Pädiatrie: Für immer Frühchen?
Warum ihr Kind mehr als drei Monate zu früh zur Welt kam, weiß Fabienne nicht. An einem ruhigen Nachmittag im Juni 2007 setzten bei der Schwangeren plötzlich heftige Wehen ein, und sie fuhr zum nächstgelegenen Krankenhaus bei Lausanne. Statt in der 40. Schwangerschaftswoche kam ihr Sohn Hugo schon in der 26. Woche auf die Welt – gerade einmal 950 Gramm schwer. Er wurde sofort auf die Intensivstation gebracht. Drei Tage später erfuhren die Eltern, dass Ultraschalluntersuchungen starke Blutungen aus Hugos unreifen Hirngefäßen zeigten. "Ich brach einfach nur in Tränen aus", erinnert sich Fabienne.
Hugos Prognose war ausgesprochen düster. Der Kleine würde höchstwahrscheinlich eine Zerebralparese erleiden, eine neurologische Schädigung, die zu einem Leben mit schweren Behinderungen führt. Das wollten die Eltern ihrem Kind nicht antun. "Wir sagten den Ärzten gleich, dass wir keine weit reichenden medizinischen Maßnahmen wollten, die ihn einfach nur am Leben erhielten. Und die Ärzte schienen erleichtert zu sein", erzählt Fabienne. Die folgende Nacht war die schlimmste ihres Lebens.
Am nächsten Tag schlugen die Ärzte zur Absicherung der Diagnose noch eine Magnetresonanztomografie (MRT) vor. Mit einer auf Frühgeborene abgestimmten MRT-Untersuchung könne das Risiko einer Zerebralparese genauer vorhergesagt werden, weil dabei weniger falsch positive Befunde auftreten als bei Ultraschalluntersuchungen. Überraschenderweise zeigten die MRT-Aufnahmen nur eine begrenzte Schädigung von Hugos Gehirn. Die Eltern machten 24 Stunden nach ihrer ersten Entscheidung eine Kehrtwende: Das Leben ihres Sohns sollte jetzt wenn möglich gerettet werden.
Dank medizinischer Fortschritte seit den 1970er Jahren überleben Frühgeborene, also Kinder, die vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, immer häufiger. Manche Kliniken versuchen sogar schon Frühgeborene in der 22. Woche zu retten. Diese Entwicklung stellt Ärzte und Eltern vor schwierige Entscheidungen, weil die Wahrscheinlichkeit schwerer Behinderungen steigt, je früher ein Kind geboren wird. So erleiden 1 bis 2 Prozent der termingerecht geborenen Kinder eine Zerebralparese, 9 Prozent sind es bei Geburt vor der 32. Woche und 18 Prozent bei Geburt in der 26. Woche.
Neurowissenschaftler wissen inzwischen mehr über das unreife Gehirn der Frühgeborenen, was auch medizinische Entscheidungen und Therapien beeinflusst ...
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