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Klassische optische Mikroskope enthüllen mit bloßem Auge nicht mehr erkennbare feine Formen und Strukturen sowie deren Farben. Doch Beugungseffekte, die auf der Wellennatur des Lichts beruhen, begrenzen die Auflösung, also den kleinsten Abstand, in dem zwei Objekte noch getrennt erkennbar sind: Trifft die Wellenfront auf eine Kante, zerfällt sie dort in elementare Kugelwellen, die darum herumlaufen und dann miteinander interferieren; ein punktförmiges Objekt erscheint deshalb immer als Scheibchen aus konzentrischen Beugungsringen, und die Beugungsscheibchen zweier Punkte überlagern einander. Beträgt ihr Abstand weniger als ungefähr die Hälfte einer Wellenlänge, sind sie nicht mehr zu unterscheiden; im sichtbaren Teil des Spektrums beträgt diese kritische Entfernung etwa 300 Nanometer (milliardstel Meter.)

Elektronen- oder Rastersondenmikroskope arbeiten deshalb nicht mit Licht. Sie erreichen dadurch zwar eine viel höhere Auflösung, liefern aber keine Farbinformationen.

Funktionsprinzip der Nahfeldmikroskopie

Allerdings ist es auch möglich, ein Lichtmikroskop zu bauen, das nicht an die Beugungsgrenze gebunden ist: das optische Nahfeldmikroskop (scanning near-field optical microscope, SNOM). Anstatt von einem Untersuchungsgegenstand ausgehendes Licht mit Linsen auf ein möglichst kleines Volumen zu fokussieren, verkleinert man beim Nahfeldmikroskop die Lichtquelle selbst auf beinahe Punktgröße und beleuchtet somit lokal. Das Licht wird dann von einer konventionellen Optik gesammelt und auf einen Detektor fokussiert. Indem sich das Objekt in kleinen Schritten unter der Lichtquelle hindurchbewegt, erhält man an jedem Punkt dieser Rasterung einen Helligkeitswert. Während also die klassische Optik alle Punkte eines Objektes gleichzeitig abbildet, geschieht dies bei SNOM sukzessive.

Das räumliche Auflösungsvermögen wird nun zum einen durch die Größe der Lichtquelle bestimmt. Gelingt es, sie deutlich kleiner als die Wellenlänge zu machen, so erreicht man eine Auflösung jenseits der Beugungsgrenze. Dazu muß man aber den Abstand vom Objekt so klein wie möglich halten. Die Intensität einer Quasipunktlichtquelle ist nämlich im sogenannten Nahfeld – bis zum Abstand von etwa 20 Nanometern – sehr hoch, nimmt jedoch stärker als mit dem Quadrat der Entfernung ab. Dabei weitet sich der Strahl auch immer mehr auf, bis er dem einer ausgedehnten Lichtquelle gleichkommt. Man erreicht also die hohe Auflösung, indem man die Beleuchtung im wesentlichen auf ein Volumen konzentriert, das erheblich kleiner ist als im Fokus der klassischen oder auch der konfokalen Mikroskopie (Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1994, Seite 85).

Allerdings lassen sich so nur Einzelheiten in der Nähe der Oberfläche eines Objekts gut auflösen. Weil aber der Abstand zur Oberfläche beim Abtasten konstant gehalten werden muß, ergibt sich zusätzlich deren Topographie.

Für den Betrachter geht bei diesem Verfahren, wie auch bei der Elektronenmikroskopie, die Unmittelbarkeit des Bildes verloren. Trotzdem ist die enthaltene Information optischer Natur, weil sie durch die Streuung von Licht am Objekt gewonnen wird. Die Idee der Nahfeldoptik wurde bereits 1928 von dem irischen Physiker Edward Hutchinson Synge formuliert, die Machbarkeit 1972 am Londoner Universitätscollege mit Mikrowellen nachgewiesen. Mit Laser und Rastersondenmikroskopie gelangen Dieter W. Pohl und seinen Mitarbeitern am IBM-Forschungslabor in Zürich 1984 erstmals optische Messungen.


