Physik drei, Mathe vier
Hinter dem Kürzel TIMSS verbirgt sich die Third International Mathematics and Science Study, die umfangreichste internationale Studie über den Wissensstand von Schulkindern, die je in Angriff genommen wurde. Mehr als eine halbe Million Schülerinnen und Schüler aus über 40 Staaten waren beteiligt. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse der Abschlußklassen vervollständigen die bereits 1996 und 1997 vorgestellten Daten von Grundschülern und Siebt- bis Achtkläßlern. In einer Rangliste ergaben sich damals Spitzenplätze für Singapur, Japan und Korea. Mit Hinweis auf den enormen Druck, der im letzten Schuljahr auf den dortigen Schülerinnen und Schülern laste, nahmen die asiatischen Staaten am letzten Teil der Studie nicht teil.
Weil die nun geprüften 24 Länder verschiedene Schulsysteme in der Oberstufe haben, war es eine besondere Herausforderung, mit TIMMS die Abschlußjahrgänge zu testen. Unter Leitung von Albert Beaton von der College School of Education in Boston (Massachusetts) hatten Bildungsforscher in internationaler Zusammenarbeit zunächst festgelegt, was ein Schüler über Mathematik und Naturwissenschaften wissen muß, um die Anforderungen nach dem Schulabschluß zu meistern, und wie sich kulturelle Unterschiede so berücksichtigen ließen, daß der Leistungsvergleich nicht verzerrt wurde. Aus diesem Grund wurden drei Tests entworfen:
Im ersten Durchgang wurde das mathematisch-naturwissenschaftliche Wissen aller Schulabgänger untersucht, unabhängig davon, ob sie noch am Unterricht in Mathematik oder naturwissenschaftlichen Fächern teilnahmen. Im wesentlichen sollte dieser Test zeigen, wie gut die Schüler ihr Wissen einsetzen, wenn Probleme mit einer mathematischen oder naturwissenschaftlichen Komponente zu lösen sind; er war so angelegt, daß die Ergebnisse für Mathematik und Naturwissenschaften getrennt ausgewertet werden konnten.
Der zweite Test untersuchte gezielt die Leistungen von Schülern, die Mathematik als Leistungskurs belegten; der dritte galt entsprechend den Teilnehmern von Physik-Leistungskursen. Nicht alle Staaten nahmen an allen drei Tests teil.
Wie die Ergebnisse des internationalen Vergleichs zeigen, erreichten die deutschen Schülerinnen und Schüler lediglich das Mittelfeld (Bild). Bei der höheren Mathematik blieb die Leistung sogar signifikant unter dem internationalen Durchschnitt. Auch für die USA wurde ein Mythos zerstört: Ihre Schulabgänger fanden sich durchweg im unteren Bereich der Rangliste wieder.
Den Bildungspolitikern aller teilnehmenden Länder bieten die TIMMS-Ergebnisse Anlaß, über die allgemeine Qualität ihrer jeweiligen Schulsysteme sowie über bestehende und geplante Unterrichtskonzepte neu nachzudenken. Überdies lassen sich aus den Resultaten auch recht differenzierte Schlußfolgerungen ableiten.
"In den meisten der untersuchten Länder gab es wesentliche Unterschiede in den Ergebnissen von Jungen und Mädchen. In allen drei Tests lagen die männlichen Schüler vorne", resümierte Beaton. Aus den Fragebogen ließ sich zudem ersehen, daß generell deutlich weniger weibliche Schüler als männliche Leistungskurse in Mathematik oder Physik belegen.
Zusammenfassend stellte Beaton fest: "Wie schon in den früheren Studien fanden wir keine einfachen Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen der Schülerinnen und Schüler und Parametern wie Menge der Hausaufgaben oder der Zeit, die in Mathematik- oder Physikkursen verbracht wurde. Die TIMSS-Daten unterstreichen den wichtigen Punkt, daß es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen gibt."
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1998, Seite 106
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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