Photovoltaik zur Bewässerung - eine wirtschaftliche Nutzung von Solarzellen im Kilowattbereich
Die als zu teuer abgestempelte Solarenergie kann bei ausgewählten Anwendungen auch heute schon durchaus preiswert, sicher, ressourcenschonend und autark genutzt werden, Im Rahmen eines Bewässerungsystems ermöglicht sie eine Steigerung der Erträge um mehr als 100 Prozent bei Kosten, die dem Preis von Wasser aus öffentlichen Bewässerungsnetzen entsprechen.
Die Nutzung der Solarenergie ist nicht nur eine rein technisch-ökonomische Frage. Sie weckt ökologische, ethische und politische Emotionen, was eine überzogene Erwartung ebenso fördert wie eine abwertende Ablehnung. Die wohl interessanteste Variante ist die Photovoltaik, bei der die Sonnenstrahlung direkt in elektrische Energie umgewandelt wird. Trotz derzeit noch relativ hoher spezifischer Anlagekosten kann sie, richtig umgesetzt, bei schwindenden Energieressourcen in den nächsten Jahrhunderten die Bedeutung der Kolbendampfmaschine vergangener Zeiten erlangen.
Im derzeitigen Energieversorgungssystem, das von begrenzten irdischen Vorräten zehrt und gemäß dem Energiewirtschaftsgesetz eine preiswerte, sichere und dem Verbraucher angepaßte Energietechnik bieten soll, ist die Photovoltaik allerdings ökonomisch nicht konkurrenzfähig. Zwar kann sie in südlichen Klimazonen fernab eines Stromnetzes für eine Vielzahl von Aufgaben aus der Kommunikations-, Nachrichten- und Signaltechnik, die einen geringen Leistungsbedarf im Milliwatt- bis Watt-Bereich haben, sowie für Beleuchtungszwecke auch heute schon vorteilhaft ganzjährig eingesetzt werden; denn die relativ seltenen und kurzen Strahlungspausen sowie die Nächte lassen sich Ieicht durch eben noch handliche Batterien überbrücken. Solare Leistungstäler wie im mitteleuropäischen Winter werden dagegen auf lange Zeit wirtschaftlich nicht ausgleichbar sein, da die dazu nötigen Energiespeicher selbst Energieverluste und enorme zusätzliche Kosten verursachen. Konzentriert man sich jedoch auf Nutzungsarten, bei denen in strahlungsarmen Zeiten kein oder nur geringer Energiebedarf besteht, kann sich durchaus eine günstige Bilanz ergeben.
Deshalb wurden im Rahmen eines kürzlich abgeschlossenen, vom Bundesministerium für Forschung und Technologie unterstützten Projekts an der Universität-Gesamthochschule Siegen die Möglichkeiten der photovoltaisch betriebenen Bewässerung in ariden und halbariden Zonen genauer untersucht. Wie bei allen Solarsystemen stellt auch hier die Ungleichförmigkeit der Sonneneinstrahlung, die mit dem Tag-Nacht-Wechsel und mit den Jahreszeiten sowie mit der Witterung beträchtlich schwankt, ein Problem dar. Zudem haben die Pflanzen selbst je nach Art, Entwicklungsstadium und Ernährungszustand sowie Standortbeschaffenheit und Wetter einen unterschiedlichen momentanen Wasserbedarf.
Um das Zusammenspiel der diversen Faktoren zu erfassen, wurde die komplexe Systemkette aus Solarzelle, Laderegler, Batterie, Wechselrichter, Elektromotor, Brunnen, Pumpe, Hochbehälter, Filter, Steuerungsprogramm, Wassserverteilung, Boden und Pflanzenwachstum mathematisch analysiert und beschrieben. Das resultierende Simulationsmodell erlaubt es, die technischen Bausteine des Bewässerungssystems passend zu dimensionieren und das Betriebsverhalten bis hin zum Ertrag zeitabhängig zu beschreiben.
