Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Posttraumatische Belastungsstörung: Wo beginnt das Trauma?

Das führende Psychiatrie-Klassifikationssystem listet all jene Erleb­nisse auf, die ihm zufolge eine Posttraumatische Belastungs­störung auslösen können. Aber Menschen können auch nach anderen Stresssituationen entsprechende Symptome entwickeln.
Eine Klinikmitarbeiterin lehnt sich erschöpft mit der Stirn auf Handfläche an die Wand

Die Geburt eines Kindes. Ein Autounfall. Ein rassistisch motivierter Übergriff. Viele Menschen haben Dinge erlebt, die sie als »traumatisch« bezeichnen würden. In den vergangenen Jahren reihte sich auch Covid-19 in diese Liste ein: Psychologen warnten davor, dass die Pandemie die Fälle von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) alsbald in die Höhe schnellen lassen würde.

Ein Blick in die »Psychiatriebibel«, das US-amerikanische »Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders« (DSM), offenbart jedoch: Nur ganz bestimmte Erlebnisse gelten offiziell als traumatisierend. Personen, die plötzlich einen geliebten Menschen durch Covid-19 verloren haben sowie Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen erfüllen möglicherweise die strengen Kriterien. Die gefühlte Bedrohung, die von einer kaum bekannten, ansteckenden Krankheit ausgeht, der Verlust des Arbeitsplatzes, die soziale Isolation und das Leben im Lockdown – all das verursacht gemäß DSM kein Trauma. »Viele nannten die Pandemie traumatisch, aber das ist sie nicht«, so George Bonanno von der Columbia University in New York.

Mit unserer Neigung, weit verbreitete Erfahrungen als traumatisierend zu betrachten, übertreiben wir vielleicht die Auswirkungen, glaubt der klinische Psychologe. Seine eigenen Forschungen belegen, dass sich die meisten von uns mit der Zeit selbst von den schrecklichsten Erlebnissen erholen. In Anbetracht dessen, so fürchtet er, habe das Wort »Trauma« jede Bedeutung verloren. Andere Fachleute widersprechen dem. Sie finden, die strikte DSM-Definition sollte erweitert werden, um ein breiteres Spektrum menschlicher Erfahrungen abzudecken.

Dass Traumata existieren und gesundheitliche Auswirkungen haben, ist in der Medizin seit Langem bekannt. Ärztinnen und Ärzte taten sich jedoch anfangs schwer, den Traumabegriff zu definieren…

© 2022 New Scientist Ltd. Syndiziert durch Tribune Content Agency

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Resilienz - Was stärkt uns für schwierige Zeiten?

Zum Leben gehören neben Höhen auch Tiefen. Wie können wir solche negativen Ereignisse überstehen? Erfahren Sie, wie Stress den Darm trifft und was hilft, die Beschwerden zu lindern. Warum ältere Menschen oft stressresistenter sind und was jeder daraus lernen könnte. Wann uns ein Trauma nicht zerbricht, sondern wir am Widerstand wachsen. Wie Genussfähigkeit mit negativen Gefühlen, Leistung und Lebenserfolg zusammenhängt. Warum Tanz und Musik wie Lebenselixiere wirken. Oder ob Haustiere uns wirklich glücklich machen.

Spektrum Gesundheit – Übergewicht – Was können die neuen Abnehmspritzen?

Wie Abnehmspritzen den Appetit zügeln, für wen sie sich eignen und welche noch wirksameren Mittel auf den Markt kommen könnten, lesen Sie ab sofort in »Spektrum Gesundheit«. Plus: Ob Nickerchen unser Herz und Hirn schützen, wie man Kindern mit ADHS hilft und warum Tuberkulose so gefährlich ist.

Spektrum - Die Woche – Ist alles im Universum vorbestimmt?

  • Quellen

Chen, S. et al.: Psychopathology and resilience following strict COVID-19 lockdowns in Hubei, China: Examining person- and context-level predictors for longitudinal trajectories. American Psychologist 77, 2022

Galea, S. et al.: Trends of probable post-traumatic stress disorder in New York City after the September 11 terrorist attacks. American Journal of Epidemiology 158, 2003

Sampson, L. et al.: Trauma, post-traumatic stress disorder, and treatment among middle-aged and older women in the nurses’ health study II. The American Journal of Geriatric Psychiatry 30, 2022

Van den Berg, L. J. M. et al.: A new perspective on PTSD symptoms after traumatic vs stressful life events and the role of gender. European Journal of Psychotraumatology 8, 2017

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.