Hirnforschung: Neue Nervenzellen demontieren alte Erinnerungen
Neue Nervenzellen entstehen bei Säugetieren nur bis relativ kurz nach der Geburt – davon waren Neurowissenschaftler bis in die 1990er Jahre hinein überzeugt. Heute weiß man, dass auch erwachsene Gehirne neuronalen Nachwuchs produzieren. Allerdings findet diese "adulte" Neurogenese in geringerem Ausmaß als die embryonale statt und in nur zwei verschiedenen Gehirnarealen: im Riechkolben und im Gyrus dentatus, der Eingangsstation des Hippocampus. Letztere Hirnstruktur sitzt tief innen im Schläfenlappen und sorgt maßgeblich dafür, dass Erinnerungen entstehen und wieder abgerufen werden können. Außerdem ist der Hippocampus eine wichtige Schaltstelle beim Lernen und räumlichen Orientieren. Damit stellt sich aber die Frage, wie sich die neu gebildeten Nervenzellen auf all diese Funktionen auswirken.
Auf der Suche nach einer Antwort untersuchten bereits vor einigen Jahren Amar Sahay – damals an der Columbia University in New York – und sein Team die Lernfähigkeit von erwachsenen Mäusen, bei denen die Forscher die Neurogenese mittels Genmanipulation verstärkt hatten. Sie unterzogen die Nager einer so genannten Angstkonditionierung: Über neun Tage hinweg versetzten sie ihnen jeden Tag in einem den Tieren bisher unbekannten Käfig A kurze elektrische Schocks. Danach kamen die Mäuse in einen ähnlich aussehenden, aber anders riechenden Käfig B, in dem ihnen nichts geschah. Die Forscher maßen anhand der Angstreaktion der Nager – ein Erstarren in Erwartung vor dem Elektroschock –, wie gut diese zwischen der "gefährlichen" und der "harmlosen" Umgebung unterscheiden konnten.
Anfangs hatten alle Tiere vor beiden Käfigen gleich viel Respekt. Nach durchschnittlich neun Tagen hatten die Mäuse mit normaler Neurogenese gelernt, dass sie sich vor Käfig B nicht zu fürchten brauchten. Denjenigen mit verstärkter Zellneubildung war das aber im Mittel bereits ab dem vierten Tag klar! ...
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