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Nachgehakt: Statistik und Aberglaube


Ein Gutachten nach allen Regeln der Kunst

Astrologen behaupten, das individuelle Lebensschicksal hänge davon ab, unter welchem Tierkreiszeichen man geboren sei. Wie genau, ist unter Sterndeutern strittig; über die Behauptung, daß es da irgendeinen Zusammenhang gebe, sind sie jedenfalls einig.

Der renommierte Psychologe Jürgen Eysenck prüfte in den siebziger Jahren eine astrologische Hypothese statistisch. Er fand eine Korrelation zwischen der Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Sternzeichen und gewissen „Persönlichkeitsmerkmalen“. Allerdings wies sein Kollege Kurt Pawlik von der Universität Hamburg schon bald nach, daß ein solcher Zusammenhang nur bei Leuten feststellbar ist, die an die Macht der Sterne glauben. Sie schreiben sich offenbar diejenigen Merkmale zu, die sie der Astrologie zufolge haben sollen. Insofern ähnelt der Effekt dem eines Placebos: Wer von der heilenden Wirkung einer an sich pharmazeutisch wirkungslosen Pille überzeugt ist, verspürt – in gewissen Grenzen – tatsächlich eine positive Wirkung.

Vor einigen Jahren ließ nun der prominente Millionenerbe Gunter Sachs von einem eigens gegründeten „Institut zur empirischen und mathematischen Untersuchung des möglichen Wahrheitsgehaltes der Astrologie in Bezug auf das Verhalten von Menschen und deren Anlagen“ einen neuen Versuch unternehmen, die Astrologie statistisch zu „beweisen“.

Die Studie unterteilte mehrere Jahrgänge der Schweizer Bevölkerungsstatistik nach Sternzeichen und fand signifikante Zusammenhänge: Demnach ehelichten etwa die Wassermänner des Alpenlandes überzufällig oft Wassermann-Frauen, und Steinböcke hatten ein statistisches Faible für Steinbock-Frauen.

Zwar behauptet kaum ein Astrologe, daß just gleiche Sternzeichen sich partnerschaftlich besonders anzögen. Die Sterndeuter favorisieren eher bestimmte Paarungen unterschiedlicher Tierkreiszeichen, die sich nach geheimnisvollen Pentagrammen finden. Aber allein der Umstand, daß es der Sachs-Studie zufolge für Partner- oder Berufswahl irgend einen statistischen Unterschied machen soll, welches Tierkreiszeichen man hat, galt vielen Sterngläubigen schon als der heißersehnte Beweis für die Wahrheit der Astrologie. Schon in den sechziger Jahren hatte der amerikanische Psychologe D. Bakan die Fragwürdigkeit dieser Art rein statistischer „Beweise“ demonstriert. Er unterteilte Bevölkerungsgruppen nach willkürlichen Kriterien – zum Beispiel, ob sie östlich oder westlich vom Mississippi zur Welt gekommen waren – und fand zwischen solch beliebigen Gruppierungen prompt signifikante Unterschiede. Das heißt: Ein Gemenge von Einflüssen und Zusammenhängen nach dem Datum oder dem Ort der Geburt zu bündeln – und dies dann als „die“ Ursache von signifikanten Unterschieden auszugeben, beweist noch lange nichts.

Gunter Sachs wurde mit seiner „Akte Astrologie“ ein erfolgreicher Buchautor. Damit noch nicht zufrieden, gab er kürzlich bei zwei Angehörigen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden eine „wissenschaftliche Expertise aus statistisch-methodischer Perspektive“ in Auftrag und ließ sich von ihnen bescheinigen, er habe statistisch sauber gearbeitet und insofern einen Zusammenhang zwischen Sternzeichen und gewissen biographischen Details demonstriert. Natürlich, so die Experten, gelte das nur, soweit die Lektüre des Buches diesen Schluß zulasse, und ohne daß man sich zur Wahrheit der Astrologie äußern wolle: „Ob das Werk als wissenschaftlicher Durchbruch der Astrologie bezeichnet werden kann, wollen und können wir nicht beurteilen.“



Damit sind die Beteiligten fein heraus: Zwei beamtete Statistiker haben sich klug gegen den Verdacht abgesichert, sie hätten ein astrologisches Gefälligkeitsgutachten erstellt – aber der Auftraggeber kann nun aus ihrer Expertise öffentlich den Satz zitieren: „Nach den Analysen von Gunter Sachs ist anzunehmen, daß mit den Sternzeichen zusammenhängende Merkmale einen Einfluß auf den Menschen ausüben, der nicht durch den Zufall erklärbar ist.“ Der staunende Betrachter erlebt das Kunststück, wie man der Astrologie den Pelz wäscht, ohne sie naß zu machen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1999, Seite 106
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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