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Mögliche Gefahren von Gen-Food



Kein Brot, kein Bier, kein Käse ohne Mikroorganismen. Hefen dienen seit Jahrhunderten zur Herstellung von Backwaren und alkoholischen Getränken, Milchsäurebakterien zur Gewinnung von allerlei Käsesorten (Bild 1), von Joghurt und Sauermilch oder zur Veredelung von Fleisch- und Wurstwaren. Um die jeweiligen Kulturen zu optimieren, kreuzen Züchter geeignete Stämme miteinander oder induzieren Mutationen im Erbgut etwa durch Bestrahlung oder chemische Substanzen; anschließend werden die Nachkommen hinsichtlich der gewünschten Fähigkeiten ausgesucht und vermehrt.

Gezieltes Einschleusen von Genen kann diese aufwendigen Verfahren beschleunigen und eröffnet zudem neue Möglichkeiten. Beispielsweise ist das Verfahren nicht an Artgrenzen gebunden, so daß sich das gesamte genetische Potential der Natur ausschöpfen und Erbmaterial von Mikroben, Pflanzen oder Tieren kombinieren läßt. Die öffentliche Auseinandersetzung um den Import gentechnisch veränderter Sojabohnen machte Ende 1996 allerdings deutlich, daß die Verbraucher den Einsatz dieser Technologie in der Lebensmittelindustrie eher skeptisch beurteilen. Das Gefahrenpotential wird zwar oft überbewertet, doch besteht berechtigtes Interesse, über Art und Beschaffenheit der konsumierten Produkte informiert zu werden. Die Entdeckung fremder Desoxyribonucleinsäure (DNA), dem Trägermolekül der Erbinformation, in Schokoladen-cremes Mitte 1997 zeigt, daß die Gentechnik im Agrar- und Lebensmittelbereich bereits Fuß gefaßt hat.

Ein Nutzen ist für den skeptischen Verbraucher allerdings nur schwer erkennbar, denn in unserer Überflußgesellschaft stehen qualitativ hochwertige und preisgünstige Lebensmittel in mehr als ausreichender Menge jederzeit zur Verfügung, und neue Produkte entsprechen gegenwärtig im wesentlichen den traditionellen. Die Gentechnik wird deshalb häufig nur in Verbindung mit Verfahrensoptimierung, Rationalisierung und Gewinnsteigerung gesehen – also Vorteilen für die Hersteller. Zweifellos sind dies Triebkräfte für den Einsatz gentechnischer Verfahren.

In Zukunft werden unseres Erachtens aber auch Erzeugnisse auf den Markt kommen, von denen die Verbraucher der Industriestaaten einen unmittelbaren Nutzen haben: Lebensmittel mit erhöhtem Gehalt etwa an Ballaststoffen, komplexen Kohlenhydraten, natürlichen Antioxidantien, ungesättigten Fettsäuren und anderes mehr. Zur Versorgung der wachsenden Bevölkerung in der Dritten Welt kann die Gentechnik wohl teilweise beitragen, indem sie gemeinsam mit der konventionellen Züchtung transgene Pflanzen liefert, die mehr Biomasse produzieren oder weniger gegen Krankheiten und Schädlinge anfällig sind und somit auf gleicher Anbaufläche höhere Erträge gewährleisten.

Für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie kommen als Spender beziehungsweise Empfänger genetischen Materials nur solche Organismen in Frage, die sich bereits seit langem bewährt und als sicher erwiesen haben. Eine Gefährdung durch einen Eingriff in das Erbgut geht deshalb im allgemeinen nicht von der gewünschten Veränderung, sondern von unerwarteten Nebeneffekten aus. Diese Folgen sind freilich nicht auf gentechnische Verfahren beschränkt, sondern können auch bei der klassischen Züchtung auftreten.

So lösen etwa zehn naturbelassene tierische und pflanzliche Produkte bereits mehr als 90 Prozent der Lebens-mittelallergien aus, beispielsweise Eier, Milch, Nüsse oder Hülsenfrüchte. Zwar wirken nur wenige der vielen darin vorkommenden Proteine als Allergene, doch sind sie im einzelnen nicht immer bekannt. Die Übertragung eines Gens in einen anderen Organismus ändert am allergenen Potential des zugehörigen Proteins nichts, solange es in identischer Form hergestellt wird. War der Eiweißstoff bekanntermaßen harmlos, bleibt er es auch nach dem Gentransfer, stammt er aber aus einem kritischen Lebensmittel, ist er genauer zu prüfen. Umgekehrt ist nicht auszuschließen, daß bislang in einem Lebensmittel nicht vorkommende Enzyme allergische Reaktionen hervorrufen könnten – allerdings unabhängig davon, ob ein konventionell gezüchteter oder gentechnisch veränderter Organismus sie liefert. Andererseits läßt sich mit gezielten Eingriffen ins Erbgut die natürliche Synthese von Allergenen möglicherweise unterdrücken. So versuchte man in Japan, bei einer Reissorte die Herstellung eines kritischen Amylase-Inhibitors zu drosseln; in Europa arbeitet man an gluten-armen Weizensorten.

