Ostraka: "Recyclingkunst" im Land am Nil
Als das Papier noch lange nicht erfunden und Papyrus viel zu kostbar war, setzten die Schreiber und Zeichner Ägyptens auf "ostraka". Das griechische Wort bedeutet eigentlich "Schale", doch Archäologen verstehen darunter bemalte oder beschriftete Keramikscherben und Kalksteinbrocken. Sie finden sie im Mittelmeerraum und auch im Niltal. Ostraka verraten viel über das alltägliche Leben und die Arbeitsabläufe der einfacheren Bevölkerung.
Für Kunsthistoriker sind vor allem die bemalten Varianten von Interesse. Etliche kamen nahe Theben, der Hauptstadt des Neuen Reichs (etwa 1550 – 1093 v. Chr.), zu Tage: zum einem in der als "Tal der Könige" bekannten Nekropole, insbesondere im Grab Ramses´ VI., zum anderen in der zugehörigen Arbeitersiedlung Deir el-Medine. Dort lebten jene, die im Tal der Könige Grabschächte anlegten und sie ausschmückten. Und viele von ihnen hinterließen uns auf Ostraka Einblicke in ihre Welt – freilich anonym.
Etliche der Darstellungen dienten offenbar als Vorzeichnungen für Maler oder Bildhauer. Die Linien wurden meist mit schwarzer Farbe ausgeführt und gegebenenfalls mit Rot korrigiert. Andere waren aber offenbar Kunst um ihrer selbst willen, sorgfältig angelegt und farbig ausgemalt. Zu dieser Kategorie zählen beispielsweise Karikaturen, in denen Tiere die Stelle von Personen einnehmen – auf diese Weise verspotten die Künstler die Eitelkeit der Menschen. Es gab auch Darstellungen von stillenden Frauen und Szenen aus dem Landleben. Eine weitere Kategorie von Ostraka umfasst reine, zumeist schwarze Zeichnungen, gelegentlich in einem Zug, manchmal mit wenigen Strichen ausgeführt. In dieser professionellen Technik wurden Könige oder ihre Insignien abgebildet, aber auch Tiere und Hieroglyphen – sowie Ausländer. ...
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