Bindungstheorie: Nicht alles muss aromatisch sein!
Der Begriff "aromatisch" spielt in der organischen Chemie eine zentrale Rolle. Ursprünglich kennzeichnete er die besondere Stabilität des Kohlenstoffsechsrings im Benzol (C6H6) in Kombination mit der Möglichkeit, die Wasserstoffatome an diesem Ring durch andere Elemente oder chemische Gruppen zu ersetzen. Die entsprechenden Substitutionsreaktionen gelingen relativ einfach und führen in vielen Fällen zu beständigen, nützlichen Verbindungen. So enthalten Aspirin, TNT, Mescalin, Vanillin und Serotonin alle einen aromatischen, benzolartigen Kern.
Mit dem Fortschritt der Chemie war es nur natürlich, die ursprünglichen Vorstellungen auf andere Verbindungsklassen auszudehnen. Dadurch erlebte der Begriff der Aromatizität eine wahre Blüte, indem er sich in unterschiedlichem Gewand und mit wunderbar erweitertem Anwendungsbereich präsentierte – ein Leckerbissen für meine Theoretikerkollegen. Inzwischen allerdings droht dieses fruchtbare Konzept zum Opfer seiner Beliebtheit und in einem Maß überstrapaziert zu werden, dass es kaum wiederzuerkennen ist und sich in Beliebigkeit auflöst. Im Computer konstruierte Moleküle erhalten zum Beispiel das Prädikat "hochgradig aromatisch" oder sogar "doppelt aromatisch" als besonders populäres Etikett. Doch die derart titulierten Verbindungen dürften kaum je in größerer Menge herstellbar sein. Man könnte das Ganze als heiße Luft abtun, nähme es nicht überhand. ...
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