Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Physiologie : Schlaf drüber!

Während wir selig schlummern, arbeitet das Gehirn munter weiter. Zum Glück: So hilft es uns, die geistigen Anforderungen des Alltags zu meistern.
Schlafender Mann

"Muss ich denn unbedingt schlafen?", wollen die Zuhörer auf meinen Vortragsreisen fast immer von mir wissen. Und regelmäßig antworte ich: Sicher, jeder muss das. Schlaf ist ein körperliches Bedürfnis, genau wie Hunger, Durst oder die Lust auf Sex. Dennoch stellt sich die Frage: Warum hat es die Natur so eingerichtet, dass der Mensch gut ein Drittel seiner Lebenszeit in einer Art Bewusstlosigkeit verbringt? Über die Antwort zerbrechen sich Wissenschaftler schon lange den Kopf. Angesichts der allgemeinen Ratlosigkeit schrieb der Pionier der Schlafforschung Allan Rechtschaffen 1978: "Sollte der Schlaf keine grundlegende lebenserhaltende Funktion haben, so wäre er der weitaus größte Irrtum der Evolution." Ähnlich trocken kommentierte der Schlafforscher Allan Hobson von der Harvard Medical School noch in den 1990er Jahren den Wissensstand: Die einzig erwiesene Aufgabe des Schlafs sei bisher die, unsere Schläfrigkeit zu kurieren.

Nach weiteren 20 Jahren Forschung lässt sich die Frage heute zumindest teilweise beantworten. Die wichtigste Erkenntnis: Schlaf dient nicht einem einzigen Zweck. Er optimiert eine Vielzahl biologischer Abläufe – begonnen beim Immunsystem über das hormonelle Gleichgewicht, die emotionale und psychische Gesundheit, Lernen und Gedächtnis bis hin zur "Entgiftung" des Gehirns. Keines der Systeme setzt bei fehlender Nachtruhe komplett aus. Dennoch hat ein monatelanger Schlafentzug fatale Folgen.

Einen exakten Beweis für die überlebenswichtige Funktion des Schlafens erbrachte 1989 Carol Everson, eine damalige Mitarbeiterin von Rechtschaffen, heute am Medical College of Wisconsin: Als sie Ratten den Schlaf verwehrte, ereilte diese binnen eines Monats der Tod. Tatsächlich genügte es bereits, die Tiere daran zu hindern, in die so genannte REM-Phase des Schlafs einzutreten. Aber woran die Nager nun genau starben, weiß nach wie vor niemand. Bisher gelang es nur, mögliche Ursachen auszuschließen: Es liegt nicht an vermehrtem Stress, einem exzessiven Energieverbrauch und auch nicht an einer Funktionsstörung der inneren Wärmeregulation oder des Immunsystems. ...

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Lernen - Das Gedächtnis im Schlaf trainieren

Im Schlaf unbewusst wahrgenommene Reize können die Erinnerungsfähigkeit verbessern. Lassen sich Methoden der Hirnstimulation auch nutzen, um die Folgen neurologischer und psychischer Erkrankungen zu lindern? Außerdem: Wie lernt man Fremdsprachen am besten und erhöht somit seine Sprachkompetenz? Der Psychologe Mitja Back erklärt, was die narzisstische Persönlichkeit im Kern ausmacht und wie man am besten mit Narzissten umgeht. Laut einer populären Ansicht können psychische Störungen ansteckend sein – ähnlich wie eine Viruserkrankung. Was ist an dem Vergleich dran? Die Intelligenz von Tieren zu erforschen, funktioniert nur, wenn der Mensch sich dabei nicht in den Mittelpunkt stellt. Wie kann der Abschied von einer anthropozentrischen Verhaltensforschung gelingen?

Spektrum Kompakt – Schlafen und Träumen

Ob man morgens von einem mitreißenden Traum erzählt oder doch über Schlaflosigkeit klagt, hat verschiedene Einflussgrößen: Unter anderem verraten das Alter und die mentale Gesundheit, wie gut man schläft. Und wer seinen Schlaf beobachtet, kann darin sogar Vorboten künftiger Erkrankungen erkennen.

Spektrum - Die Woche – Tierisch gut geträumt

Träume sind nicht uns Menschen vorbehalten, auch Tiere sind während des Schlafs zeitweise in anderen Welten unterwegs. Was passiert dabei im Gehirn, welche Funktion erfüllt das Träumen? Außerdem in dieser »Woche«: Gigantische Leerräume im All liefern wichtige Daten für die astronomischen Forschung.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Barsky, M. M. et al.: REM Sleep Enhancement of Probabilistic Classification Learning is Sensitive to Subsequent Interference. In: Neurobiology of Learning and Memory 122, S. 63–68, 2015

Djonlagic, I. et al: Sleep Enhances Category Learning. In: Learning & Memory 16, S. 751–755, 2009

Payne, J. D . et al.: Napping and the Selective Consolidation of Negative Aspects of Scenes. In: Emotion 15, S. 176–186, 2015

Rechtschaffen, A., Bergmann, B.M.: Sleep Deprivation in the Rat: an Update of the 1989 Paper. In: Sleep 25, S. 18-24, 2002

Stickgold, R., Walker, M. P.: Sleep-Dependent Memory Triage: Evolving Generalization through Selective Processing. In: Nature Neuroscience 16, S. 139–145, 2013

Stickgold, R.: Parsing the Role of Sleep in Memory Processing. In: Current Opinion in Neurobiology 23, S. 847–853, 2013

Tucker, M.A. et al.: To Sleep, to Strive, or Both: How Best to Optimize Memory. In: PLoS ONE 6:e21737

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.