Direkt zum Inhalt

Tierversuche: Primatenforschung in Europa

Seit 2010 erlaubt eine hart erkämpfte EU-Richtlinie unter strengen Vorgaben wissenschaftliche Studien an Primaten. Doch in einigen EU-Staaten droht die Umsetzung in nationales Recht zu scheitern. Der Grund: Widerstand von Tierschutzverbänden.
Tierversuchsgegner

Das schlimmste Erlebnis während seines jahrelangen Kampfes um seine Forschungen war für Andreas Kreiter, als seine Frau nach der Geburt des zweiten Kindes nach Hause kam und eine Morddrohung gegen ihren Dreijährigen vorfand. Kreiter, Neurowissenschaftler an der Universität Bremen, untersucht Hirnfunktionen unter anderem bei Makaken. Seit er dort arbeitet, ist er Verleumdungen und immer wieder auch Aggressionen von Tierschutzaktivisten ausgesetzt. Auf dem Höhepunkt der Proteste in den späten 1990er Jahren musste er unter Polizeischutz leben. Trotz alldem gab er seine Studien nicht auf. "Als ich mich für Primatenforschung entschied, habe ich mir das sehr gründlich überlegt", sagt er. "Ich halte sie für notwendig, wenn wir das menschliche Gehirn verstehen wollen."

Später trat ein weiterer Gegenspieler auf den Plan: der Bremer Senat. Die Stadt suchte die Primatenforschung einzudämmen, und die für die Genehmigung von Tierexperimenten zuständige Gesundheitsbehörde erlaubte Kreiters Versuche 2008 nicht mehr. Der Streit ging durch die gerichtlichen Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht, das Anfang 2014 wie vorher schon die Gerichte Bremens zu Gunsten dieser Forschungen entschied.

Der Vorgang ist kein Einzelfall in Europa. Vielerorts tauchen unvermittelt lokale Regelungen auf, die den Geist einer Richtlinie der EU von 2010 zu verzerren drohen, die Forschung an nichtmenschlichen Primaten ausdrücklich zulässt. Auch wenn sich einige Wissenschaftler nach eigener Aussage dadurch sicherer fühlen als vorher, was die Zukunft ihrer Arbeit betrifft, sind andere plötzlich mit schwierigen und unerwarteten Situationen konfrontiert, wenn Tierschutzaktivisten bald die Forscher persönlich angehen, bald regionale politische Entscheidungsträger unter Druck setzen – das alles in einer Zeit, in der die EU die Umsetzung ("Translation") von Grundlagenforschung in neue Therapien vorantreibt – was nun einmal oft Tests an Primaten erforderlich macht. ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Wie die Guinness-Brauerei den t-Test erfand

Wer hätte gedacht, dass eine Brauerei der Geburtsort für eine der wichtigsten mathematischen Methoden ist? Dem Guiness-Bier haben wir zu verdanken, dass Ergebnisse in der Wissenschaft als statistisch signifikant gewertet werden können. Außerdem in dieser »Woche«: Wie Rauchen das Immunsystem stört.

Spektrum Kompakt – Mensch und Raubtier - Schwieriges Zusammenleben

Was wie ein längst vergangener Zustand klingt, ist nur in Vergessenheit geraten: Mensch und Raubtier teilen sich auch heute noch einen Lebensraum. Nicht immer ist dieses Zusammenleben harmonisch. Die Angst vor Angriffen ist groß - doch auch Tiere müssen fürchten, wie der Mensch die Umwelt verändert.

Spektrum - Die Woche – »Entschuldigung, da verstecken wir uns hinter einer billigen Ausrede«

Der bedeutende Philosoph Immanuel Kant hätte am 22. April 2024 seinen 300. Geburtstag gefeiert. Kann der kategorische Imperativ und sein philosophisches System auch noch auf die Themen des 21. Jahrhunderts angewandt werden? Außerdem: Ursachen und Umgang mit »Ghosting« in der Welt des Online-Datings.

Schreiben Sie uns!

12 Beiträge anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.