Landschaften: Nützliche Katastrophen
Mit ungeheuerem Getöse stürzt die Flanke eines Berges zu Tal. Im Nu zieht eine immense Gesteinslawine eine Schneise der Verwüstung durch die Landschaft. Mensch und Tier werden von den dahinrasenden Massen getötet, Dörfer und Straßen unter Schutt begraben. Stoppt der Bergsturz abrupt an einem natürlichen Hindernis, kann er ein ganzes Tal abriegeln. Dann stauen sich harmlose Wasserläufe zu Seen auf, die Ortschaften und Infrastruktur überfluten (siehe Kasten S. 53). Damit nicht genug: Bahnt sich der aufgestaute Fluss irgendwann wieder seinen Weg durch den Schutt und bricht der Damm, bedrohen die ablaufenden Wassermassen die flussabwärts gelegenen Siedlungen.
Man sollte meinen, solchen schwer wiegenden Naturereignissen sei nichts Gutes abzugewinnen. Geologen konzentrierten sich deshalb im Allgemeinen auch darauf, die Ursachen eines Bergsturzes besser zu verstehen, um gefährdete Lagen zu erkennen und Risiken besser einschätzen zu können. Doch mitunter haben diese Naturkatastrophen eine nützliche Seite: indem sie die Landschaft in einer Weise verändern, die Bergbewohnern neue Lebensräume erschließt. Besonders deutlich wird das im Gebiet des oberen Indus und seiner Zuflüsse, also in den Hochtälern des Karakorum, des Hindukusch und des nordwestlichen Himalaja (siehe Karte S. 50). Inzwischen haben Wissenschaftler dort mehr als 400 große Bergstürze der Vergangenheit nachgewiesen. Fast alle ergossen sich einst über eisfreie Täler. Das heißt, sie gingen erst nach der letzten großen Vereisung (last major glaciation; LMG) nieder, vermutlich nach 12 500 bis 10 000 Jahren vor heute. Bei gut 40 Ereignissen ließ sich das Alter genauer eingrenzen: auf 2000 bis 8000 Jahre. Doch obwohl die meisten Bergstürze sich in prähistorischer Zeit ereigneten, prägen sie nach wie vor das Leben in der Region: Dörfer und Kleinstädte, Straßen und Flugfelder, Kulturstätten wie auch touristische Einrichtungen wurden auf Gesteinsmassen gebaut, die vor langer Zeit zu Tal gegangen sind.
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