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Nichts ist unmöglich: Siliciumnitrid-Keramik auf der Drehbank

Die Kombination von Laserstrahl und Diamantschneidplatte eröffnet ein weites Feld für die Endbearbeitung von Präzisionsbauteilen aus Hochleistungskeramik.


Sie sind außerordentlich fest, trotzen extremen Temperaturen und aggressiven Säuren – Hochleistungskeramiken ertragen Umgebungsbedingungen, in denen selbst metallische Sonderwerkstoffe versagen. Doch gerade ihre enorme Härte und Festigkeit erschwert jegliche Nachbearbeitung. Die aber ist mitunter unumgänglich. Denn beim "Brennen", genauer beim Sintern des pulverförmigen Rohmaterials, bilden sich rauhe, verunreinigte Oberflächen, und die Abmessungen der Werkstücke lassen sich oft nur auf wenige Millimeter genau einhalten. Meist bereinigen Diamantschleifscheiben das Problem, doch die müssen für jedes Bauteil eigens entwickelt werden, sind überdies teuer und erfordern Kühl- und Schmiermittel.

Metallbearbeiter haben mit Ähnlichem zu kämpfen, und dort erweist es sich oft als billiger, zu drehen statt zu schleifen. Dazu wird das Werkstück in einer computergesteuerten Drehbank rotiert und dabei eine sogenannte Schneidplatte darüber geführt. Der Name ist irreführend, denn tatsächlich zerschneidet die rhombusförmige Platte keine atomaren Verbindungen im Kristallgitter des Objekts, sondern verformt das Gitter solange, bis sich ein Span ablöst. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise Laufbahnen von Kugellagern besonders präzise erzeugen. Sollen diese etwas breiter werden, genügt es, den entsprechenden Parameter im Steuerprogramm der Drehbank zu ändern, während bei konventioneller Fertigung eine eigens konstruierte Schleifscheibe erforderlich wäre. Außerdem läßt sich durch Drehen mehr Material pro Zeit abtragen als durch Schleifen.

Keramiker schauen neidvoll auf solche Vorteile. Die Nachbearbeitung eines Keramikrohlings schlägt nämlich mit etwa 80 Prozent der Gesamtherstellungskosten zu Buche. Dementsprechend groß ist das Interesse, auch hier mit der wirtschaftlicheren Drehmaschine arbeiten zu können.

Bei einigen Hochleistungskeramiken wie dem Siliciumnitrid entstehen beim Sintern zum einen Kristalle, die dem Material Härte geben, zum anderen eine die Kristalle einbettende glasartige Matrix, die der Keramik Zähigkeit verleiht. Dieses Gefüge vermag lokale mechanische Belastungen sehr gut aufzunehmen, bricht also deutlich schwerer als andere Keramiken. Im Vergleich zu einem einsatzgehärteten Chromstahl verträgt Siliciumnitrid-Keramik fünfmal so hohe Umgebungstemperaturen, ist doppelt so hart, verschleißt und korrodiert deutlich weniger. Zum Beispiel läßt sich diese Keramik problemlos in eine 500 Grad heiße Zinkschmelze tauchen. Deshalb eignen sich Lager daraus zur Blechführung in Verzinkungsanlagen, während solche aus anderen Materialien aufwendig gegen die Schmelze abgedichtet werden müßten.

Die glasartige Matrix ist der Ansatzpunkt für das von uns in den vergangenen vier Jahren entwickelte laserunterstützte Drehen. Dieser "Kit" erweicht nämlich ab einer Temperatur von etwa 1000 Grad Celsius, so daß man die Kristalle bewegen und schließlich einen Span abheben kann. In der von uns entwickelten Drehmaschine wird der Werkstoff dazu unmittelbar vor der Bearbeitungszone von einem Laser aufgeheizt.

Die nahezu unbeschädigten Siliciumnitrid-Kristalle im Span reiben allerdings ihrerseits an der Oberfläche des Schneidwerkzeugs. Deshalb verwenden wir Platten aus synthetisch hergestellten, gleichmäßig in einer Kobaltmatrix verankerten Diamantkörnern, deren Härte und Verschleißfestigkeit der des Naturdiamanten kaum nachsteht. Doch Vorsicht: Unter starkem Druck und hoher Temperatur wandelt sich die Diamant-Gitterstruktur in die des deutlich weicheren Graphits. Demnach muß die Temperatur in der Zerspanzone gerade so hoch sein, daß eine Erweichung der Keramik, jedoch keine Schädigung des Werkzeugs eintritt. Das erreichen wir durch eine kontinuierliche Anpassung der Strahlungsenergie des Lasers. Als Regelgröße dient die Temperatur im Brennfleck; sie wird kontinuierlich gemessen. Die Wahl der Solltemperatur hängt von den jeweiligen geometrischen Gegebenheiten ab: Je größer der Abstand zwischen Brennfleck und Zerspanzone, desto stärker kann der Werkstoff abkühlen, desto höher muß die Solltemperatur sein.

Sind die thermischen Bedingungen optimal, gelingen bis zu zwei Millimeter tiefe Schnitte in die Keramik. Die Kontur eines Innenringes für ein Kugellager läßt sich aufgrund der geringen Werkzeugbelastung in nur einem Arbeitsgang drehen, das Schneidwerkzeug ist danach nahezu unbeschädigt. Die traditionelle Schleifbearbeitung würde den Einsatz von mehreren kostspieligen Diamantschleifscheiben erfordern und zudem deutlich länger dauern.

Die im Rahmen eines Verbundprojekts entwickelte Präzisionsdrehmaschine verfügt über einen neuartigen Hochleistungsdiodenlaser. Vier Achsen für lineare und zwei für Drehbewegungen ermöglichen, Werkzeug und Laser flexibel zueinander zu verfahren. Spezielle Sensor- und Regelungssysteme dienen der optimalen Prozeßführung und -überwachung, letztlich eine notwendige Voraussetzung für einen automatisierten Fertigungsbetrieb. Wir erwarten die industrielle Umsetzung des Verfahrens noch in diesem Jahr. Damit ist das Interesse geweckt, auch andere Zerspanverfahren wie das Fräsen für die Keramikbearbeitung nutzbar zu machen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2000, Seite 82
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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