Psychische Gesundheit: Der Faktor Armut
Am 11. Juli 2021 reiste der Virgin-Inhaber Richard Branson mit seiner »VSS Unity« an den Rand des Weltraums. Um die 28 Milliarden Dollar soll der etwa zweieinhalbstündige Ausflug gekostet haben. Wenige Tage später machte der Amazon-Gründer Jeff Bezos einen ähnlichen Trip. Während die Milliardäre zu den Sternen griffen, konnten Millionen Menschen auf der Erde von einem Urlaub nur träumen. Nicht wenige mussten sogar befürchten, nicht genug Geld für die nächste Miete oder notwendige Einkäufe aufbringen zu können.
Solche Sorgen kennt Daniela Brodesser gut. Die 45-jährige gelernte Bankkauffrau lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern im österreichischen Walding. Ihre jüngste Tochter kam mit einem angeborenen Lungenfehler zur Welt. Brodesser gab Anfang 2013 ihren Job auf, um sich um die Kleine zu kümmern. Das Familieneinkommen fiel in der Folge auf unter 1800 Euro pro Monat. »Für eine sechsköpfige Familie, inklusive Familienbeihilfe«, erzählt sie. Ihr Mann erlitt bald darauf ein Burnout und Daniela wurde depressiv. Zum Arzt ging sie nicht.
Die Folgen von Armut, ist Brodesser überzeugt, sind nicht immer sichtbar. Denn wie viel Geld jemand hat, beeinflusst nicht nur, wo und ob er Urlaub machen kann – ein niedriges Einkommen hinterlässt auch Spuren in der Psyche. Daten aus aller Welt untermauern diese These. Ob in Japan, der Schweiz oder Brasilien: Überall sind Menschen, die in Armut aufwachsen, öfter von psychischen Erkrankungen betroffenen als der Bevölkerungsdurchschnitt. In einer 2020 erschienenen Übersichtsarbeit wertete ein Team um Matthew Ridley vom Massachusetts Institute of Technology bis dahin veröffentlichte Untersuchungen zum Auftreten psychischer Erkrankungen in verschiedenen Einkommensgruppen aus. Den Fokus legten die Fachleute auf Angststörungen und Depressionen. Diese traten laut der Analyse bei Personen mit niedrigem Einkommen zwischen eineinhalb- und dreimal häufiger auf als bei jenen mit hohem Einkommen. Schizophrenie sowie Todesfälle durch Suizid kommen bei Menschen mit geringeren Einnahmen ebenfalls gehäuft vor.
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