Technische Realisierung

Weil bei dem Verfahren die meisten Kontrastmechanismen wie Durchlicht, Auflicht, Polarisation und Fluoreszenz möglich sind, variiert der Aufbau eines Geräts je nach Verwendungszweck. Meistens nutzt man Durchlicht, wobei die zu untersuchende Probe das Mikroskop in zwei Funktionsblöcke teilt. Über ihr befindet sich der Nahfeldteil zur lokalen Beleuchtung, unterhalb die klassische Optik zum Sammeln, Fokussieren und Messen des Lichts.

Zur Beleuchtung wird ein Laserstrahl in eine spezielle Glasfaser eingekoppelt. Deren Ende hat man unter Erwärmen zu einer feinen Spitze ausgezogen und, um zu verhindern, daß Licht seitlich austritt, gleichmäßig mit Aluminium beschichtet. Durch die vorn an der Spitze verbliebene Öffnung von nur etwa 50 bis 100 Nanometern Durchmesser tritt eine kleine Menge des entlang der Glasfaser geleiteten Lichts zur Probe aus.

Das dort gestreute oder durch Fluoreszenz emittierte Licht wird unterhalb des transparenten Substrats, das den Dünnfilm trägt, von einem kommerziellen Mikroskopobjektiv gesammelt und auf einen Detektor fokussiert, der die eigentliche Bildinformation als Ausgangssignal abgibt. Um möglichst guten Kontrast zu erreichen, wählt man eine sehr kleine, effiziente Halbleiterdiode, in der bereits ein Photon eine Elektronenlawine auslöst. Trotz der hohen Empfindlichkeit ist bei dieser avalanche photo diode der Dunkelstrom – Ladungsträger, die ohne Beleuchtung spontan entstehen und das Meßergebnis verfälschen – sehr gering.

Alternativ kann man eine Lochblende derart in die Bildebene bringen, daß die Spitze gerade auf das Loch abgebildet wird. Diese konfokale Anordnung unterdrückt den größten Teil des Untergrundlichts. Bei der Fluoreszenzmikroskopie muß man zusätzlich das anregende vom emittierten Licht mit Spiegeln und Filtern trennen.

Positionierung, Rasterung in der Ebene sowie eine auf einen Nanometer exakte Regelung des fünf Nanometer großen Abstands erfolgen nicht durch Bewegen der Spitze, sondern durch Verschieben der Probe, die dazu auf einem piezoelektrisch ansteuerbaren Halter montiert ist. Die Regelung des Abstands zwischen Objekt und Sonde basiert darauf, daß Kräfte zwischen beiden, deren Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind, eine mit einem Piezokristall angeregte seitliche Vibration der Spitze um so stärker dämpfen, je mehr sich diese der Probenoberfläche nähert. Die Amplitude dieser Vibration wird mit einem Glasfaser-Interferometer gemessen.

Fluoreszierende Farbstoffmoleküle eignen sich zum Studium der Wechselwirkung einzelner Moleküle mit Licht und als optische Sonden in einem Dünnfilm oder an einer Oberfläche. Aus Spektrum und Intensität des Fluoreszenzlichts, der räumlichen Anordnung der aussendenden Moleküle sowie der zeitlichen Änderung all dieser Variablen kann man auf die Umgebung jedes einzelnen Moleküls schließen. Eric Betzig und Robert J. Chichester von den AT&T-Bell-Laboratorien in Murray Hill (New York) gelang 1993 erstmals eine solche Messung einzelner Farbstoffmoleküle bei Zimmertemperatur. Weil man dabei immer nur kurz das Molekül beleuchtet, das sich gerade unter der Spitze befindet, bleicht das farbige Objekt langsamer aus und läßt sich länger untersuchen.


