Zoologie: Nächtlicher Durchblick
Die letzten Sonnenstrahlen fallen durch die Blätter, bevor die Nacht im dichten, stickigen Regenwald auf Panamas Barro Colorado Island hereinbricht. Wie ein Schleier legt sich die Finsternis über das Dickicht. Schon bald kann das menschliche Auge nicht mehr erkennen als das Funkeln des Sternenhimmels über den Baumkronen. Die Grillen beginnen ihren Chor, während die Brüllaffen für die Nacht ruhen.
Im Zwielicht lugt eine nachtaktive Schmalbiene aus ihrem Nest. Sie hat pralle Augen, ihr Kopf glänzt metallisch grün, und ihre Unterseite ist hellbraun gefärbt. Das Insekt der Spezies Megalopta genalis kriecht langsam aus einem etwa 30 Zentimeter langen, ausgehöhlten Zweig. Bevor sie abhebt, blickt sie noch einmal zurück. Über ihrem Stocknest befindet sich eine schwarz-weiß gestreifte Karte, die Forscher dort platziert hatten. Die nahe gelegenen hohlen Zweige haben auch Karten, doch die sind uniform grau.
Nachdem die Biene davongeschwirrt ist, eilen der Zoologe Eric Warrant und seine Kollegen von der Universität Lund in Schweden zu den Nestern. Sie nehmen die gestreifte Karte ab und tauschen sie gegen eine graue aus. Erstere bringen sie dann an einem anderen Zweig an. Als die Biene zurückkehrt, visiert sie direkt das Nest mit der Streifenkarte an. Damit zeigt sie: Schmalbienen können das visuelle Signal nicht nur erkennen, sie nutzen es auch zur Navigation. »Selbst in den dunkelsten Umgebungen haben sie kein Problem damit, die Marker zu sehen«, sagt Warrant. Menschen, die die Insekten verfolgen, würden ohne ihre Nachtsichtgeräte buchstäblich gegen Bäume prallen, weil es so dunkel ist, fügt er hinzu…
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