Ein ebenfalls zu bedenkendes Risiko gentechnischer Manipulation wäre, daß ein mit der Nahrung aufgenommener modifizierter Mikroorganismus den Magen unverdaut passiert und dann den menschlichen Darm besiedelt. Eine intakte Darmflora unterdrückt normalerweise eine derartige Vermehrung, doch könnten die Fremdlinge ihr schaden, etwa indem sie Bakteriostatika absondern oder unerwartet Toxine bilden.

Beim Erzeugen solcher Organismen werden gewöhnlich zugleich Gene für Enzyme eingeschleust, die Antibiotika inaktivieren – nicht erfolgreich modifizierte Artgenossen, die man aussondern möchte, sterben bei entsprechender Behandlung der Kultur ab. Enthalten aber Lebensmittel solche Enzyme, bestünde die Gefahr, daß zur Therapie von Infekten verabreichte Antibiotika – oral aufgenommen – im Magen-Darmtrakt unwirksam würden. Allerdings sind gerade dort die Bedingungen für solche Biokatalysatoren eher ungünstig, unter anderem aufgrund des starken Säuregehalts im Magen. Außerdem werden sie als Proteine leicht von Verdauungsenzymen gespalten. Im übrigen wirkt das Produkt eines Resistenzgens nur jeweils gegen bestimmte Antibiotika – Probleme ließen sich vermeiden, wenn man nur mit solchen arbeitete, die in der Humanmedizin keine Bedeutung haben.

In der Risikodebatte geht es auch darum, inwieweit fremde Gene auf die Mikroorganismen der Darmflora oder auf die Epithelzellen der Schleimhaut im menschlichen Darm übergehen könnten. Doch mit der Nahrung aufgenommen und verdaut dürften die entsprechenden DNA-Abschnitte – wie auch die in viel größeren Mengen vorliegende "normale" DNA – kaum intakt dorthin gelangen. Ohnehin sinkt die Wahrscheinlichkeit dafür, daß Erb-substanz unzerstört verzehrt wird, mit jedem Schritt der Verarbeitung.

Sollte dennoch eine unbeabsichtigte Übertragung erfolgen, verfügen die neuen Gene aber nicht notwendigerweise über die zur Expression in Darmepithelzellen oder Darmbakterien benötigten Steuerelemente. Epithelzellen werden überdies unablässig abgestoßen und erneuert, eine Übertragung hätte also kaum bleibende Folgen.

Ein größeres Risiko birgt noch der Verzehr von gentechnisch veränderten Lebendkulturen, da Mikroorganismen fähig sind, untereinander Erbsubstanz auszutauschen. Allerdings nehmen wir zum Beispiel bereits mit frischem Obst und Gemüse immer wieder auch von Natur aus resistente Bodenbakterien auf, ohne daß unsere Darmflora generell ebenfalls resistent geworden wäre. Dennoch sind der horizontale Gentransfer und seine Auswirkungen bei der Sicherheitsbewertung zu berücksichtigen.

Eine ganz andere Gefahr birgt die großtechnische Produktion von Einzelsubstanzen mittels genetisch veränderter Organismen. Zwar enthalten diese Stoffe selbst nach ihrer Abtrennung keine Erb-information und sind im allgemeinen mit traditionell produzierten identisch, doch könnten im Zuge ihrer Herstel-lung neue, möglicherweise problematische Begleitsubstanzen auftreten. Im Falle von Proteinen, die ja strikt gemäß ihrer genetischen Blaupause produziert werden, sind abweichende Varianten wenig wahrscheinlich. Entsteht das gewünschte Produkt aber erst durch ein neues Enzym im Stoffwechsel eines modifizierten Organismus, bilden sich un-ter Umständen bei Nebenreaktionen ihm sehr ähnliche Verbindungen, die dann nur schwer bei der Aufarbeitung abzutrennen sind.