Diffusion in Polymeren

Wir erforschten auf diese Weise, ob sich lokale Strukturunterschiede in makroskopisch ungeordnet erscheinenden Polymeren auf die Diffusion von Fremdmolekülen auswirken. Unsere Probe bestand aus einem 0,1 Millimeter dicken Glassubstrat mit einem 25 Nanometer dünnen Film aus Polyvinylbutyral (PVB), der den Farbstoff Rhodamin 6G (R6G) in relativ hoher Konzentration enthielt. Angeregt wurde mit dem grünen Licht eines Argon-Ionen-Lasers von 514 Nanometern Wellenlänge; das Fluoreszenzlicht war gelb mit einem Maximum bei etwa 560 Nanometern.

Jedes Farbstoffmolekül erschien in den Bildern als heller Fleck von 60 bis 180 Nanometern Durchmesser (Bild 1 auf Seite 28). Dessen Helligkeit variierte allerdings, je nach Lage des Moleküls im Film: Je näher es sich der Oberfläche befand, desto stärker wurde es angeregt.

Eine Bildsequenz desselben Probenausschnitts über längere Zeit zeigt die Diffusionsbewegung (Bild 1 unten). Sie ist, wie man sieht, durchaus nicht überall isotrop und zufällig, sondern geht in einigen Regionen etwa nur in eine einzige Richtung oder findet in anderen gar nicht statt. Offenbar gab es in dem Kunststofffilm Bereiche mit teilweise ausgerichteten Ketten und andere mit verschlungenen Knäueln.

Auch die Intensität der einzelnen Fluoreszenzflecken variierte, wobei sie zum Beispiel zunächst ab- und dann wieder zunahm. Außerdem waren die Änderungen von Fleck zu Fleck oft sehr unterschiedlich. Beides bestätigt die Annahme, einzelne Moleküle seien Quelle der Signale: Bei einem ganzen Ensemble würden sich solche Variationen statistisch ausmitteln und die Veränderungen monoton erscheinen.

Die Intensitätsschwankungen lassen sich im wesentlichen auf zwei Effekte zurückführen: Die Moleküle diffundieren auch in die Tiefe und verändern dabei den Abstand zur Spitze. Zudem können sie sich drehen und dabei quantenmechanische Parameter ihres Zustands ändern. Im allgemeinen wird ein Farbstoffmolekül am effizientesten zur Fluoreszenz angeregt, wenn sein Übergangsdipolmoment parallel zur Polarisationsrichtung des Lichts ausgerichtet ist (bei der Anregung verschiebt sich die Ladungsverteilung, so daß kurzzeitig dieses Dipolmoment entsteht). Sind beide senkrecht zueinander orientiert, findet praktisch keine Anregung statt, und das Molekül bleibt dunkel.

Diesen Effekt zeigt auch eine Simulation (Bild 2). Wie man erkennt, ist die Intensität im berechneten Fluoreszenzbild eines einzelnen Moleküls nur dann maximal, wenn der Übergangsdipol parallel zum elektrischen Feld verläuft; bei senkrechter Orientierung ist sie dagegen fast zehnmal kleiner. Außerdem ändert sich die Form des Flecks: Während er im Maximum fast kreisrund ist, deformiert er sich bei schiefen Winkeln zu einem Halbmond und teilt sich im Minimum sogar in zwei Flecken.

Obwohl die statistische Auswertung vieler Moleküle mit den Ergebnissen eines zweidimensionalen Modells mit zufälligen Verschiebungen (random walk) sehr gut übereinstimmte, belegte die Analyse der Fluoreszenzbilder, daß die Diffusionsbewegung im Sub-Mikrometerbereich keineswegs überall isotrop ist. Deshalb ermöglichen Untersuchungsmethoden, die lediglich Informationen über ein großes Ensemble liefern, kein detailliertes Verständnis der mikroskopischen Vorgänge. Dies vermag nur die Nahfeldmikroskopie, indem sie Aufschluß über das Verhalten jedes einzelnen Farbstoffmoleküls gibt.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1997, Seite 27
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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