'Mythos Maske'
Was sind Masken? Wer trägt sie? Warum werden sie getragen? Eine Ausstellung des Museums für Völkerkunde Frankfurt am Main.
Der Untertitel „Ideen, Menschen, Weltbilder“ deutet an, daß das Frankfurter Museum für Völkerkunde die Besucher nicht nur mit einem faszinierenden Phänomen ferner Kulturen konfrontiert. Vielmehr nimmt die Ausstellung der Maske ihren Mythos. Nicht das exotische künstliche zweite Gesicht als Chiffre für etwas, das der zivilisierten Welt verlorengegangen ist und als obskures Objekt der Begierde in unseren Träumen nistet, sondern die Maske als integraler Teil allen sozialen Lebens ist das Thema.
Im Begleitbuch begründen die Ethnologen, warum sie scheinbar naheliegenden traditionellen Konzepten nicht folgten: „Ein historischer Abriß über Maskenentwicklung schied aus, da kein evolutionistisch geprägtes Bild entstehen sollte. Auch die Aufteilung nach Kontinenten und Regionen schien dem Thema nicht gerecht zu werden.“ Statt dessen schälten sich einzelne Aspekte als Ordnungshilfen heraus – das Geheime, das Fremde, die Krise, der Übergang, die Verwandlung. Die dafür gewählten Beispiele stellen die Masken im sozialen und religiösen Kontext vor. Häufig sollen Masken überhaupt nicht verbergen, sondern sind Erkennungszeichen einer sozialen Institution. Bei dem Geheimbund des Tubuan der Tolai und der Duke-of-York-Insulaner von Papua-Neuguinea etwa symbolisiert die Maske die Autorität des Trägers. Masken können für eine Gerichtsinstitution stehen, ähnlich wie die „Taganrufer“ der Fasnacht von Elzach im Schwarzwald eine Institution des Rügerechts sind.
Exponate aus Lateinamerika demonstrieren, wie mit Hilfe der Maske Fremdes vertraut gemacht wird: Maskenspiele aus Mexiko, Guatemala, Bolivien und Peru verarbeiten das Trauma der Unterwerfung durch die Konquistadoren. Mit den Masken der Eroberer läßt sich besser umgehen als mit diesen selbst; und mit den Teufelsmasken werden die einheimischen Götter als zwar meist unterlegene, aber notwendige Gegenspieler Gottes einbezogen.
Wenn Menschen in eine andere Lebensphase eintreten (ob sie nun geboren oder erwachsen werden, heiraten oder sterben), erscheinen in vielen Kulturen Maskierte (die Ausstellung zeigt Beispiele aus Afrika, Südamerika und Sumatra). Solche Ritualisierungen helfen den Individuen und der Gruppe beim Übergang in den neuen Zustand.
Auch in anderen Situationen der Gefahr verleihen Masken Sicherheit: Krisen wie Krankheiten oder Einbrüche von Naturgewalten werden durch maskierte Personen geheilt, beschwichtigt, besänftigt. Der Medizinmann versetzt sich mit der Maske in denjenigen Zustand, in dem er die Hilfe mächtiger Kräfte herbeirufen kann.
Masken sind des weiteren ein wichtiger Bestandteil expressiver und lustbetonter Lebenstätigkeit. Im Theater als kultischem Ort, moralischer Anstalt und Schauplatz ästhetischen Vergnügens ist die Maske als Element der Verwandlung unerläßlich.
Die Ausstellung macht bewußt, daß Masken auch in unserem eigenen Alltag eine Rolle spielen. Deswegen sind gleich eingangs eine Atemschutzmaske der Feuerwehr, ein österreichischer Krampus (eine Mittwintergestalt als Begleitfigur des Nikolaus am Vorabend des 6. Dezember), eine israelische Gasmaske aus dem Golfkrieg und Arztkleidung aus dem Operationssaal zusammen mit ethnologischen Stücken präsentiert.
Aber Masken besitzen noch andere Dimensionen. Nicht umsonst hat das postmoderne Denken eine große Affinität zum spielerisch-ernsthaften Umgang mit Versatzstücken, Zitaten, Maskierungen aller Art. Der ungarische Schriftsteller György Konrád konstatierte in seinem Beitrag „Von Mythenerzeugern und Hochstaplern“ zum österreichischen Kulturmagazin „Bühne“ (Oktober 1991): „Wer das Wesen im Munde führt, hat mit ziemlicher Sicherheit eine schlechte Meinung von den Masken und mißbilligt sie moralisch. Was mich betrifft, so sähe ich es nicht gern, wenn man mein Wesen von meinen Erscheinungen trennte. Nimmt man diese Operation ernst, so braucht man dazu eine Gewehrkugel.“
Die Ausstellung „Mythos Maske“ ist bis Frühjahr 1994 täglich außer montags zu sehen. Der Katalog (296 Seiten, 101 Abbildungen) kostet DM 18,–.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1993, Seite 111
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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