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Universitäts-Neugründung: Privates Kind öffentlicher Eltern

Die International University Bremen hat im Herbst den Lehrbetrieb aufgenommen und zumindest vorläufig den Segen des Wissenschaftsrats erhalten.


Ausgerechnet 1997, während der Krise der Vulkan-Werft, fasste der Bremer Senat einen Beschluss zur Wirtschaftsförderung, dessen Früchte die arbeitslosen Werftarbeiter mit Sicherheit nicht mehr genießen können: Er stellte 230 Millionen Mark als Kapital zur Gründung einer privatwirtschaftlich organisierten, internationalen Universität nach amerikanischem Muster zur Verfügung. Zugleich wies er die ausgedehnten Grundstücks- und Gebäudeflächen der bisherigen Nachschubschule für Offiziersanwärter im Bremer Norden, welche die Bundeswehr kurz zuvor wegen Platzmangels geräumt hatte, nicht der (Fach-)Hochschule Bremen, sondern der neu zu gründenden Universität zu.

Zum Konzept der Universität gehören Studiengebühren und eine strenge, leistungsbezogene Auslese der Studierenden – einigermaßen überraschend in einer Stadt, in der vor wenig mehr als dreißig Jahren eine öffentlich-rechtliche Universität mit ausgesprochen egalitärem Anspruch gegründet wurde. Oben-drein kommen wesentliche Impulse zur Neugründung aus eben dieser Universität Bremen: Der Mathematiker Heinz-Otto Peitgen knüpfte die Verbindung zur Rice-Universität in Houston (Texas), die daraufhin eine Art Patenschaft für die neue Universität übernahm; Jürgen Timm, Rektor der Universität Bremen, unterstützt das Projekt. Die im Februar 1999 offiziell gegründete "International University Bremen" (IUB) hat inzwi-schen Kooperationsabkommen sowohl mit der Rice-Universität als auch mit der öffentlich-rechtlichen großen Schwester am Ort.

Man suchte nach den leitenden Persönlichkeiten, die diese Idee einer Privat-Universität in die Realität umsetzen sollten – und fand sie im öffentlich-rechtlichen Bereich. Präsident ist nun Fritz Schaumann, den der Regierungswechsel 1998 gerade zur rechten Zeit von seinem bisherigen Posten als Staatssekretär im Bundesministerium für Forschung und Technologie befreit hatte. Die Dekane der zwei Fakultäten (schools) sind beide 66 Jahre alt: Gerhard Haerendel für die naturwissenschaftliche Fakultät ist langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching; Max Kaase, der die etwa halb so große geisteswissenschaftliche Fakultät leitet, hat viele Jahre lang sozialwissenschaftliche Forschung in Mannheim betrieben und war Mitglied in entscheidenden Gremien von Wissenschaftsrat und Deutscher Forschungsgemeinschaft.

Auf der Liste der Professoren finden sich mehrheitlich deutsche Namen. Einzig der Mathematiker Raymond Wells von der Rice-Universität kann seinen Kollegen aus eigener reichhaltiger Erfahrung vom amerikanischen Universitätsalltag erzählen.

Jacobs Krönung: ein Studienzentrum

Bis 2005 will die IUB ihr Startkapital durch private Spenden auf 250 Millionen Euro reichlich verdoppeln. Dieses Geld soll unangetastet bleiben und nur seine Erträge den Betrieb finanzieren helfen. Wie in den USA üblich, dürfen die Spender geeigneten Teilen der Universität ihren Namen anheften. So wohnen die ersten 132 Studenten im "Alfried Krupp College"; die Krönung der Spendenakquisitionsbemühungen ist bislang das "Jacobs Center of Lifelong Learning and Institutional Development", gestiftet von der gleichnamigen Bremer Kaffeeröster-Familie, mit acht Professuren, die sich mit individueller menschlicher Entwicklung im weitesten Sinne befassen sollen.

Im Endausbau 2005 will die Universität 1200 Studenten ausbilden, davon ein Drittel graduates, also mit einem ersten Abschluss, und hundert Professoren beschäftigen. Die Studiengebühr beträgt stolze 15000 Euro pro Jahr (Unterkunft auf dem Campus nicht eingeschlossen); allerdings kommen von den Studierenden, die zunächst alle ohne Ansehen der finanziellen Verhältnisse ausgewählt werden, etwa zwei Drittel in den Genuss einer Ermäßigung.

