Neolithisierung II: Die Milchrevolution
Bei Ausgrabungen einer frühen jungsteinzeitlichen Siedlung in den fruchtbaren Ebenen Zentralpolens in den 1970er Jahren stieß der amerikanische Archäologe Peter Bogucki auf merkwürdige Tonscherben: Sie waren mit feinen Löchern übersät, als hätten die Leute Gefäße aus rotem Ton vor dem Brennen mit Strohhalmen durchbohrt. Die Menschen, die vor rund 7000 Jahren an diesem Ort gelebt hatten, zählten zu den ersten Bauern Mitteleuropas.
In der Fachliteratur fand Bogucki daraufhin Berichte über ähnliche Funde. "Gerade weil perforierte Töpferware höchst ungewöhnlich erschien, erwähnte man sie meistens in seinen Publikationen", erinnert sich der Forscher, der heute an der Princeton University (New Jersey) arbeitet. Er selbst dachte beim Anblick dieser Fragmente an Siebe zur Käseherstellung, die er einmal gesehen hatte. Aber ob seine Idee zutraf, konnte er damals nicht klären.
Erst 2011 nahm sich Mélanie Roffet-Salque, eine Geochemikerin an der University of Bristol (England), jener Artefakte wieder an – und fand daran Rückstände von Milchfett. Offenbar wurden die durchlöcherten Tongefäße tatsächlich einst bei der Herstellung von Quark oder Käse benutzt – vermutlich dazu, die Molke von der kompakten, fetten Masse abzutrennen. Das wäre der weltweit früheste Hinweis auf Käseproduktion überhaupt.
Dieser Befund fügt sich in eine Reihe weiterer jüngerer Entdeckungen zur frühen Milchnutzung in Europa, die erkennen lassen, wie sehr die Besiedlungsgeschichte des Kontinents von der Milchwirtschaft geprägt wurde. Etliche dieser neuen Ergebnisse kamen im Rahmen eines übergreifenden Forschungsprojekts zu Stande, für das die Europäische Union 3,3 Millionen Euro bereitstellte und das Archäologen, Chemiker und Genetiker beteiligte. ...
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