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Astronomie: Nachrichten von den ersten Sternen

Wie mehrere neue Beobachtungen mit verschiedenen Teleskopen auf der Erde und im Weltraum zeigen, gab es schon im jungen Universum Galaxien und Quasare mit schweren Elementen. Demnach entstanden die ersten Sterne früher als bisher vermutet.


Während der ersten drei Minuten nach dem Urknall bildeten sich nur Wasserstoff, Helium und ein wenig Lithium. Schwerere Elemente – von den Astronomen pauschal "Metalle" genannt – kamen erst viel später hinzu: Sie wurden im Verlauf der so genannten Nukleosynthese durch Kernreaktionen im Inneren massereicher Sterne erzeugt und, wenn diese in einer gewaltigen Supernova-Explosion an ihrem Lebensende verglühten, im All verteilt. Zum genauen Verständnis der Frühgeschichte des Universums ist es sehr wichtig zu wissen, wann und wie die Elementsynthese in Sternen sowie die Anreicherung der Elemente in den Galaxien begann.

Erst jüngst lieferte der Satellit Wmap über Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung, die gleichsam ein Lichtecho des Urknalls ist, indirekte Hinweise darauf, dass sich schon rund 180 Millionen Jahre nach dem Ursprung des Kosmos Staub und Gase zu den ersten stellaren Objekten zusammenballten (Spektrum der Wissenschaft 5/2003, S. 8). Nun stützen gleich drei Serien von neuen Beobachtungen diesen überraschenden Befund. Zwei davon tun das, indem sie in fernen Himmelsregionen, deren Licht aus der Frühzeit des Alls stammt, bereits schwere Elemente nachweisen, wie sie nur in Sternen entstanden sein können.

Metalle aus der Frühzeit des Kosmos

Dieser Nachweis ist extrem schwierig und erfordert hochempfindliche Apparaturen. Er gelang denn auch nur mit den leistungsfähigsten Instrumenten, die den Astronomen derzeit zur Verfügung stehen: den Keck-Teleskopen auf Hawaii, dem VLT in Chile und dem Hubble-Weltraumteleskops. Ferner mussten günstige Bedingungen hinzukommen. So hatte die amerikanische Astronomengruppe um Jason Prochaska das Glück, einen sehr fernen und zugleich sehr hellen Quasar zu finden, dessen Licht auf dem Weg zur Erde eine ebenfalls weit entfernte und damit sehr frühe Protogalaxie durchquert. Dadurch ermöglicht er die Spektralanalyse dieses Sternsystems. Die dort vorhandenen Elemente verraten sich dabei durch charakteristische Absorptionslinien (Nature, Bd. 423, S. 57).

Die Protogalaxie – vermutlich der Vorläufer einer elliptischen Galaxie – war im Jahr 2000 entdeckt worden. Sie hat eine Rotverschiebung von 2,6, was einer Entfernung von etwa 11 Milliarden Lichtjahren entspricht. Demnach sehen wir die Galaxie so, wie sie vor 11 Milliarden Jahren war. Die Rotverschiebung des dahinter liegenden Quasars beträgt 2,7.

Ein erstes Spektrum mit moderater Auflösung nahmen die Astronomen mit dem Teleskop Keck II im Rahmen eines groß angelegten Programms zur Untersuchung der chemischen Entwicklung des Universums auf. Als sie dabei ungewöhnlich starke Metall-Absorptionslinien fanden, ließen sie eine detaillierte Analyse mit dem Hires-Spektrografen von Keck I folgen. Dabei entdeckten sie mehr als 25 schwere Elemente – von Sauerstoff bis hin zum Blei. Dies ist als kleine Sensation zu werten: Bei bisherigen Beobachtungen von Galaxien im frühen Universum konnten nur wenige Metalle nachgewiesen werden, die zudem alle leichter als Eisen waren.

Vor 11 Milliarden Jahren – der Zeit, aus der die untersuchte Protogalaxie stammt – war das Weltall zwar noch sehr jung; dennoch lag der Urknall schon etwa 2,7 Milliarden Jahre zurück. Unter diesen Umständen ist die Entdeckung schwerer Elemente nicht mehr ganz so überraschend. Zwei Dinge machen sie dennoch bemerkenswert. Erstens beweist die Anwesenheit von Metallen schwerer als Eisen, dass auch damals schon Sterne mit 15 und mehr Sonnenmassen entstanden waren, die kurze Lebensdauern von wenigen Millionen Jahren haben, bevor sie als Supernovae enden und ihren Inhalt in der Galaxie verstreuen. Nur solche Schwergewichte können nämlich die höheren Elemente erzeugen.