Im September 2001 hat die IUB mit 29 Dozenten und 132 Studierenden den Betrieb aufgenommen. Ein Viertel der Anfänger kommt aus Deutschland, ein Drittel aus Mittel- und Osteuropa, die Herkunftsorte der Übrigen verteilen sich über die restliche Welt.

Schon zwei Monate später nahm der Wissenschaftsrat die IUB in den Kreis der deutschen Hochschulen auf, die er für förderungswürdig hält. Grundlage dieser befristeten Akkreditierung ist naturgemäß nicht die bisherige Leistung, sondern das Konzept, das der Wissenschaftsrat mit allerlei Vorschusslorbeeren versieht. Die gegenüber deutschen Universitäten fast halbierte Lehrverpflichtung lasse den Professoren reichlich Zeit zum Forschen; dafür müssen sie in der Grundausstattung ohne wissenschaftliche Mitarbeiter auskommen. Allerdings sei zweifelhaft, ob es wirklich gelingen werde, 30 Millionen Euro pro Jahr an Spenden einzuwerben.

Die Akkreditierung öffnet der IUB den Zugang zum Geldtopf des Hochschulbauförderungsgesetzes. Damit werden wie bei öffentlichen Hochschulen Bauvorhaben zu fünfzig Prozent vom Bund getragen. Die andere Hälfte muss statt vom jeweiligen Bundesland aus eigenen Mitteln der IUB kommen.

Im Gründungseifer war wenig Zeit für eine Planung der eigentlichen Lehraktivitäten geblieben. Professoren, die zum 1. September ihren Dienst antraten und wenige Tage später ihre erste Vorlesung zu halten hatten, müssen nun im laufenden Betrieb die sehr anspruchsvollen guten Vorsätze der Gründer einlösen. So soll die Ausbildung innerhalb von drei statt, wie in den USA üblich, vier Jahren zum Bachelor of Science führen, bei entsprechend verdichtetem Stundenplan. Über die daraus resultierende Arbeitslast gab es bei den Elite-Studenten der ersten Stunde bereits vernehmliches Aufstöhnen.

Gratwanderung zwischen den Disziplinen

Neben der "Exzellenz" ("nur das Beste aus beiden Welten") hat sich die Universität "Transdisziplinarität" auf die Fahnen geschrieben. Das soll ungefähr dasselbe sein wie Interdisziplinarität, nur ohne die Lizenz zum Dilettantismus, die sich in das übliche Verständnis dieses Wortes eingeschlichen habe.

Dieser gute Vorsatz läuft darauf hi-naus, dass die Studierenden verpflichtet sind, eine erhebliche Anzahl von Kursen in anderen Fächern als dem eigenen und ein paar sogar in der jeweils anderen Fakultät zu besuchen. Gemeint ist hierbei das Standardprogramm; Schmalspurkurse nach dem andernorts praktizierten Muster "Statistik für Mediziner" sind nicht vorgesehen. Das klingt zunächst überzeugend; nur wird ein Sozialwissenschaftler, der beispielsweise eine Anfängervorlesung in Mathematik besucht, viel Mühe um die Grundlagen aufwenden und dabei die Erweiterung seines Horizontes verpassen, denn die kommt regelmäßig erst später.

Der Mangel an Planung und Festlegung ist gleichzeitig auch eine große Gestaltungsfreiheit. Noch sind die Fachbereiche so klein, dass nur sehr wenige Leute sich auf die Einführung eines neuen Studienplans oder neuer Lehr- und Lernformen einigen müssen.

Das Baby ist zwar durch eine Art Sturzgeburt zur Welt gekommen, wirkt aber munter und kreativ. Eine gewisse liebevolle Zuwendung von Seiten der öffentlich-rechtlichen Tanten (unter denen es wie üblich auch missgünstige gibt) wird erforderlich sein. Erst wenn der neben dem Universitätsgelände geplante Technologiepark auflebt und es gelingt, Absolventen der IUB in der Region zu halten, wird der vom Bremer Senat angestrebte positive Effekt für die Wirtschaft der Stadt eintreten.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2002, Seite 96
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
  • Infos
International University Bremen ->http://www.iu-bremen.de/

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