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Hirschhausens Hirnschmalz: Brexitus

Bleiben Politiker länger gesund? Dr. Eckart von Hirschhausen über die Lebenserwartung von Konservativen und die Qual der Wahl.
Eckart von Hirschhausen

    Nach meinem Demokratieverständnis gilt:

  1. A) Wenn Wahlen etwas verändern könnten, wären sie verboten.
  2. B) Ich würde nie eine Partei wählen, die bereit wäre, meine Stimme anzunehmen.
  3. C) Sonntags arbeite ich grundsätzlich nicht.
  4. D) Demokratie ist die beste Staatsform, die wir in den letzten 1000 Jahren in Deutschland hatten.

Die Engländer kultivieren gerne ihren "spleen". Da ist man erst normal, wenn man nicht ganz normal ist. Und das ist gut so. "Spleen" heißt Milz – und weil man lange nicht so genau wusste, wofür sie überhaupt im Bauchraum herumlungert, erklärte man sie kurzerhand zum Sitz der Seele. Und damit auch zum Hort für allerlei Eigenarten. Meinem Jahr als Medizinstudent in London habe ich viel zu verdanken: mein Verständnis für "public health", sprich den Wert des Alltags für die Gesundheit, meinen Blick für kuriose Details bei der körperlichen Untersuchung und vor allem meine Liebe zu engli­schem Humor. Alle drei Dinge – der Blick aufs Leben, auf den Patienten und die Freude am Spleeni­gen – spielen in der deutschen Ausbildung kaum eine Rolle.

Umso mehr tut es mir in der Seele weh, wenn die Engländer sich jetzt auf ihrem Sonderweg komplett in die Sackgasse verrennen und damit den Austausch auch unter Wissenschaftlern deutlich erschweren. Dabei sind die englischen Publikationen oft besonders originell. So auch eine Studie im "British Medical Journal", die untersuchte, wie gesund eigentlich Politik ist. Das Ergebnis: Politiker leben länger! Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg ihre Lebenserwartung schneller an als die der Allgemeinbevölkerung. Am besten konservierten sich die Politiker des konservativen Lagers. Wer es also mit ergrauten Schläfen zum "House of Lords" gebracht hat, überdauerte die Hitzköpfe der Arbeiterparteien.

Schieben alle Abgeordneten eine ruhige Kugel? Nein – die Erklärung für die Langlebigkeit ist vor allem einem Faktor zuzuschreiben: der Bildung. Das ist in Deutschland auch so. Wer schon als Kind zu den 20 Prozent an der Armutsgrenze gehört, hat eine bis zu zehn Jahre niedrigere Lebenserwartung als privilegierte Kinder. Und das ist mal wieder ein Fall für die Politik!

Sterben in Deutschland Sozialdemokraten auch früher als CDUler? Dazu habe ich keine gute Statistik gefunden. Helmut Kohl wurde nicht so alt wie Helmut ­Schmidt. Anekdoten sind keine Daten, aber meine eigene steile These: Politik ist stark gesundheitsschädlich. Wer es bis an die Spitze schafft, hat bereits seine außergewöhnliche Resilienz und Zähigkeit unter Beweis ­gestellt. Ohne eine gewisse Stand- und Trinkfestigkeit hätte man die Ochsentour aus dem Ortsverband bis nach Bonn oder Berlin nie durchgehalten. Ja, Helmut Schmidt wurde als Raucher 96 Jahre alt. Aber ohne zu rauchen hätte er womöglich 120 werden können.

Demokratie ist kein Zuschauersport. Sie lebt davon, dass sich Menschen für sie einsetzen. Denn Wahlen brauchen Auswahl und damit potenzielle Verlierer. Auch die zweite Reihe kann ehrenvoll sein – und sicher besser für die Gesundheit. Ein kleiner historischer Hinweis: Es wurde noch nie in der Geschichte der Verei­nigten Staaten ein Vizepräsident erschossen. Und von Amerika lernen heißt: wählen gehen! Demokratisch. Die größte Gefahr für unser Gemeinwesen mit so schönen Errungenschaften und Grundrechten wie Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und einer freien Forschung und Wissenschaft ist, das alles für selbstverständlich zu halten. Gegen etwas zu sein ist so viel einfacher als dafür. Ich bin für mehr dafür. Mal schauen, wer das in seinem Wahlprogramm hat.

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