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Kindheit und Chemie: Onkel Wolfram

Aus dem Englischen von Hainer Kober.
Rowohlt, Reinbek 2002. 384 Seiten, € 24,90


Der Titel führt gleich mehrfach in die Irre: Der Name "Wolfram", den Oliver Sacks seinem Onkel wegen dessen Fabrik für Glühbirnen mit Wolframdrähten gab, meint das Metall (im Original tungsten) und nicht den deutschen Vornamen. Außerdem ist es mit den "Erinnerungen" nicht weit her, denn Geschichten aus Sacks’ Kindheit und Details über ihn und seine Familie gibt es nur am Rande. So erfährt man auch fast nichts darüber, wie er zu dem berühmten Neurologen, Bestsellerautor ("Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte") und Helden des Films "Zeit des Erwachens" (mit Robin Williams) wurde.

Sacks hatte nur eine große Liebe in seiner Kindheit, die er beim Schreiben des Buches wiedergefunden und darüber so manches Autobiografische vergessen hat: die Naturwissenschaften – insbesondere die Chemie. Er begeistert(e) sich für Mineralien, Fotografie, Reibungselektrizität, Spektro-skopie, Radioaktivität und Meeresbiologie. In seinem Buch erklärt er uns Phänomene und berichtet detailliert vom "Stinken und Knallen" im haus-eigenen Labor. Zwischendrin gibt es immer wieder eine Portion Chemie-geschichte, etwa wenn er von Daltons Atommodell, Mendelejews Periodensystem der Elemente und der Entdeckung der Radioaktivität erzählt.

Insgesamt ist dies sicherlich ein gutes Buch, das durch die enorme Sachkenntnis und den mitreißenden Erzählstil des Autors besticht. Aber Sacks hat sich nicht entschieden, wo-rüber er schreiben wollte, die Chemie oder seine Kindheit. Sein Buch ist eine eigenartige Mixtur aus beidem. Ein von der Chemie begeisterter Leser kommt dabei bestimmt auf seine Kosten. Wer sich allerdings mehr für den Menschen Sacks interessiert, wird zwar spannende, aber nur spärliche Informationen finden. Mir jedenfalls hätte weniger Chemie und mehr von Sacks besser gefallen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2002, Seite 116
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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