In Feldversuchen konnten die theoretischen Ergebnisse für die technischen Komponenten und ihr Zusammenspiel experimentell bestätigt werden – gewissermaßen in der Tradition der 1853 in Siegen gegründeten Wiesenbauschule, die sich schon im letzten Jahrhundert intensiv mit Bewässerungstechnik beschäftigte. Die pflanzenbaulichen Untersuchungen wurden in der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Limburgerhof der Firma BASF (zwischen Ludwigshafen und Speyer gelegen) mit Beratung durch den Lehrstuhl für Speziellen Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Universität Bonn durchgeführt. Die Solarzellenanlage stellte die Pfalzwerke AG in Ludwigshafen zur Verfügung.
In den Jahren 1989 bis 1992 wurde für Zuckerrüben, Körnermais, Winterweizen und -gerste, für Blumenkohl und Sellerie sowie für Chinaschilf, das als vielversprechende nachwachsende Rohstoffund Energiequelle gilt, auf einer Ackerfläche von 2,5 Hektar mit etwa 2000 Parzellen die Bewässerungs- und die Düngeintensität variiert. Über das ursprüngliche Ziel einer möglichst günstigen Auslegung der solar versorgten Gerätekette und ihres optimal abgestimmten Betriebs hinaus lieferten die theoretischen und praktischen Untersuchungen dabei Erkenntnisse, die es erlaubten, das System erheblich zu vereinfachen.
Der hohe Preis des Solarstroms verbietet von vornherein die Verteilung des Wassers durch Beregnung; denn dies erfordert einerseits einen hohen Wasserdruck, während andererseits ein Teil des Wassers verdunstet oder vom Wind abgetrieben wird. Dagegen genügt für die Tropfbewässerung mit bis zu 200 Meter langen Schläuchen ein Vordruck von 0,2 bar (Bild 1). Mit dieser Technik, die eine gleichmäßige und nahezu verlustfreie Verteilung der Nässe am Boden garantiert, läßt sich die Solarzellenfläche auf ein Siebtel verkleinern; auch Elektromotor und Pumpe werden billiger.
Weitere 20 Prozent Solarzellenfläche spart der Übergang vom Wechselstromzum Gleichstrommotor, weil die Energieverluste durch den Wechselrichter entfallen. Zudem können Ausfälle dieses kritischen Bauteils die Anlage nicht mehr lahmlegen, so daß auch ihre Verfügbarkeit steigt. Die frappierendste Erkenntnis war freilich, daß sogar Batterien, Laderegler und Hochbehälter entbehrlich sind; denn der Boden vermag in jedem Falle genug Wasser zu speichern, um die Versorgung der Pflanzen in den seltenen sonnenschein- und zugleich regenarmen Perioden sicherzustellen.
Am Limburgerhof genügte eine Solarzellenfläche von nur sechs Quadratmetern in Verbindung mit Gleichstrommotor, Pumpe, Filter und dem Verteilsystem Agro-Drip, um einen Hektar Ackerfläche solarbetrieben und gesteuert zuverlässig zu bewässern. Solarsteuerung bedeutet, daß sich das System je nach Intensität der Einstrahlung bei einem Schwellenwert selbst ein- und ausschaltet, sofern der Gärtner oder Landwirt die Anlage nicht aus übergeordneten Gründen – zum Beispiel nach vorherigem ausgiebigem Regen stillgelegt hat.
