Photonik für die weltweite Vernetzung
Nachdem 1988 das erste Glasfaserkabel zwischen Europa und Amerika verlegt worden war, etablierten sich solche erdgebundenen Übertragungssysteme innerhalb weniger Jahre in dem bislang von Satelliten beherrschten Markt globaler Kommunikation. Bald werden rund hundert Nationen auf allen Kontinenten miteinander photonisch verbunden sein, denn die globale Netzkapazität verdoppelt sich etwa alle drei Jahre. Dementsprechend und aufgrund der technischen Entwicklung sinken die Übertragungskosten drastisch, vergleichbar dem Preisverfall bei Halbleiterspeichern.
Dabei nimmt die reine Sprachübertragung unter den Anwendungen jährlich nur um etwa fünf Prozent zu; Änderungen sind kaum zu erwarten. Im Gegensatz dazu prognostizieren Marktforscher bei anderen Diensten ein jährliches Wachstum von mehr als 20 Prozent, so daß diese in wenigen Jahren dominieren werden. Wesentlichen Anteil daran hat sicherlich das Internet, speziell der Dienst World-Wide-Web mit monatlich zweistelligen Zuwachsraten. In ostasiatischen Ländern schalten Netzbetreiber bereits internationale Direktverbindungen, um Zugang zu Übertragungswegen mit Raten von Millionen Bit pro Sekunde zu schaffen. Der Bedarf dafür ist da, lassen sich im Internet doch mittlerweile sogar Videos abrufen, was freilich noch erhebliche Wartezeiten erfordert.
Die Basis leistungsfähiger Kommunikationssysteme, vom Büro-Netzwerk bis zum weltumspannenden Daten-Highway, werden Photonik-Netze sein, in denen Nachrichten via Lichtwellenleiter übertragen werden. Von großer Bedeutung sind Entwicklungen, diese Daten auch optisch statt elektrisch zu vermitteln. Zudem wird man an optische auch Mobilfunk- und Satellitennetze anbinden, so daß sich dem Anwender ein einheitliches Universalsystem präsentiert.
Multiplexing
Ermöglicht hat diese Entwicklung die fast unvorstellbare Bandbreite der Glasfaser von rund 50 Terahertz (Billionen Schwingungen pro Sekunde), die der Wellenlängenbereich zwischen 1,25 und 1,6 Mikrometern (tausendstel Millimetern) zur Verfügung stellt. Theoretisch kann eine Glasfaser pro Sekunde mehr als 300 Billionen Bit pro Sekunde übermitteln. Nutzt man Multiplexverfahren, läßt sich Sprache im Prinzip auf rund fünf Milliarden Kanälen digital mit ISDN-Qualität gleichzeitig übertragen.
Für das Multiplexing gibt es drei Grundverfahren, nämlich Raum-, Zeit- und Frequenzmultiplexing. Ersteres ist das einfachste, beispielsweise realisiert bei jedem Kabel, das bis zu mehrere tausend Glasfasern enthalten kann, auf die man Datenströme verteilt.
Das Zeitmultiplexing verschachtelt die einzelnen Informationsströme ineinander und überträgt sie seriell mit einer mindestens um den Multiplexfaktor höheren Rate. Wichtig für das Wiederherstellen der ursprünglichen Ströme (Demultiplexen) ist, daß die Kanäle und Zeitintervalle richtig zugeordnet werden. Zentrales Bauteil ist meist eine Lichtquelle für ultrakurze Lichtpulse, deren Dauer die Übertragungsrate bestimmt. Mit lediglich Pikosekunden (billionstel Sekunden) dauernden Pulsen haben wir 160 Gigabit (Milliarden Bit) pro Sekunde erreicht, das japanische Unternehmen Nippon Telegraph and Telephone (NTT) erzielte unlängst sogar 400 Gigabit pro Sekunde durch Multiplexen von 40 Kanälen mit je zehn Gigabit pro Sekunde.
