Narkolepsie: Das schöpferische Potenzial von Sekundenschlaf
George Church sieht aus, als bräuchte er ein Nickerchen. Während wir per Video telefonieren, gewinne ich den Eindruck, dass seine Augenlider immer schwerer werden und er stetig schläfriger. Vielleicht spielt mir aber nur mein Verstand einen Streich: Church versichert mir, er sei hellwach. Doch für den Molekularbiologen, der an der Harvard Medical School forscht, verschwimmen Schlaf- und Wachzustand oft. Er hat Narkolepsie, eine seltene neurologische Erkrankung, die mit plötzlichen Einschlafattacken einhergeht. Church ist schon öfter unter unglücklichen Umständen weggedöst, etwa während Vorträgen oder in Diskussionsrunden – einmal nur wenige Meter von Microsoft-Gründer Bill Gates entfernt. Das Autofahren musste er aufgeben, da das Risiko zu hoch war, am Steuer einzunicken.
Dennoch ist er davon überzeugt, dass die Vorteile der Narkolepsie solche Unannehmlichkeiten mehr als aufwiegen. Church ist in der Forschungswelt für seine Beiträge zu zahlreichen Fachgebieten bekannt, und viele seiner besten Einfälle stammen ihm zufolge direkt aus den Tagesschläfchen. Seine Idee für ein schnelles und einfaches Verfahren zum »Lesen« von DNA – welches in der Folge zur ersten kommerziellen Genomsequenz des Keims Helicobacter pylori führte – entsprang etwa einer solchen Episode. Ebenso sein Vorstoß, Erbgut mit einer CRISPR-ähnlichen Technik zu bearbeiten, sowie eine Methode, um neue Genome aus handelsüblichen Molekülen zu erstellen…
© Nautilus https://nautil.us/narcoleptic-naps-are-a-creative-sweet-spot-259482/
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