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Neuer Erfolg der GSI - Element 111 entdeckt


Nur einen Monat nach ihrer aufsehenerregenden Entdeckung des bis dahin schwersten chemischen Elements mit der Ordnungszahl 110 vollbrachten dieselben Wissenschaftler der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt den nächsten Schritt in unbekanntes Terrain des Periodensystems: Am 8. Dezember 1994 um 5.49 Uhr identifizierte das Team um Peter Armbruster, Sigurd Hofmann und Gottfried Münzenberg – dem auch Wissenschaftler des Kernforschungszentrums Dubna (Rußland), der Comenius-Universität in Bratislava (Slowakei) und der Universität Jyväskylä (Finnland) angehören – einen Atomkern des Elements 111. Bis zur Beendigung des Experiments am 18. Dezember vermochte die Gruppe noch zwei weitere dieser Kerne zu synthetisieren und zweifelsfrei nachzuweisen; mit 111 Protonen und 161 Neutronen stellen sie die massereichsten Atomkerne dar, die jemals erzeugt worden sind. Damit konnten die GSI-Wissenschaftler schon ihr fünftes überschweres Element verbuchen. Bereits zwischen 1981 und 1984 hatten sie als erste die Elemente 107, 108 und 109 erzeugt; und bevor sie jetzt bis zur Ordnungszahl 111 vorstießen, war es ihnen im November 1994 gelungen, zwei Isotope des Elements 110 nachzuweisen (Spektrum der Wissenschaft, September 1988, Seite 42, sowie Januar 1994, Seite 21). Bei allen fünf Experimenten nutzten die Forscher das Verfahren, mittelschwere Ionen (mit Massenzahlen zwischen 54 und 64) auf hohe Energien zu beschleunigen und auf ein Target aus schweren Isotopen (zum Beispiel Blei-208 oder Wismut-209) zu schießen. Bei der Kollision verschmelzen Projektil- und Targetkern mit einer sehr kleinen Wahrscheinlichkeit zu einem schwach angeregten Verbundkern. Dieser zerfällt in der Regel spontan, aber in einem Milliardstel der Fälle gibt er seine Anregungsenergie durch Aussenden eines Neutrons ab. Dennoch sind die Erzeugungsraten für schwere Elemente bei diesem Verfahren größer als bei der Verschmelzung von leichten Kernen wie etwa Neon-22 mit schweren Actiniden-Targets (beispielsweise Curium-248): In diesem Falle heizen sich nämlich die entstehenden Verbundkerne wesentlich stärker auf; ihre höhere Anregungsenergie können sie nur durch das aufeinanderfolgende Abdampfen mehrerer Neutronen abführen – was die Chance, daß die Abkühlung vor einer Spontanspaltung abgeschlossen ist, erheblich verringert. Dieser Vorteil der kleinen Anregungsenergie wird allerdings durch einen anderen Effekt teilweise ausgeglichen: Die abstoßenden Coulomb-Kräfte zwischen Projektil- und Targetkern behindern deren Fusion um so mehr, je ähnlicher die Massenzahlen der beteiligten Stoßpartner sind. Für die Synthese der Elemente mit Ordnungszahlen über 106 ergeben sich dennoch bei dem in Darmstadt verwendeten Verfahren deutlich höhere Reaktionsraten – sogenannte Wechselwirkungsquerschnitte – als bei Actiniden als Targets. Wie üblich nutzten die Wissenschaftler auch für ihr jüngstes Experiment den Schwerionen-Linearbeschleuniger UNILAC (Universal Linear Accelerator) der GSI und das Geschwindigkeitsfilter SHIP (Separator for Heavy Ion Reaction Products), das die bei den Kern-Kern-Reaktionen entstandenen Fusionsprodukte von den Target-Rückstoßkernen separiert und mit einem Detektorsystem den Nachweis einzelner Atome ermöglicht. Allerdings waren wesentliche Verbesserungen der Beschleuniger-, der Trenn- und der Detektortechnik erforderlich gewesen, um nach der Entdeckung der Elemente 107 bis 109 auch die Synthese der Elemente 110 und 111 angehen zu können. Als Projektile dienten diesmal Nickel-64-Ionen, das Target war eine dünne Wismut-209-Folie. Die synthetisierten Kerne wiesen die Darmstädter Forscher mit einem von ihnen perfektionierten Verfahren nach. Bei dem sukzessiven Alpha-Zerfall der Fusionsprodukte entstehen Tochterkerne, an deren Zerfallsart, Zerfallsenergie und Halbwertszeit – sofern aus früheren Messungen bekannt – der Ausgangskern eindeutig zu identifizieren ist. Auf diese Weise ließ sich aus drei beobachteten Zerfallsketten die Synthese dreier Kerne des Elements 111 belegen (Bild 1). In der bei der "Zeitschrift für Physik A" eingereichten Entdeckungsmeldung geben die Wissenschaftler einen Wechselwirkungsquerschnitt für die Erzeugung des neuen Elements von Quadratzentimetern (für eine Projektilenergie von 320 Megaelektronenvolt) an; die Halbwertszeit für den Alpha-Zerfall von beträgt 1,5 Millisekunden. Ihr neuerlicher Erfolg läßt die GSI-Wissenschaftler darauf hoffen, auch die Synthese der Elemente 112 und 114 schaffen und belegen zu können. Mit dem Folgeprojekt werden sie vermutlich aber erst im kommenden Jahr beginnen – denn bis dahin ist die Beschleunigeranlage bereits für andere Experimente ausgebucht. (U. R.)


Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 1995, Seite 30
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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