Neuartige Lebensmittel werden viel umfassender auf ihre Sicherheit und Unbedenklichkeit untersucht als herkömmliche. Insbesondere für jegliche mittels Gentechnik hergestellte Nahrung haben nationale und internationale Gremien und Organisationen Konzepte zur Prüfung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit erarbeitet. Läßt sich einer Leitlinie zufolge ein neuartiges Erzeugnis als im wesentlichen gleichwertig zu einem vergleichbaren konventionellen einstufen und differieren auch Gebrauchs- beziehungsweise Verzehrweisen kaum, so sind gesundheitliche Gefährdungen unwahrscheinlich. Ergibt eine Analyse hingegen keine Gleichwertigkeit, sind weitere toxikologische und ernährungsphysiologische Untersuchungen notwendig. Die abschließende Bewertung muß von Fall zu Fall für jedes Lebensmittel individuell erfolgen.

Diese Bewertungskriterien sind in der seit Mitte Mai 1997 europaweit gültigen Novel-Food-Verordnung festgelegt. Grundsätzlich müssen demnach alle Lebensmittel und Lebensmittelzutaten gekennzeichnet werden, die genetisch veränderte Organismen darstellen oder welche enthalten (Bild 2). Auch abweichende Inhaltsstoffe oder eine unterschiedliche Zusammensetzung sind auszuweisen, des weiteren eine mögliche gesundheitliche Gefährdung für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Allergiker. Schließlich ist eine Kennzeichnung nicht zu umgehen, wenn ethische beziehungsweise religiöse Vorbehalte gegen das veränderte Lebensmittel aufgrund spezifischer Formen der Ernährung bestehen.

Allerdings müssen die Unterschiede analytisch nachweisbar sein. Raffiniertes Öl aus transgenem Raps beziehungsweise transgenen Sojabohnen ist beispielsweise in der Zusammensetzung identisch mit traditionell gewonnenem, und auch die modifizierte Erbsubstanz läßt sich aufgrund der Verarbeitung nicht mehr nachweisen (Bild 2). Dementsprechend gelten solche Öle als herkömmlichen gleichwertig und müssen nicht gekennzeichnet werden. Dagegen enthält Sojamehl sowohl neue DNA als auch das eingeführte Protein und ist entsprechend kenntlich zu machen. Ab September 1998 müssen Maisprodukte, die sich von konventionellen Erzeugnissen unterscheiden, mit dem Wortlaut "hergestellt aus genetisch verändertem Mais" gekennzeichnet werden; analoges gilt für Sojabohnenprodukte.

Wichtiger vielleicht ist die offene Frage nach den geeigneten Analysemethoden. Veränderungen am Verzweigungsgrad einer Stärke, an der Fettsäurenzusammensetzung von Ölen oder ein neues Protein lassen sich recht einfach bestimmen. Die meisten Nachweisverfahren für gentechnisch hergestellte Lebensmittel suchen allerdings die modifizierte DNA selbst aufzuspüren.

Die hierzu am häufigsten eingesetzte Methode ist die Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Zwei kurze Nucleinsäure-sequenzen, entsprechend den Teilen des neueingeführten DNA-Stücks, dienen dabei als sogenannte Primer: Ist in der zu untersuchenden Substanz das passende Gen vorhanden, werden sie sich anlagern und als Startsequenz für die anschließende Vervielfältigungsreaktion dienen; am Ende ist das gesuchte Gen in ausreichender Menge für die weitere Analyse vorhanden (vergleiche auch "Eine Nachtfahrt und die Polymerase-Kettenreaktion" von Kary B. Mullis, Spektrum der Wissenschaft, Juni 1990, Seite 60). Voraussetzung ist stets die Kenntnis der jeweiligen Nucleinsäuresequenz. Je stärker ein Lebensmittel allerdings bearbeitet wurde, desto schwieriger gestaltet sich der Nachweis. Scherkräfte, Enzyme und chemische Prozesse können die Fremd-DNA soweit abbauen, daß die Polymerase-Kettenreaktion nicht mehr greift oder sich die Bruchstücke nicht mehr zuverlässig zuordnen lassen.

Das Verfahren erlaubt derzeit ohnehin nur mit großem Aufwand quantitative Aussagen; deshalb nutzt man es bei Routinekontrollen großer Probenmengen nur für Ja/Nein-Entscheidungen. Vor allem im Bereich der Nachweisgrenze sind diese aber keineswegs eindeutig, wie Vergleichsuntersuchungen in deutschen und österreichischen Labors anhand von Erzeugnissen mit Sojalecithin aus konventionellen Sojabohnen zeigten.

