Diagnostik: "Die meisten Menschen wollen gern arbeiten!"
Herr Doktor Kobelt, Sie arbeiten an einem Fragebogen, der überprüfen soll, ob Patienten mit psychischen Krankheiten ihre Symptome wahrheitsgemäß schildern. Sollte man Menschen nicht erst einmal glauben, wenn sie von seelischem Leid berichten?
Auf jeden Fall! Nach diesem Motto handeln Psychiater ja auch meistens. Daher sind vor allem Psychiatrieverbände nicht gerade erfreut über diese Art von Fragebogen. Schnell steht der Vorwurf im Raum, wir wollten eine Art Hexenjagd betreiben oder grundsätzlich unterstellen, dass Menschen bei einer Begutachtung zur Erwerbsunfähigkeit simulieren. Doch darum geht es gar nicht.
Worum dann?
Die Beeinträchtigungen bei psychischen Erkrankungen sind schwer messbar. Wer sich begutachten lässt, etwa weil er einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt hat, möchte sein Leiden aber anerkannt bekommen. Und aus Angst, dass der Arzt ihm nicht glaubt oder seine Symptome nicht für schwer wiegend genug hält, neigt mancher Betroffene dazu, seine Beschwerden gravierender darzustellen, als sie wirklich sind. Die Motivation zu solchen Verzerrungen wird von vielen Faktoren beeinflusst. Neben der Persönlichkeitsstruktur spielt etwa eine Rolle, wie zufrieden die Betroffenen mit ihrem Arbeitsplatz sind oder wie gut ihre finanzielle Absicherung ist. Die Herkunft aus fremden Kulturen oder das Sprachverständnis beeinflussen ebenfalls, wie jemand seine Symptome beschreibt. Das alles kann dazu führen, dass ein Antragsteller im Gespräch mit einem Gutachter nicht wahrheitsgemäß antwortet – auch wenn tatsächlich eine psychische Erkrankung vorliegt ...
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