Mindestens genauso bedeutsam ist das zweite Faktum: Prochaska und seine Kollegen konnten auch die relative Häufigkeit der gefundenen Metalle ermitteln, und die ist, wie sich zeigte, derjenigen im Sonnensystem erstaunlich ähnlich. Demnach lief die Elementsynthese in jungen Galaxien bereits nach demselben Schema ab wie heute.

Noch deutlich näher an den Urknall heran als Prochaskas Gruppe kamen drei Astronomen von der Europäischen Südsternwarte Eso, dem Space Telescope Science Institute in Baltimore und der Universität von West-Michigan in Kalamazoo. Statt das Quasarlicht lediglich als Hintergrundbeleuchtung zu benutzen, um Absorptionsspektren von Sternsystemen im Vordergrund aufzunehmen, entlockten sie ihm die Informationen, die es in Form von Emissionslinien über die quasistellaren Objekte selbst liefert. Quasare sind die leuchtkräftigsten Strahlungsquellen aus der Frühzeit des Universums, und sie beziehen ihre enorme Energie nach heutigem Kenntnisstand aus dem Einfall von Materie in extrem massereiche Schwarze Löcher in den Zentren ihrer Wirtsgalaxien.

Wolfram Freudling von der Eso in München und seine beiden Kollegen nutzten das Instrument Nicmos (Near-Infrared Camera and Multi-Object Spectrometer) an Bord des Hubble-Weltraumteleskops, um Spektren dreier Quasare mit Rotverschiebungen zwischen 5,78 und 6,28 aufzunehmen, was etwa einer Milliarde Jahre nach dem Urknall entspricht (Astrophysical Journal, Bd. 587, L67). Dabei gelang ihnen der Nachweis von Kohlenstoff und Magnesium. Außerdem war ein schwächer ausgeprägter Linienkomplex von einfach ionisiertem Eisen zu beobachten.

Nach akzeptierten Theorien der Nukleosynthese sind für die Erzeugung und Verteilung der Metalle um Eisen hauptsächlich Supernovae vom Typ Ia verantwortlich. Sie gehen aus Sternen relativ niedriger Masse hervor, die eine ziemlich lange Lebensdauer haben und normalerweise unspektakulär als Weiße Zwerge enden. In diesem Falle allerdings haben sie einen nahen Begleiter, von dem sie am Schluss ihres Werdegangs so lange Materie abziehen, bis sie unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabieren. Berücksichtigt man ihre lange Lebensdauer, so müssen sie schon 100 bis 400 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sein – in ausgezeichneter Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen aus den Wmap-Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Der erste Staub im All

Die dritte Gruppe von aktuellen Untersuchungen zur Sternbildung im frühen Universum benutzte Radiostrahlung anstelle von sichtbarem Licht und wies damit Moleküle oder Staubteilchen statt einzelner Atome nach. Schon vor einem Jahr fand eine internationale Astronomengruppe eine starke Kohlenmonoxid-Linie bei einem Quasar namens PSS 2322+1944. Mit einer Rotverschiebung von 4,12 ist er 12,1 Milliarden Lichtjahre entfernt und gewährt folglich Einblicke in die Zeit 1,6 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Die Entdeckung von Kohlenmonoxid beweist, dass es damals schon Kohlenstoff und Sauerstoff gab.

Doch diese Erkenntnis war noch nicht alles. Kürzlich ließ sich die Kohlenmonoxid-Linie mit dem Very Large Array in Socorro (Neu-Mexiko) auch räumlich auflösen (Science, Bd. 300, S. 773). Dabei kam den Forschern der Gravitationslinsen-Effekt einer Vordergrundgalaxie in der Sichtlinie zur Erde zu Hilfe, der die Strahlung zu einem so genannten Einstein-Ring beugt und einen unerwartet detaillierten Einblick in die Gasverteilung im Quasar ermöglicht. Aus der Größe des Rings von 1,5 Bogensekunden und seiner Position relativ zum optischen Bild des Quasars lässt sich ableiten, dass sich das Gas über eine Scheibe mit etwa 12000 Lichtjahren Durchmesser verteilt, während das zentrale schwarze Loch nur wenige Lichttage im Querschnitt misst.

