Nachtrag: 'Noah' ist tot
Auch wenn das "Arche-Noah-Projekt" gelingen sollte, werden gefährdete Arten dadurch nicht gerettet.
Das Gaur-Kalb "Noah" sollte das Ers-te einer Schar geklonter Wildtiere sein, die zur Rettung ihrer eigenen bedrohten Art beitragen würden (siehe "Die neue Arche Noah", Spektrum der Wissenschaft, 1/2001, S. 34). Der Clou an dem Programm amerikanischer Unternehmen: Weibchen fremder Arten sollen die geklonten Feten austragen. Doch nur zwei Ta-ge nach seiner Geburt Anfang Januar starb der kleine Gaur, ein seltenes asiatisches Wildrind, an einer Darminfektion.
Die beteiligten Forscher werten ihr Unterfangen dennoch als Erfolg. Das Kalb – aus einer Hautzelle eines acht Jahre zuvor gestorbenen fünfjährigen Gaur-Bullen und der entkernten Eizelle eines Hausrindes geschaffen – war anscheinend lebensfähig und wirkte zunächst gesund und mobil. Auch seine Leihmutter, ein Hausrind, überstand das Experiment offenbar unbeschadet.
Damit dürfte erwiesen sein: Prinzipiell lassen sich gefährdete Tiere durch Klonen mit Hilfe anderer Arten vermehren. Zwar blieb "Noah" von fast 700 geklonten Embryonen als Einziger übrig. Doch auch die Vermehrung von gewöhnlichen Hausrindern gelingt mit der gleichen Methode bisher nur in einem winzigen Bruchteil der Versuche. Die Hürde im Arche-Noah-Projekt ist also nicht so sehr die Artgrenze, sondern schlicht die Beherrschung der biologischen Vorgänge bei dieser Form der künstlichen Vermehrung. Die Wissenschaftler werden die Hindernisse mehr und mehr zu beseitigen wissen.
Die amerikanischen Forscher wollen daher auch nicht aufgeben. Schon für dieses Jahr planen sie neue Klonversuche mit gefährdeten oder vor kurzem ausgestorbenen Tieren. Manche Zoologen halten diesen "Rettungsansatz" allerdings schon deswegen für absurd, weil fremdgeklonte Tiere das, was sie an arteigenem oder populationsspezifischem Verhalten erst lernen müssten – und das betrifft bei Säugetieren sehr vieles –, ohne enge Beziehungen zu Angehörigen ihrer eigenen Art gar nicht erwerben (siehe Kommentar in Spektrum der Wissenschaft 1/2001, S. 38). Biologisch gesehen, wäre daher ein Arterhalt ohne Bewahrung des ökologischen Rahmens sinnlos, nämlich allenfalls eine Konservierungsmaßnahme. Lebendige Bezüge, die einmal abgeschnitten sind, lassen sich nicht wiederbeleben.
Solche Einwände werden die Begeisterung von Klon-Forschern für derartige Projekte wohl nicht schmälern. Auch wenn es schwer fällt, den Gedanken nachzuvollziehen: Sie setzen sich tatsächlich zum Ziel, mit den künstlich geschaffenen Tieren die Zeit zu überbrücken, bis es wieder passende Ökosysteme geben wird. Eigentlich könnte man dann aber auch mit dem Klonen so lange warten und nur Gewebeproben aufheben. Denn wo würden die Herden aus Tausenden von Klonen so lange untergebracht? Vor allem aber: Sollte man den Generationen von Tieren die eingeschränkten Lebensbedingungen einer Haltung in Gefangenschaft wirklich wünschen? Zumal nicht absehbar ist, ob die verschwundenen Lebensräume jemals wiederentstehen.
An geklonte Hausschafe und Hausrinder haben wir uns inzwischen schon fast gewöhnt. Geklonte Gaure, Steinböcke oder Pandas werden nicht mehr für so viel Sensationsmeldungen sorgen wie 1997 das erste Klonschaf "Dolly". In einigen Jahren werden solche Tiere wohl in den Zuchtstationen oder Zoos leben. Mit Arterhaltung hat dies aber letztlich wenig zu tun.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 2001, Seite 22
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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