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Genetik: Mitnichten tödliche Mutationen

Mittlerweile liegen zehntausende menschliche Genome sequenziert und analysiert vor. Und es zeigt sich: Viele Genvarianten, die bislang als krank machend oder gar tödlich galten, sind tatsächlich eher harmlos.
Sonia Vallabh bekam vor einigen Jahren mitgeteilt, dass sie eine Mutation trägt, die mutmaßlich eine tödliche Erkrankung auslöst. Seither versuchen sie und ihr Mann Eric Minikel herauszufinden, wie groß die Gefahr wirklich ist.

Im Jahr 2010 musste Sonia Vallabh erleben, wie ihre Mutter einer seltenen Erbkrankheit erlag – der tödlichen familiären Insomnie. Diese Krankheit wird autosomal-dominant an die Nachkommen weitergegeben und führt dazu, dass fehlgefaltete Prionen ab dem mittleren Erwachsenenalter im Gehirn verklumpen und das Gewebe zerstören. Einige Monate nach dem Tod ihrer Mutter ließ Vallabh ihr eigenes Erbgut untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass sie eine defekte Kopie des Prionproteingens PRNP trägt. Die Genetiker fanden bei ihr die Mutation D178N – allem Anschein nach dieselbe, die auch die Erkrankung ihrer Mutter verursacht hatte. Dieser Befund war niederschmetternd. Erste Symptome des Leidens treten typischerweise im Alter von etwa 50 Jahren auf, gefolgt von raschem Verfall mit unvermeidlich tödlichem Ausgang binnen weniger Jahre.

Vallabh, damals 26 Jahre alt, war allerdings nicht bereit, sich ihrem Schicksal kampflos zu fügen. Sie und ihr Ehemann Eric Minikel kündigten ihre Jobs und schrieben sich für ein Aufbaustudium Biologie ein. Ihr Ziel war klar: so viel wie möglich über die tödliche familiäre Insomnie herausfinden und darüber, wie sie sich aufhalten lässt. Vor allem wollten Vallabh und Minikel klären, ob die Mutation D178N tatsächlich die Ursache ist.

Noch vor wenigen Jahren hätten sie die Frage nicht so gezielt stellen können. Doch die medizinische Genetik durchläuft gerade einen atemberaubenden Wandel. Mit enormem Tempo fördert die Genomforschung seit Beginn des 21. Jahrhunderts tausende Genmutationen zu Tage, die mit Krankheit und Behinderung einhergehen. In vielen Fällen ist der Zusammenhang von Mutation und Erkrankung gut dokumentiert und empirisch sicher belegt. Oft stellt sich jedoch auch heraus, dass Mutationen, die zunächst als gefährlich oder sogar tödlich eingestuft werden, in Wirklichkeit ziemlich harmlos sind. Solche "Schafe im Wolfspelz" demaskiert zu haben, ist vor allem das Verdienst des Exome Aggregation Consortium (ExAC), eines der größten Projekte der Genomforschung, die je aufgelegt wurden ...

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  • Quellen

Lek, M. et al.: Analysis of Protein-Coding Genetic Variation in 60 706 Humans. In: Nature 536, S. 285–291, 2016

Minikel, E. V. et al.: Quantifying Prion Disease Penetrance Using Large Population Control Cohorts. In: Science Translational Medi­cine 8, 322ra9, 2016

Walsh, R. et al.: Reassessment of Mendelian Gene Pathogenicity Using 7,855 Cardiomyopathy Cases and 60,706 Reference Samples. In: Genetics in Medicine 19, S. 192–203, 2017

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