Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Mathematische Unterhaltungen: Neue Modelle für Quasikristalle

Konstruktionsverfahren für nichtperio­dische Pflasterungen der Ebene lassen sich auf den Raum erweitern. Vor allem mit Hilfe des Substitutionsprinzips kann man dreidimensionale nichtperio­dische Raumfüllungen erzeugen und damit ein Modell für jene seltsamen Festkörper liefern, welche Physiker als Quasikristalle bezeichnen.
Quasikristall

In der letzten Folge dieser Rubrik ging es darum, wie Künstler die speziellen Eigenschaften der so genannten Penrose-Parkette für ihre Zwecke nutzen. Deren Urbausteine sind zwei »goldene Dreiecke«: gleichschenklige Dreiecke mit dem Seitenverhältnis des goldenen Schnitts (τ ≈ 1,618), ein breites mit langer Basis und kurzen Schenkeln und ein hohes, bei dem die Schenkel τ-mal so lang sind wie die Basis. Zwei Exemplare eines goldenen Dreiecks, mit den Basen aneinandergelegt, ergeben eine dicke beziehungs- weise eine dünne Raute, und dies sind die Pflastersteine, mit denen man ein im Prinzip unendliches Parkett legen kann. Allerdings nicht beliebig! Spezielle »Anlegeregeln«, anschaulich gemacht durch eine Musterung der Steine oder eine Deformation ihrer Kanten, erzwingen, dass das Parkett nichtperiodisch ist. Das heißt, anders als in der klassischen Badezimmerkachelung gibt es keine Parallelverschiebung, die das ganze Parkett mit sich selbst zur Deckung bringt. Vielmehr steckt in dem ganzen Muster eine fünfzählige Symmetrie – irgendwie.

Ein sehr mächtiges theoretisches Hilfsmittel zum Verständnis der nichtperiodischen Parkettierungen ist die so genannte Substitution. Man zerlegt jeden Stein in eine Menge verkleinerter Exemplare aus demselben Steinsortiment und vergrößert das so erhaltene Parkettfragment so, dass jeder Stein wieder die Originalgröße hat. Diese beiden Schritte kann man beliebig oft wiederholen mit dem Effekt, dass ein beliebig kleiner Teil eines Parketts – ein einziger Stein genügt – schrittweise zu immer größeren Flächen heranwächst und im Grenzwert die ganze unendliche Ebene bedeckt.

Vom Standpunkt der Festkörperphysiker aus ist die ganze schöne Theorie der Penrose-Parkette nur eine Vorübung für dasselbe in drei statt zwei Dimensionen …

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Akustische Kur gegen Stress

Naturgeräusche haben eine unglaublich beruhigende Wirkung auf uns. Wieso das so ist und wie Vogelgezwitscher und Wasserrauschen im Gehirn verarbeitet werden und auf unsere Psyche wirken, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der »Woche«. Außerdem: Läutet das KI-Zeitalter eine neue Ära der Physik ein?

Spektrum - Die Woche – Wie die Guinness-Brauerei den t-Test erfand

Wer hätte gedacht, dass eine Brauerei der Geburtsort für eine der wichtigsten mathematischen Methoden ist? Dem Guiness-Bier haben wir zu verdanken, dass Ergebnisse in der Wissenschaft als statistisch signifikant gewertet werden können. Außerdem in dieser »Woche«: Wie Rauchen das Immunsystem stört.

Spektrum der Wissenschaft – Fraktale

Seit Jahrzehnten arbeitet eine kleine Gruppe von Mathematikern an den letzten Geheimnissen des wohl bekanntesten Fraktals. Ihre Geschichte zeigt, wie technische Fortschritte selbst die abstraktesten mathematischen Gebiete voranbringen. Ein Durchbruch zur Entschlüsselung der Mandelbrot-Menge dürfte kurz bevorstehen. Außerdem im Heft: Bartenwale sind die Giganten der Meere. Ihre Nahrung besteht jedoch aus winzigen Planktonorganismen. Wie spüren die Wale das Futter in den Weiten des Ozeans auf? Drei Bierforscher interessieren sich für moderne und alte Hefestämme rund um das Brauen von Bier. Kryptografen und -innen arbeiten auf Hochtouren daran, neuartige Algorithmen zu entwickeln, die den Fähigkeiten künftiger Quantencomputer standhalten können. Es gibt einige vielversprechende Kandidaten, doch einige davon wurden bereits geknackt.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Dietl, R. M. K.:Dreidimensionale Penrose-Muster und Selbstähnlichkeit. Dissertation, Augsburg 2011

Dietl, R. M. K, Eschenburg, J.-H.:Three-dimensional Penrose Tilings and Self-Similarity. Preprint, Universität Augsburg 2012

Grünbaum, B.:The Bilinski Dodecahedron and Assorted Parallelohedra, Zonohedra, Monohedra, Isozonohedra, and Otherhedra. The Mathematical Intelligencer 32, 2010

Levine, D., Steinhardt, P. J.:Quasicrystals. I. Definition and Structure. Physical Review B 34, 1986

Madison, A. E.:Substitution rules for icosahedral quasicrystals. RSC Advances 5, 2015

Madison, A. E.:Symmetry of icosahedral quasicrystals. Structural Chemistry 26, 2015

Madison, A. E.:Atomic structure of icosahedral quasicrystals: stacking multiple quasi-unit cells. RSC Advances 5, 2015

Madison, A. E., Madison, P. A.:Looking for alternatives to the superspace description of icosahedral quasicrystals. Proceedings of the Royal Society A 475, 2018

Socolar, J. E. S., Steinhardt, P. J.:Quasicrystals. II. Unit-cell configurations. Physical Review B34, 1986

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.