezeigt.
Um diese Lichtquelle als Rastersonde einzusetzen, klebten wir den nur zwei Mikrometer großen Trägerkristall auf die Spitze einer herkömmlichen Glasfaser, die das Anregungslicht lieferte. So konnten wir ihn mitsamt dem fluoreszierenden Molekül gezielt positionieren. Dann mussten wir die Sonde nur noch in einer Apparatur unterbringen, die sich tief genug abkühlen ließ.
Eine erste Aufnahme mit dieser neuen Art der Mikroskopie ist im nebenstehenden Bild gezeigt. Als Probe diente eine Glasplatte, auf der kleine Aluminiumdreiecke sitzen. Zum Vergleich ist auch eine Rasterkraftaufnahme desselben Objekts wiedergegeben. Der Unterschied fällt unmittelbar ins Auge: Während die Rasterkraftaufnahme die Höhe der Aluminiumdreiecke darstellt, zeigt das optische Bild ihre lokale Durchlässigkeit für Licht einer bestimmten Frequenz. Beide Methoden liefern also völlig andere, sich ergänzende Informationen.
Optische Abbildung von Molekülen?
Was die Auflösung der Aufnahme angeht, bleibt sie mit rund 200 Nanometern allerdings noch weit hinter den Erwartungen zurück. Das hat einen einfachen Grund. Wie schon erwähnt, hängt die erreichbare Auflösung nicht nur von der Größe der Lichtquelle, sondern auch von deren Abstand zur Probe ab. Zwar lässt sich der Trägerkristall sehr nahe an die Glasoberfläche bringen, die Position der Moleküle im Kristall ist jedoch nicht genau bekannt. Die zufällig ausgewählte Lichtquelle kann sich also auch tief im Innern des Trägers befinden und somit nicht nah genug an der Probe sitzen. Das war bei unserem Experiment offenbar der Fall. Unsere weiteren Anstrengungen gehen nun dahin, gezielt Moleküle anzusprechen, die am äußeren Ende des Kristalls sitzen.
Ein weiteres Ziel ist, Fluoreszenzfarbstoffe zu finden, die sich auch bei Raumtemperatur als Einzelmolekül-Lichtquelle eignen. Nur unter dieser Voraussetzung lässt sich die optische Nahfeldmikroskopie für Untersuchungen im Bereich der Medizin und Biologie nutzen. Ein Nachteil der bisher bekannten Fluoreszenzfarbstoffe ist auch, dass sie an der Luft nach ein paar Minuten mit Sauerstoff reagieren. Dabei erlischt die Fluoreszenz, und der Farbstoff bleicht aus. Zur Zeit bemühen sich viele Wissenschaftler aus der Chemie und anderen Fachbereichen, neue Moleküle zu synthetisieren, die auch bei Raumtemperatur an der Luft längere Zeit leuchten.
Sind diese Probleme erst überwunden, dürfte es gelingen, Strukturen bis hinab zu molekularen Dimensionen optisch abzubilden. Biologen hätten dann ein fantastisches neues Werkzeug in der Hand, um etwa die Funktionsweise einzelner Zellbestandteile zu untersuchen. Aber auch Chemiker dürften von der Möglichkeit angetan sein, nanometergenau hinzusehen. Für sie könnte sich mit der Nanofotochemie ein völlig neues Arbeitsgebiet eröffnen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 2001, Seite 23
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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