Die Möglichkeit der Solarsteuerung beruht auf dem natürlichen, synchronen Gang von Sonnenstrahlung, Wasseranlieferung, Pflanzenwachstum und Wasserbedarf, in den sich die Solarzelle perfekt einfügt (Bild 2). So läßt sich die Zeit als komplizierteste Variable der Solartechnik eliminieren. Die Pflanze wächst eben am besten und braucht das meiste Wasser, wenn die Sonne scheint; dann aber arbeiten auch die Solarzellen maximal, weil sie bei konstantem Wirkungsgrad eine zur Einstrahlung etwa proportionale elektrische Leistung liefern. Damit ist sichergestellt, daß die Pflanze bei ausreichend warmem Wetter jeden Sonnenstrahl zum Wachstum nutzen kann. Umgekehrt schont das solargesteuerte System das Grundwasser, weil es nur die jeweils nötige Menge pumpt. Durch die optimale Versorgung der Pflanzen mit Wasser während der Wachstumsperiode ließen sich 1991 und 1992 auf den Versuchsfeldern in der Vorderpfalz mit der Fruchtfolge Wintergerste und Blumenkohl sowie Blumenkohl und Sellerie jeweils zwei vollwertige Ernten pro Jahr erzielen.
Mit dem Bewässerungssystem war es zudem möglich, gezielt und sparsam Düngemittel auszubringen, die unter diesen Umständen besonders gut verwertet wurden. Insgesamt wuchsen die Pflanzen nicht nur besser, sondern waren auch kräftiger und widerstandsfähiger gegen Krankheiten. In jedem der vier Versuchsjahre war der Ertrag bei allen Pflanzenarten in jeder Düngungsstufe mindestens doppelt so hoch wie ohne Bewässerung.
Wie sieht es nun mit der Wirtschaftlichkeit aus? An unserem Versuchsstandprt gelangte das Wasser bei einer Grundwassertiefe von acht Metern im Endeffekt für 40 Pfennig pro Kubikmeter auf das Feld – was etwa mit dem an den Beregnungsverband Vorderpfalz zu zahlenden Wasserpreis "frei Feld" ohne Kosten für die Wasserverteilung (Beregnungseinrichtung) übereinstimmt. Dabei waren die als sehr teuer geltenden Solarzellen zusammen mit der Motor-Pumpen-Einheit sogar billiger als das Tropfbewässerungssystem. Bei Nutzpflanzen mit hoher Wertschöpfung wie Zuckerrüben, Blumenkohl und Sellerie können die einmaligen Aufwendungen für die photovoltaisch betriebene Bewässerungsanlage ohne weiteres aus dem Mehrertrag erwirtschaftet werden.
In ariden Zonen und dort, wo es kein öffentliches Wasserleitungsnetz gibt, dürfte das System sogar noch wesentlich wirtschaftlicher sein. Jedenfalls ist es preiswerter als die mit Dieselkraftstoff betriebenen konventionellen Wasserpumpen. Die dadurch mögliche Ertragssteigerung in zahlreichen sonnenscheinreichen und trockenen Zonen der Welt, in denen heute Nahrungsmangel herrscht, läßt sich durchaus mit dem Fortschritt vergleichen, den die Einführung der Stickstoffdüngung Ende des letzten Jahrhunderts in Mitteleuropa brachte.
Mit Hilfe unseres mathematischen Modells können Bemessung, Betrieb und Nutzen photovoltaischer Systeme für eine Vielzahl von Pflanzen und Standorten zuverlässig simuliert werden. Dazu werden nur Daten über die Klima- und Bodenverhältnisse sowie die Eigenschaften, Ansprüche und Wachstumsbedingungen der jeweiligen Pflanzen benötigt, die vielfach schon vorliegen.
Generell eignet sich die Solarzelle die man gewissermaßen als photovoltaisches Blatt auffassen kann – auch als Bestandteil eines Energieversorgungssystems auf der Grundlage von Biomasse, für deren optimalen Wuchs sie durch entsprechende Bewässerung sorgt. Bei korrekter Auslegung arbeitet das System zuverlässig, wirtschaftlich und an den Nutzer angepaßt und erfüllt damit die wichtigsten Forderungen des Energiewirtschaftsgesetzes. Weil es auf einer unerschöpflichen und allerorts zugänglichen Energiequelle basiert, überall eingesetzt werden kann und Energie- und Wasservorräte schont, ist es auch in hohem Maße ökologisch.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1995, Seite 16
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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