Neurobiologie der Sprache: Ende der Exklusivität
Im Jahr 1973 starteten Forscher der Columbia University in New York ein faszinierendes Experiment: Sie versuchten, einem jungen Schimpansen Grundlagen der menschlichen Sprache beizubringen. In Anlehnung an den berühmten amerikanischen Linguisten Noam Chomsky nannten sie den Affen Nim Chimpsky. Das Tier wurde von einer New Yorker Familie aufgezogen, die sowohl mit ihm als auch untereinander in der Amerikanischen Gebärdensprache (American Sign Language, ASL) kommunizierten. Ab seinem 21. Lebensmonat wohnte Nim in einem Haus der Columbia University und erhielt drei- bis fünfmal die Woche in einem speziell konstruierten Klassenzimmer Unterricht in ASL. Nach Abschluss der fast vier Jahre dauernden Studie kamen die betreuenden Wissenschaftler 1979 im Fachmagazin "Science" zu dem Schluss, dass Nim zwar die beachtliche Anzahl von 125 Gebärden erlernt hatte und viele seiner Äußerungen auch satzähnlich wirkten. Sie argumentierten aber dagegen, diese als Ergebnis einer Grammatik anzusehen, die mit jener menschlicher Sprachen vergleichbar ist.
Die Ergebnisse schienen zu bestätigen, was man seit Langem vermutete: Die menschliche Sprache sei einzigartig und selbst unseren engsten Verwandten im Tierreich nicht zugänglich. Diese Auffassung hält sich bis heute in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Sprache.
Auch die moderne Hirnforschung macht hier keine Ausnahme. Die Frage nach den Grundlagen der Sprache im menschlichen Gehirn ist für viele Wissenschaftler ganz selbstverständlich mit der Annahme verbunden, dass es einen qualitativen – quasi mit einem evolutionären "Sprung" einhergehenden – Unterschied gibt, der den Menschen in puncto Kommunikation vom Tierreich abhebt. Tatsächlich weisen die rund 7000 derzeit existierenden Sprachen eine immense Vielfalt an eingesetzten Mitteln und Gestalten auf. Die tierische Kommunikation kennt dagegen beispielsweise keinen Kasus (etwa Nominativ, Akkusativ oder Dativ), keine Abhängigkeit zwischen Subjekt und Verb ("Der Mann schläft" versus "Die Männer schlafen") und vermutlich auch keine komplexere, mehrstufige Verschachtelung (Rekursion) von Sätzen (Das Haus, das der Mann, den ich liebe, gekauft hat, ist baufällig.)
Aber folgt aus diesen äußerlichen Abweichungen notwendigerweise, dass der menschlichen Sprache und der tierischen Kommunikation verschiedene Baupläne zu Grunde liegen? Oder mit anderen Worten – gibt es tatsächlich eine biologische Begründung dafür, die menschliche Sprache qualitativ von den uns bekannten Formen der tierischen Kommunikation abzugrenzen?
Neue Forschungen deuten darauf hin, dass man diese Frage klar beantworten kann: Nein! ...
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