Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Kosmologie: Gegenwind für die dunkle Materie

Große Himmelsobjekte bewegen sich anders als nach den Gravi­tationsgesetzen vorhergesagt. Die meisten Kosmologen machen dafür die Wirkung noch unbekannter Teilchen verantwortlich. Ein theoretischer Physiker widerspricht – und belebt mit seinem neuen Ansatz eine alte Debatte.
Erik Verlinde

Seit nunmehr acht Jahrzehnten rätseln Wissenschaftler über eine Substanz, die sie nicht sehen können, deren Schwerkraft sie aber benötigen, um die Bewegungen der Galaxien zu erklären. Diese so genannte Dunkle Materie sollte sogar fünfmal so viel Masse besitzen wie alle übrigen Objekte im All zusammen. Wir kennen demnach nur einen Bruchteil unseres Universums – obwohl Tausende von Physikern nach den Teilchen fahnden, aus denen die Dunkle Materie bestehen könnte. Da sie sich nur durch ihre Gravitationskraft bemerkbar macht, sendet sie kein Licht aus und absorbiert keines. Es ist also unmöglich, sie in Teleskopen direkt zu sehen. Dennoch glaubt die Mehrzahl der Astronomen an ihre Existenz.

Am Ausgangspunkt ihrer Überlegungen steht dabei eine zentrale Annahme: Wir wissen genau, wie sich Himmelskörper bewegen. Dort, wo sie sich nicht so verhalten wie erwartet, verrät sich demnach die Dunkle Materie als Einfluss einer verborgenen Masse. Was allerdings, wenn die grundlegenden Theorien über die Bahnen von Objekten im Universum falsch sind? Was, wenn die Schwerkraft auf sehr großen Skalen anders funktioniert? Dann wären womöglich gar keine unsichtbaren Bausteine nötig, um eigenartige Befunde zu erklären, sondern vielmehr neue Gesetze.

Dieses Argument vertritt nur eine Minderheit der Kosmologen, dennoch wird es in Fachkreisen seit einiger Zeit wieder intensiv diskutiert. Anlass dafür war ein Vorschlag von Erik Verlinde, einem theoretischen Physiker an der Universität Amsterdam. Er ist für seine kühnen und weitsichtigen, mitunter nicht ganz ausgereiften Ideen bekannt. Am 7. November 2016 veröffentlichte Verlinde online einen 51 Seiten langen Artikel. Darin erklärt er die Gravitation zu einem Produkt quantenmechanischer Wechselwirkungen. Die zusätzliche Schwerkraft, die man der Dunklen Materie zuschreibt, ist seiner Ansicht nach ein Effekt der so genannten Dunklen Energie, die in das raumzeitliche Gefüge des Universums eingewoben ist und dessen beschleunigte Expansion antreibt (siehe Spektrum September 2016, S. 12). Dunkle Materie sei nicht eine Ansammlung unsichtbarer Teilchen, sondern ein Wechselspiel zwischen gewöhnlicher Materie und Dunkler Energie ...

Kennen Sie schon …

Spektrum der Wissenschaft – Eine neue Weltformel

Rund 100 Jahre währt die Suche der theoretischen Physik nach einer Quantentheorie der Schwerkraft. Doch vielleicht kann die Gravitation in einer Weltformel so bleiben, wie sie ist – zumindest fast. Experimente könnten die neue Theorie schon bald testen. Außerdem im Heft: Die Bedeutung der Böden der Erde wurden lange unterschätzt. Zahlreiche Organismen im Boden zersetzen abgestorbenes organisches Material und fördern so den globalen Kohlenstoffkreislauf. Gammastrahlenblitze mischen gelegentlich die irdische Ionosphäre durch. Aber brachten kosmische Explosionen das Leben auf der Erde schon einmal an den Rand der Existenz? Selbst unter dem Eis des arktischen Ozeans findet man Lava speiende Vulkane und Schwarze Raucher. Dies bietet einen neuen Blick auf die geologischen Vorgänge in unserem Planeten.

Spektrum - Die Woche – Riechverlust als Warnsignal

Der Geruchssinn kann dabei helfen, neurologische und psychische Erkrankungen früher zu erkennen. Warum das so ist und ob ein plötzlicher Riechverlust tatsächlich auf Alzheimer, Parkinson oder Depressionen hinweist, lesen Sie ab sofort in der »Woche«. Außerdem: Bekommt Google Konkurrenz?

Spektrum - Die Woche – Tierisch gut geträumt

Träume sind nicht uns Menschen vorbehalten, auch Tiere sind während des Schlafs zeitweise in anderen Welten unterwegs. Was passiert dabei im Gehirn, welche Funktion erfüllt das Träumen? Außerdem in dieser »Woche«: Gigantische Leerräume im All liefern wichtige Daten für die astronomischen Forschung.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Brouwer, M. M. et al.: First Test of Verlinde‘s Theory of Emergent Gravity Using Weak Gravitational Lensing Measurements. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 466, S. 2547–2559, 2017

McGaugh, S. S. et al.: Radial Acceleration Relation in Rotationally Supported Galaxies. In: Physical Review Letters 117, 201101, 2016

Verlinde, E. P.: Emergent Gravity and the Dark Universe. In: arXiv, 1611.02269, 2016

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.