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Paläoneurobiologie: Scheitelpunkt der Menschwerdung

Was macht uns zum Homo sapiens? Vergleiche mit fossilen Schädeln von Urmenschen zeigen: ­Hirnregionen im oberen Scheitellappen haben sich bei uns besonders stark entwickelt.
virtuelles Gehirn

Im hinteren Bereich unseres Schädels, unterhalb des gewölbten Scheitelbeins, sitzt eine Hirnregion, die für uns Menschen von entscheidender Bedeutung sein könnte: der Scheitel- oder Parietallappen. Mit einem Volumen von 120 bis 135 Kubikzentimetern macht jeder der beiden Lappen rund ein Viertel einer Hirnhälfte aus.

Hirnanatomen unterteilen den Scheitellappen in verschiedene Bereiche. So gibt es etwa im hinteren Teil ein "unteres" (Lobulus parietalis inferior) und ein "oberes Parietalläppchen" (Lobulus parietalis superior). Die unteren Scheitellappenareale weckten schon früh das Interesse der Hirnforscher, spielen sie doch bei der Verarbeitung von Sprache und beim Rechnen eine wichtige Rolle. Die oberen blieben dagegen von Neurowissenschaftlern lange unbeachtet.

Dieses Schattendasein hat mehrere Gründe: Da die oberen Regionen des Scheitellappens an zahlreichen komplexen kognitiven Prozessen mitwirken, lassen sich die einzelnen Funktionen kaum unabhängig vonein­ander analysieren. Sie wurden daher etwas schwammig als "kognitiv-assoziative Areale" bezeichnet. Außerdem verlaufen die Grenzen des Scheitellappens zu den benachbarten Hirnarealen besonders undeutlich. Und nicht zuletzt liegen die oberen Bereiche des Parietallappens größtenteils durch die starke Faltung der Großhirn­rinde tief im Inneren versteckt. Vor allem zwei Areale, der Praecuneus und der Sulcus intraparietalis, haben sich dadurch lange der anatomi­schen und experimentellen Erforschung entzogen.

Seit Ende der 1990er Jahre versuche ich gemeinsam mit Paläoanthropologen, Neurobiologen, Psychologen, Medizinern und Ingenieuren die Geheimnisse der Scheitellappenareale des menschlichen Gehirns zu lüften ...

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  • Quellen und Literaturtipp

Literaturtipp

Bruner, E. (Hg.): Human Paleoneurology. Springer Heidelberg, 2015
Das von Emiliano Bruner herausgegebene englischsprachige Fachbuch fasst aktuelle Erkenntnisse zur Paläoneurobiologie des Menschen zusammen.


Quellen

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Bruner, E., Iriki, A.: Extending Mind, Visuospatial Integration, and the Evolution of the Parietal Lobes in the Human Genus. In: Quaternary International 405A, S. 98-110, 2016

Bruner, E. et al.: Encephalization and Allometric Trajectories in the Genus Homo: Evidence from the Neandertal and Modern Lineages. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 100, S. 15335-15340, 2003

Bruner, E. et al.: Human Midsagittal Brain Shape Variation: Patterns, Allometry and Integration. In: Journal of Anatomy 216, S. 589-599, 2010

Bruner, E. et al: A Bivariate Approach to the Variation of the Parietal Curvature in the Genus Homo. In: The Anatomical Record 294, S. 1548-1556, 2011

Bruner, E. et al.: Functional Craniology and Brain Evolution: From Paleontology to Biomedicine. In: Frontiers in Neuroanatomy, 10.3389/fnana.2014.00019, 2014

Bruner, E. et al.: Midsagittal Brain Variation and MRI Shape Analysis of the Precuneus in Adult Individuals. In: Journal of Anatomy 224, S. 367-376, 2014

Bruner, E. et al.: Cortical Surface Area and Cortical Thickness in the Precuneus of Adult Humans. In: Neuroscience 286, S. 345-352, 2015

Bruner, E. et al.: Evidence for Expansion of the Precuneus in Human Evolution. In: Brain Structure and Function, 10.1007/s00429-015-1172-y, 2016

Coolidge, F. L., Wynn, T.: Working Memory, its Executive Functions, and the Emergence of Modern Thinking. In: Cambridge Archaeological Journal 15, S. 5-26, 2005

Freton, M. et al: The Eye of the Self: Precuneus Volume and Visual Perspective during Autobiographical Memory Retrieval. In: Brain Structure and Function219, S. 959-968, 2014

Gunz, P. et al: Brain Development after Birth Differs between Neanderthals and Modern Humans. In: Current Biology 20, S. R921–R922, 2010

Holloway, R. L.: Exploring the Dorsal Surface of Hominoid Brain Endocasts by Stereoplotter and Discriminant Analysis. In: Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences 292, S. 155-166, 1981

Lozano, M. et al: Non-Masticatory Uses of Anterior Teeth of Sima de los Huesos Individuals (Sierra de Atapuerca, Spain). In: Journal of Human Evolution 55, S. 713-728, 2008

Margulies, D. S. et al: Precuneus Shares Intrinsic Functional Architecture in Humans and Monkeys. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 106, S. 20069-20074, 2009

Neubauer, S. et al.: The Pattern of Endocranial Ontogenetic Shape Changes in Humans. In: Journal of Anatomy 2015, S. 240-255, 2009

Stout, D., Chaminade, T.: The Evolutionary Neuroscience of Tool Making. In: Neuropsychologia 45, S. 1091-1100, 2007

Zhang, S., Li, C.-s. R.: Functional Connectivity Mapping of the Human Precuneus by Resting State fMRI. In: NeuroImage 59, S. 3548-3562, 2012

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