Sexualstörung: Pädophil aus falscher Fürsorge?
Bislang konzentrierte sich die Suche nach den Ursachen der Pädophilie vor allem auf solche Hirnanomalien, die mit sexuellen Reaktionen und der Verhaltenskontrolle zusammenhängen. Jetzt haben Forscher eine weitere Auffälligkeit gefunden: übermäßige Reaktionen auf das Kindchenschema in jenem neuronalen Netzwerk, das auch das Brutpflegeverhalten von Eltern steuert. Laut Jorge Ponseti, Erstautor und Leiter der Studie, könnte Pädophilie demnach mit einer »Sexualisierung der Brutpflege« zusammenhängen.
Diesen Schluss zogen der Psychologe und seine Kollegen aus Hirnscans von 115 erwachsenen Männern. Darunter waren 60 Probanden, die sich wegen einer pädophilen Neigung behandeln ließen. Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie verfolgten die Forscher die Hirnaktivität der Probanden, während diese auf einem Bildschirm 60 Bilder betrachteten – allerdings nicht von Kindern, sondern von niedlichen Katzen- und Hundebabys sowie von ausgewachsenen Tieren. Damit wollten die Forscher einer etwaigen Vermischung von fürsorglichen und sexuellen Reaktionen vorbeugen. »Bilder von Tierkindern rufen normalerweise bei pädophilen Probanden keine sexuelle Erregung hervor, anders als menschliche Kinder«, erläutern sie. Wie erwartet gaben beide Versuchsgruppen an, dass die Tierbilder sie nicht erregten.
Doch drei Hirnregionen reagierten bei den pädophilen Probanden stärker auf die Tierbabys als bei der Kontrollgruppe: Teile des motorischen Kortex, des dorsolateralen präfrontalen Kortex und der anterioren Inselrinde. Sie gehören zu einem Netzwerk, das am Brutpflegeverhalten beteiligt ist. Die linke anteriore Inselrinde sei besonders interessant, erklären die Forscher: »Studien zeigten, dass diese Region bei gesunden Erwachsenen beim Anblick von Kindern aktiv wird.« Außerdem spiele sie bei der Paarbindung zwischen Erwachsenen eine Rolle. In der linken anterioren Inselrinde überlappen sich demnach neuronale Reaktionen, die sowohl Fürsorge für den Partner als auch sexuelles Interesse spiegeln.
Ponseti und seine Kollegen schließen daraus: Reize wie das Kindchenschema, die zur Brutpflege motivieren, könnten bei Pädophilen sexuell konnotiert sein. Zwar sei es nicht zulässig, die Reaktionen auf den Anblick von Tierbabys einfach auf den von menschlichen Kindern zu übertragen, räumen sie ein. Doch die Befunde würden zumindest eine neurobiologische Grundlage dafür liefern. Als Nächstes wollen die Forscher erkunden, ob sich die Reaktion auf das Kindchenschema hormonell beeinflussen lässt, was neue Therapieansätze eröffnen könnte.
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