Das Verfahren ist gleichzeitig so empfindlich, daß sich bereits wenige Moleküle der Fremd-DNA detektieren lassen. Irrtümer sind deshalb durchaus möglich, denn bei Transport, Lagerung oder Rohstoffverarbeitung können auch herkömmliche Lebensmittel damit kontaminiert werden. Für eine sachgerechte Kennzeichnung wäre eine europaweit einheitliche Regelung hinsichtlich des Analyseverfahrens und eines Grenzwerts für die Menge an Fremd-DNA unbedingt erforderlich.

Gegenwärtig sind in der Europäischen Union noch keine Lebensmittel in Verkehr, die einen vermehrungsfähigen gentechnisch veränderten Organismus (GVO) enthalten beziehungsweise diesen selbst etwa in Form von Früchten darstellen. Eine auf längere Haltbarkeit getrimmte Tomate ist zwar in England zugelassen, aber noch nicht im Handel (Bild 2). Nahezu alle Nutzpflanzen werden heutzutage jedoch in einer Kombination von Gentechnik und klassischer Züchtung fortentwickelt.



Noch in den Anfängen: Genetische Veränderung von Pflanzen und Tieren


Neben den wichtigsten wie Mais, Reis, Weizen, Roggen, Sojabohnen, Süßkartoffeln und Kartoffeln betrifft dies mittlerweile mehr als 90 weitere Arten. Bis Ende 1997 haben weltweit 48 transgene Pflanzen die Zulassung erhalten, und zahlreiche weitere sind in Erprobung (Spektrum der Wissenschaft, Juli 1998, Seite 72). In den USA wurden im vergangenen Jahr allein 21 derartige Sorten auf 12 Millionen Hektar Fläche kommerziell angebaut.

Saatzuchtbetriebe und Unternehmen der Agro-Chemie westlicher Industrieländer sind hier besonders aktiv, aber auch Institutionen aus Dritte-Welt-Ländern modifizieren ihre traditionellen Nutzpflanzen entsprechend den spezifischen Anforderungen (Spektrum der Wissenschaft, Juli 1997, Forum: Gentechnik im Pflanzenbau, Seite 30). Im Vordergrund stehen derzeit Toleranzen gegenüber Herbiziden sowie Resistenzen gegen Pilz- und Viruserkrankungen oder Insektenbefall; etwa 60 Prozent der gentechnischen Veränderungen an Pflanzen betreffen solche Eigenschaften, weil diese meist nur durch jeweils ein Gen festgelegt werden, das zudem oft bekannt ist und zur Verfügung steht.

Nachdem man diese molekulare Blaupause mit geeigneten Steuersignalen versehen in den Zielorganismus eingebracht hat, produziert er – wenn alles klappt – das gewünschte Protein; man spricht von Expression. Ungleich schwerer ist es, auf diese Weise Qualitätsmerkmale wie Geschmack und Haltbarkeit zu verbessern oder das allergene Potential insgesamt zu verringern. Diese Charakteristika werden häufig durch das Zusammenspiel von mehreren Erbfaktoren bestimmt, und davon sind erst wenige identifiziert.

In nahezu allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union laufen Freisetzungsversuche. Zudem haben dort Unternehmen bislang neun Anträge auf das Inverkehrbringen transgener Pflanzen beziehungsweise deren Produkte gestellt, aber nur Tabak und Mais darf derzeit kommerziell angebaut und genutzt werden. Erzeugnisse aus transgenen Sojabohnen und Raps sind im Handel (Bild 2); im Großen anbauen dürfen Bauern diese Pflanzen aber aufgrund der ausstehenden Sortenzulassung noch nicht.

Transgene Tiere sind ein weiteres wichtiges Forschungsthema (vergleiche Spektrum der Wissenschaft, März 1997, Seite 70). Schnelleres Wachstum und stärkere Gewichtszunahme, Resistenzen gegen typische Erreger oder bessere tierische Produkte wie etwa cholesterin-arme Hühnereier oder lactosefreie Kuhmilch sind hier die Entwicklungsziele. In den kommenden 20 Jahren dürften aber entsprechend veränderte Landtiere kaum Bedeutung erlangen, denn Größe und Organisation des jeweiligen Erbguts erschweren seine Veränderung.