Ein Flaschenhals ist allerdings die nach der Übertragung folgende elektrische Signalverarbeitung. In Industrielaboratorien arbeitet man derzeit an Systemen für 40 Gigabit pro Sekunde; für Raten bis zu einigen 100 Gigabit pro Sekunde bereitet man optische Signalverarbeitungsverfahren vor.
Die dritte Variante ist das optische Frequenzmultiplexing (optical frequency division multiplexing, OFDM); man spricht oft auch vom Wellenlängenmultiplexing (wavelength division multiplexing, WDM). Dafür verwendet man gleichzeitig verschiedene Wellenlängen, also Licht unterschiedlicher Farbe. Die Kanalabstände gibt man in Gigahertz oder Nanometern an, wobei ein Nanometer (millionstel Millimeter) bei einer Wellenlänge von 1,55 Mikrometern etwa 125 Gigahertz entspricht.
Da sich die einzelnen Signale nicht stören, kann jeder Kanal mit unterschiedlicher Bitrate und Modulationsart betrieben werden. Um die Kanäle feiner zu unterteilen, läßt sich zusätzlich das Zeitmultiplexing nutzen. In den Fujitsu-Laboratorien im japanischen Kawasaki wurde kürzlich mit 55 Kanälen je 20 Gigabit pro Sekunde quasi eine Schallmauer durchbrochen: Das System erreichte eine Gesamtkapazität von 1,1 Terabit pro Sekunde. Für den praktischen Einsatz in der Fernübertragung arbeitet die Industrie an Systemen mit etwa acht Kanälen zu je 2,5 Gigabit pro Sekunde und Kanalabständen von einigen 100 Gigahertz.
Aufbau von Kommunikationsnetzen
Unter funktionalen Aspekten läßt sich ein nationales oder globales Telekommunikationsnetz in Kern-, Teilnehmerzugangs- und Teilnehmerprivatnetz gliedern. Ersteres entspricht der gängigen Vorstellung von Datenautobahnen. Es bildet sozusagen das Rückgrat der Kommunikationsnetze, indem es auch über große Entfernungen hohe Übertragungskapazität bietet und Zugangsnetze flächendeckend verbindet. Sogenannte Crossconnectoren verknüpfen dabei einzelne Glasfaserstrecken miteinander beziehungsweise schalten ganze Datenbündel, so daß sich das Kernnetz dem Verkehr angepaßt konfigurieren läßt (Bild 1). Kapazität und Reichweite von Glasfasern erlauben, dieses Netz recht grobmaschig zu halten; die daraus resultierende Konzentration der Verkehrsströme erfordert aber geeignete Vorkehrungen für einen zuverlässigen Betrieb wie Redundanzen und Kapazitätsreserven für Ersatzschaltungen sowie eine segmentierte Netzsteuerung.
Crossconnectoren arbeiten derzeit noch elektrisch, aber es wird intensiv an optisch transparenten gearbeitet. Damit kann ein durchgehend optisches Transportnetz entstehen, das elektro-optische und opto-elektrische Wandlungen nur noch an den Netzzugängen benötigt. Die Glasfaser und die anderen photonischen Komponenten dämpfen zwar die Lichtsignale, die Verluste sind jedoch mit optischen Verstärkern kompensierbar. Signalverzerrungen lassen sich mit Regeneratoren ausgleichen. So gelang unlängst Forschern der British Telecom mit elektrischen Regeneratoren eine Reichweite von 500000 Kilometern – ein Signal könnte also etwa zwölfmal die Erde umrunden, und zwar mit fünf Gigabit pro Sekunde. Optische Signalverarbeitungsverfahren bieten sich auch für diese Schlüsselkomponente bei hohen Übertragungsraten an.