Diese Scheibe ist aber nicht nur sehr ausgedehnt, sondern hat auch eine relativ hohe Temperatur von schätzungsweise 50 Kelvin (-223 Grad Celsius). Das ergaben Messungen mit der Mambo-Kamera (Max-Planck-Millimeter-Bolometer) am 30-Meter-Radioteleskop des Instituts für Radioastronomie im Millimeterbereich (Iram) auf dem Pico Veleta bei Granada in Spanien. Dabei registrierte das Gerät ungewöhnlich starke thermische Radiostrahlung, die von erwärmten Staubteilchen stammt. Für diese Erwärmung kann unmöglich das viele tausend Lichtjahre entfernte Schwarze Loch im Zentrum verantwortlich sein. Als Heizquelle kommen nur Sternbildungsprozesse in Frage, die innerhalb der Scheibe ablaufen. Sie wurden damit erstmals in einem so weit entfernten Quasar nachgewiesen.

Aus der Intensität der thermischen Radiostrahlung lässt sich abschätzen, dass sich innerhalb der Staubscheibe von PSS 2322+1944 insgesamt Gasmengen von jährlich 900 Sonnenmassen zu Sternen zusammenballen. Damit beträgt die Sternbildungsrate fast das Tausendfache derjenigen in normalen Galaxien wie der Milchstraße. Unter diesen Umständen dauert es weniger als 100 Millionen Jahre, bis das stellare Inventar einer großen elliptischen Galaxie zusammenkommt – während zugleich ein massereiches Schwarzes Loch im Zentrum entsteht. Die Anreicherungsraten der schweren Elemente haben bereits ähnlich hohe Werte, wie man sie heute – 13 Milliarden Jahre danach – im interstellaren Gas benachbarter Galaxien beobachtet.

Sternbildung beim fernsten Quasar

Im Rahmen der Iram-Beobachtungen gelang es einer Gruppe um Frank Bertoldi vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn Anfang dieses Jahres schließlich auch, Staub um den fernsten bekannten Quasar zu nachzuweisen (Bild unten). Mit einer Rotverschiebung von 6,4 kündet SDSS J1148+5251 von einer Zeit, die 12,8 Milliarden Jahre zurückliegt. Bei Beobachtungen mit dem Iram-Radio-Interferometer auf dem Plateau de Bure in den französischen Alpen (Bild oben) ließen sich im April sogar gleich drei Kohlenmonoxid-Linien finden (Nature, Bd. 424, S. 406). Ein Gravitationslinsen-Effekt tritt hier zwar nicht auf, aber aus der Breite und den relativen Intensitäten der drei Spektrallinien ergibt sich ebenfalls eine Ausdehnung der Gas- und Staubansammlung von einigen tausend Lichtjahren.

Auch in diesem fernsten bekannten Quasar entstehen also schon in rasantem Tempo Sterne – durchschnittlich einer alle fünf Stunden. Außerdem zeigt diese Messung, dass 850 Millionen Jahre nach dem Urknall bereits die schweren Elemente Kohlenstoff und Sauerstoff sowie möglicherweise Silizium in einem Quasar vorkamen. Berücksichtigt man die Zeit, die zu ihrer Bildung in den stellaren Fusionsöfen und zur anschließenden Freisetzung der schweren Elemente erforderlich war, so kommt man wieder in die Nähe des Wmap-Wertes für die Entstehung der allerersten Sterne.

Noch vor kurzem glaubten Theoretiker, dass es mindestens 700 Millionen Jahre dauerte, bis sich die ziemlich homogen verteilte Materie im jungen Kosmos zu kompakten Objekten verdichtete, in denen Fusionsprozesse in Gang kamen. Als die Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung dann Anfang des Jahres den früheren Wert nahe legte, war das eine große Überraschung. Doch die Bestätigung mit anderen experimentellen Methoden ließ nicht lange auf sich warten. Insgesamt zeigt sich eine bemerkenswerte Konsistenz der neuen Forschungsergebnisse zum frühen Universum.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2003, Seite 10
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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