Modifizierte Fische hingegen könnten bereits in den nächsten drei bis fünf Jahren in den Handel kommen. So verkürzt die genetische Information für ein Wachstumshormon aus der Forelle mittlerweile bei Karpfen die Zeit bis zur Schlachtreife, und dank eines schützenden Proteins der Flunder weisen trans-gene Lachse bei niederen Wassertemperaturen noch hohe Stoffwechselaktivität auf: Sie fressen auch dann noch gut und wachsen weiter.



Die Legion der Helfer: Enzyme und Zusatzstoffe



Enzyme, also katalytisch wirkende Proteine, werden seit der Jahrhundertwende bei der Verarbeitung von Lebensmitteln verwendet, ihr Anwendungsspektrum erweitert sich ständig. Im Braugewerbe beispielsweise unterstützen Amylasen und Glucoamylasen das Zerlegen von pflanzlichen Stärke-Sorten in direkt vergärbare Moleküle, was die Bierherstellung verkürzt; zudem lassen sich billigere Stärkelieferanten als Gerste nutzen – etwa Mais oder Hirse. Glucanasen und Pektinasen bauen Reste pflanzlicher Zellwände ab, so daß sich Bier, Wein und Fruchtsäfte einfacher und damit kostengünstiger filtern lassen. In Deutschland ist der direkte Einsatz von Biokatalysatoren beim Brauen allerdings nach dem Reinheitsgebot untersagt.

Ein Gen für ein Enzym läßt sich leicht isolieren, in Mikroorganismen einbringen und dort überexprimieren. Die Produktion selbst ist wirtschaftlich und umweltverträglich. Die ihr entstammenden mehr als 30 weltweit kommerziell erhältlichen Biokatalysatoren sind mit den konventionell erzeugten identisch. Im europäischen Ausland ist ihre Anwendung weit verbreitet, und damit verarbeitete Lebensmittel sind auch auf dem deutschen Markt erhältlich. So ersetzt man das aus Kälbermägen gewonnene Labferment, das die Milch in der Käseherstellung verdickt, mehr und mehr durch Chymosin, ein von modifizierten Hefen, Pilzen oder Bakterien produziertes naturidentisches Enzym (Bild 1). Über den Einsatz solcher Stoffe hierzulande liegen leider noch kaum Daten vor.

In Zukunft wird die Industrie konventionell nicht rentabel herstellbare Enzyme von gentechnisch veränderten Organismen erzeugen lassen. Durch Eingriff ins Erbgut ergeben sich zudem neue Biokatalysatoren, die auf das umzusetzende Ausgangsmaterial und den Produktionsprozeß optimal zugeschnitten sind. Die Vereinigung der europäischen Enzymhersteller schätzt, daß bis in zwei Jahren mehr als 80 Prozent der technischen Enzyme so gewonnen werden.

Ein weiterer wichtiger Markt innerhalb der Lebensmittelverarbeitung sind Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker, Süßstoffe, Aromen, Farbstoffe, Emulgatoren, Konservierungs- und Verdickungsmittel. Auch ihre Herstellung ließe sich mit transgenen, im Stoffwechsel modifizierten Mikroorganismen effektiver und rentabler gestalten. Weit fortgeschritten sind diese Verfahren für Aminosäuren, Vanillin, den pflanzlichen Süßstoff Thaumatin und einige Vitamine; beispielsweise kann man Vitamin C auf dem neuen Wege in einem Fermentationsschritt direkt aus Glucose herstellen, während ansonsten eine aufwendige chemische Synthese erforderlich ist.

Genetisch veränderte Mikroorganismen lassen sich wie konventionelle auch direkt zur Veredelung von Lebensmitteln verwenden. Entsprechende Milchsäurebakterien, Hefen und Schimmelpilze wurden bereits im Labor erprobt. Allerdings muß sich noch zeigen, ob sie auch im großtechnischen Maßstab dem Vergleich mit traditionellen Kulturen standhalten.

In Großbritannien sind gentechnisch veränderte Hefen für das Back- und Braugewerbe bereits zugelassen: Eine davon entwickelt kontinuierlich Kohlendioxid und verkürzt dadurch die Gehzeit bei der Teigführung, eine andere vergärt die Reststärke im Bier weiter zu Alkohol und erzeugt somit ein kalorienreduziertes Bier. Eingesetzt werden sie jedoch nicht; insbesondere traditionelle Hefen sind für den Brauprozeß so optimiert, daß gegenwärtig eine Umstellung kaum rentabel wäre. Deutsche Brauereien werden deshalb in den nächsten fünf bis zehn Jahren wohl keine gentechnisch modifizierten Pendants verwenden.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1998, Seite 126
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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