Das Zugangsnetz erstreckt sich zwischen einer Teilnehmervermittlungsstelle und den Netzanschlüssen der jeweiligen Teilnehmer, es bietet jedem einzelnen Kunden Zugang zum Kernnetz. Da dies der kostenintensivste Bereich ist, sollte er möglichst einfach, flexibel, wartungsarm und zukunftssicher sein. Die Betreiber versuchen derzeit, diesen Teil durch Glasfasern wirtschaftlicher zu gestalten und mehr Bandbreite für neue Dienste anzubieten: Anschlußlängen von über 50 Kilometer – rund zehnmal mehr als bei der Kupferdoppelader – sind möglich, so daß sich die Anzahl der Teilnehmervermittlungsstellen drastisch reduzieren läßt; die Deutsche Telekom plant einen Rückbau von derzeit etwa 8000 auf weniger als 500.
Bei Neuinstallationen im Anschlußbereich ist die Glasfaser gegenüber dem Kupferkabel ebenfalls kostengünstiger, deshalb wurden in den neuen deutschen Bundesländern schon rund 350000 Faserkilometer verlegt. Ein Austausch von Kupfer gegen Glas bei bestehenden Anschlüssen ist jedoch noch unwirtschaftlich, so daß man plant, vorhandene Kupferkabel für die letzten 100 Meter bis zum Teilnehmer weiterzuverwenden.
Bei zunehmendem Bedarf an Bandbreite und weiteren Kostensenkungen wird dann aber auch dieser letzte Abschnitt photonisch verbunden oder alternativ durch Funkstrecken überbrückt. Konzepte für einen schrittweisen, dem Bedarf angepaßten Ausbau sind etwa passive optische Netze (passive optical networks, PON), die keinerlei aktive Bauelemente wie Verstärker enthalten. Mit ihnen lassen sich auf verschiedene Weisen Glasfasern im Zugangsnetz mehrfach nutzen, um viele Teilnehmer an die Vermittlungsstellen anzubinden. Es sind dafür kostengünstige Komponenten erforderlich, etwa monolithisch integrierte optische Schaltkreise.
Private Netzinseln
Private lokale Netze gibt es derzeit hauptsächlich bei Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, beispielsweise zur Verbindung von Personal Computern. Auch dort sind deutliche Tendenzen zu photonischen Lösungen zu erkennen. Denkbar wäre, künftig einfachste sternförmige OFDM-Netze zu installieren, die nach dem Prinzip der vollständigen Informationsverteilung arbeiten (Bild 2 a). Auf diese Weise lassen sich etwa 1000 Endgeräte an einen passiven Sternkoppler anschließen, der die Leistung der optischen Signale eines jeden Eingangs frequenzunabhängig auf alle Ausgänge verteilt. Das mit Punkt-zu-Punkt-Verbindungen vollvermaschte OFDM-Netz benötigt ebenfalls keine separate Steuerung (Bild 2 b).
Mit fortschreitender Digitalisierung aller Endgeräte werden Glasfasern und Funk auch in privaten Netzen die Kupferleitungen verdrängen. Billigsysteme mit Multimode- und Kunststoff-Fasern sind dafür verwendbar. Mikrowellen-Funktechnik und Infrarot-Freistrahloptik ermöglichen zudem mobile Endgeräte. Ergänzend zur leitungsgebundenen Kommunikation lassen sich mit diesen Techniken auch Festverbindungen – etwa zwischen Gebäuden – herstellen.
Der Ausbau der Glasfaser-Infrastruktur bis hin zum Teilnehmer hat in den Industrienationen bereits überall begonnen; beispielsweise will man in Japan ein umfassendes Fiber-to-the-home-Programm bis zum Jahre 2010 vollenden. Global bilden gegenwärtig bereits mehr als 50 Millionen Faserkilometer die Basis der Information-Highways, auf denen künftig die immensen Datenströme multimedialer Dienste transportiert werden sollen. Die Photonik spielt bei der Netzevolution eine Schlüsselrolle, denn sie ermöglicht erst, die Bandbreite von Glasfasern voll zu nutzen. Außerdem entsteht durch die optische Signalverarbeitung eine neue Kategorie nachrichtentechnischer Schaltkreise, die sich teilweise nur mit integrierten optischen Chips realisieren lassen, dadurch aber auch kostengünstig werden können.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1996, Seite 110
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